Die schönsten Touren im Ötztal

Fakten: Das Ötztal formt mit über 40 km Länge das größte Seitental Tirols und führt von Ötztal Bahnhof auf 704 Meter zum Timmelsjoch auf 2491 Meter Höhe. Der höchste mit dem Rennrad erreichbare Punkt liegt auf 2802 Meter Höhe am oberen Parkplatz des Rettenbachferner.
Charakter: In diesem hochalpinen Rennrad-Revier darf man Höhenmeter nicht fürchten. Rundtouren gibt es nur wenige, dafür viele steile Stichstraßen.
Anreise: Von Norden über Garmisch-Partenkirchen und den Fernpass nach Imst und ins Ötztal (240 km, 2:45 h von München).
Beste Reisezeit: Wegen der großen Höhe muss im Mai neben den hohen Passstraßen noch mit Schneefeldern gerechnet werden. Ab Juni bis Ende September sind die Verhältnisse meistens ideal.
Besonderheiten: Nach einer hochalpinen Tour ist ein Besuch der Therme in Längenfeld eine Wohltat für die Glieder (www.aqua-dome.at).
Karte: ADAC UrlaubsKarte Österreich, Blatt 6: „Vorarlberg, Tirol, Südtirol“, 1:150000
Infos: Allgemeine Reiseinfos und Buchung: www.oetztal.com
Event: www.oetztaler-radmarathon.com
Rennrad-Info und Pässe: www.quaeldich.de
Übernachtung: Ötztaler Radsport Camp, Hotel Alpina, Sölden. Telefon: +43/5254/501-20, www.oetztaler-radsportcamp.at
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Ötztal-Reportage: Rennrad fahren in einer Traumwelt





Die schönsten Touren im Ötztal
Was mein Saisonziel ist?“, fragt Armin ungläubig und guckt wie ein Pisaner, den man gefragt hat, ob der Turm gerade oder schief sei. „Ende August ist der Ötzi!“ Klar, die Teilnahme am Ötztaler Radmarathon spukt im Kopf jedes ambitionierten Rennradfahrers herum.
Da trifft das berühmte Motto „Ich habe einen Traum“ dieser berüchtigt harten Radsportveranstaltung den Kern der Sache. „Kühtai, Brenner, Jaufen, Timmelsjoch. 238 Kilometer, 5500 Höhenmeter“ – für viele Radsportler ist dies das Mantra, welches sie über die komplette Radsaison im Sattel hält. Einmal diese Strecke hinter sich zu bringen, in welcher Zeit auch immer, das ist der Ritterschlag.
Doch was außerhalb des Ötztals jahrelang Stoff für Kneipengespräche liefert, gilt in der dortigen Rennrad-Szene als Selbstverständlichkeit. Nicht die Teilnahme ist die Frage. Interessant ist die Form der Radsportkumpane auf dem Weg zum „Ötzi“, die bei Trainingsausritten genau beobachtet wird. So wie heute.
Das Wetter kann sich nicht so recht zwischen gut und geht so entscheiden, als die drei Freunde Armin Neurauter, Mathias Walthart und Mathias Höfler die Söldener Gletscherstraße angehen. Keinem der drei mag man mangelnden Trainingsfleiß unterstellen, aber nicht einmal auf einem Drittel des Wegs zum Rettenbachgletscher kommt dem Trio ein Rennradfahrer rasant entgegen, der die Strapazen schon hinter sich hat und einfach eher aus dem Bett gekrabbelt ist.
„Früh aufstehen lohnt sich eben“, presst Mathias Walthart hervor. Nach der Mautstelle steigt die Straße beträchtlich an. Gleichzeitig bricht die Sonne durch die Wolkendecke, sticht in den Kessel des kargen Hochtals und zeigt innerhalb von Minuten ihre Kraft. Wer zu spät aufsteht, wird Ende Juli auf den Rampen vor dem Rettenbachferner gnadenlos gegrillt. Als Erster des Trios steht jetzt Mathias Höfler auf und nutzt die zweite Kehre für eine Attacke – einen Sekundenbruchteil später setzen die anderen mit brennenden Lungenflügeln nach.
