Mit dem Gravelbike in den Weiten Brandenburgs

Unterschätztes Bundesland
Mit dem Gravelbike in den Weiten Brandenburgs

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Veröffentlicht am 29.09.2023
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Foto: Rick Schubert

Brandenburg mit dem Gravelbike entdecken

Brandenburg ist doch im Prinzip auch nur ein Vorort von Berlin." Was erst mal ein wenig abwertend klingt, ist inhaltlich zumindest nicht komplett falsch. Denn ganz gleich in welche Himmelsrichtung man von der Hauptstadt aus startet: Bald landet man in Brandenburg. Schließlich wird Berlin komplett von dem flächenmäßig fünftgrößten Bundesland umschlossen. Trotzdem wird das Eingangsstatement dem Land natürlich nicht gerecht. Denn Brandenburg ist so viel mehr. Und vor allem hat das Land ziemlich viel zu bieten. Gerade für Menschen, die sich gerne aufs Gravelbike schwingen, um die Welt zu erkunden.

"Brandenburg mag für viele ein weißer Fleck auf der Landkarte sein", weiß auch Steffi Marth. Doch genau das will die schnelle Frau auf zwei Reifen ändern. Sie kommt selbst aus Brandenburg. Genauer gesagt aus Plessa. Und sie kommt vom Mountainbike. Und zwar dem mit richtig viel Federweg. Doch speziell während der Pandemie hat sie ihre Liebe fürs Gravelbike entdeckt. Stichwort Heimat neu kennenlernen. Und damit noch mehr Menschen ihre schöne Heimat kennenlernen, nimmt sie uns mit auf eine Tour. Mit dem Gravelbike. Also rein in den Sattel und auf in den Schotter.

Die erste wichtige Erkenntnis: Hier gibt es viel Platz. Denn Brandenburg ist zwar ziemlich groß, aber auch ziemlich dünn besiedelt. Zum Vergleich: Flächen technisch gäbe es in Brandendburg Platz für 33 Städte von der Größe Berlins. Doch selbst in dem einen, echten Berlin leben heute 3,6 Millionen Menschen, in dem die Stadt umschließenden Bundesland nur 2,5 Millionen. "Dabei besteht mehr als ein Drittel der Fläche Brandenburgs aus Naturparks, Wäldern, Seen und Wassergebieten", erklärt Steffi.

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Rick Schubert

Erstklassige Bedingungen also für die Freunde schneller Fahrräder. Speziell, wenn ein feines Stollenprofil den Reifen ziert. "Es gibt hier richtig gute Straßen und vor allem viele wunderschöne Alleen", weiß Steffi. Doch sie verrät auch: "Oft führen die schönen Strecken aber über Kopfsteinpflaster oder unbefestigte Wege." Nicht zu vergessen die berühmt-berüchtigten Waldwege mit hohem Sandanteil. Kurzum: Das "B" in Brandenburg steht für "Breitreifen". Denn mit etwas breiteren Reifen, weniger Luftdruck und einer entspannteren Sitzposition machen die langen Touren hier einfach noch ein wenig mehr Spaß.

Eine bergtaugliche Übersetzung hingegen braucht es nicht. Denn Brandenburg ist flach. Sehr flach. "Hier sieht man beim Frühstück schon, wer zum Abendessen kommt", zitiert Steffi einen regional beliebten Ausspruch. Mit ihren 201 Metern gilt die Heidehöhe in den Grödener Bergen als höchste Erhebung des Landes. Verzeihung: 201,4 Meter! Und der im Jahr 2009 hier errichtete Aussichtsturm ragt weitere 34 Meter in den Himmel. Ganz in der Nähe liegt auch Steffis Heimatdorf Plessa. "Als Kind war für mich vor allem die BMX-Strecke interessant. Aber in den vergangenen Jahren habe ich die Region per Rennrad und Gravelbike komplett neu kennen- und lieben gelernt", sagt sie. Und sie verrät, dass sie durch ihre Reisen mit dem Bike durch die Welt den Sinn für das Wesentliche geschärft hat: Ruhe, Natur, viel Platz und wenig Menschen.

Um ihre Heimat noch besser kennenzulernen, träumt Steffi von einem Bikepacking-Trip durch ganz Brandenburg. Der Plan steht, doch die Zeit fehlt. Wie so oft im Leben also. Doch immer wieder schwärmt sie davon, mit dem Gravelbike durch die vielen kleinen Dörfer zu rollen. Durch Auen, Heiden und Wälder zu fahren, vorbei an den Tagebaugebieten und vor allem: durch ganz viel Nichts.

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Rick