Kein Wunder, schließlich steuert die Rettenbach-Gletscherstraße den höchsten Punkt an, der im Ötztal mit dem Rennrad erreichbar ist. Und hier oben, jetzt schon auf knapp 2400 Meter Höhe, wird die Luft langsam merklich dünn.
Die größte Steigung des Ötztals ist für die drei Freunde kein Grund, klein beizugeben. An der Gletscherarena reicht ein stummer Blick, dann gehen die drei Rennradverrückten auch noch das letzte Stück bis ganz oben an. Denn was die meisten Rennradler auslassen, ist für die Locals Pflichtprogramm: Am Zieleinlauf des Ski-Weltcups lässt sich das Höhentraining im Wortsinne auf die Spitze treiben. Vier Kehren noch, dazwischen eine quälend steile Gerade, und die 2800er-Marke ist endlich geknackt.
Doch zuvor lassen drei angestrengte Gesichter an einen Ausspruch von Jan Ullrich zurückdenken, der hier 2005 bei der Deutschland-Tour als Dritter ins Ziel kam: „Völlig verrückt, in einer solchen Höhe eine Straße zu bauen!“
Sauerstoff zum Reden kann bei diesem Tempo kein Normalsterblicher erübrigen. Doch auch ohne Worte: Die positive Konkurrenz, mit der man sich hier gegenseitig pusht, ist greifbar. Und mit jedem Tag, der beim Countdown zum Startschuss des „Ötzi“ verrinnt, steigt die Spannung.
Unter der oberflächlichen Coolness, genährt von „bestimmt einem Dutzend“ Teilnahmen am Ötzi, kommt jedoch schnell der Respekt vor diesem Rennen zum Vorschein. „Nach einer so harten Strecke brauchst du mindestens zehn Tage Regeneration. Aber die kriegst du nicht.“ Mathias Höfler fährt mit seinem Team „Orbea-Graz-WSA-Arbö“ Rundfahrten der UCI-Kategorie 2,2. Der „Ötzi“ liegt genau im Rennkalender.
Doch seine Teilnahme zugunsten der Chance auf eine höhere UCI-Platzierung ausfallen zu lassen, kommt für Mathias auf keinen Fall in Frage. Hier nicht nur mitzufahren, sondern so weit wie möglich vorne mitzumischen, ist für den Profi aus Huben Ehrensache.
Doch auch wer den Traum der Teilnahme am „Ötzi“ einstweilen noch nach hinten verschiebt, muss sich um machbare Radkilometer im Ötztal nicht sorgen. Klar, Tirols größtes Seitental liegt direkt an der Grenze des Alpenhauptkamms. Die Folgen für den Straßenbau lassen sich nicht wegdiskutieren. Und dennoch finden sich hie und da kleine Seitenstraßen, die allerbeste Voraussetzungen für eine gemütliche Nachmittagstour versprechen.
Die Stichstraße nach Vent ist so ein positives Beispiel. Fünfhundert Höhenmeter liegen zwischen Sölden und dem kleinen Ort ganz hinten im Talschluss. Nur wenige Pedalumdrehungen nach dem Abzweig in Zwieselstein scheinen alle Zivilisationsgeräusche wie mit der Schere abgeschnitten. Wer fürs Carboloading gern auch mal auf Käsekuchen zurückgreift und sauerstoffhaltige Luft auch im Hochgebirge nicht als Luxus empfindet, sollte diese Stichtour unbedingt unter die Räder nehmen.
Denn je weiter man dem Talschluss kommt, desto mehr prägen saftiggrüne Almhänge die Szenerie. Im Venter Tal treffen glückliche Rennradler auf glückliche Kühe. Und für das leibliche Wohl ist sowieso gesorgt: Die Jausenstationen sind ungezählt.
Nach einer rasanten Abfahrt trennen sich nun in Sölden die Wege der drei Freunde Mathias, Armin und Mathias. Zumindest bis zur nächsten Trainingsfahrt. Armin hat es eilig, er muss zur Arbeit. „Heute Abend fahre ich noch meine Hausstrecke über den Haiminger Berg. Kommt’s mit, Bursch’n?“ Den Rettenbachferner morgens und die fiesen Steigungen am Haiminger Berg als Feierabendrunde? „Die Form für den Ötzi“, sagt Armin, „wird immer scharf beobachtet ...“
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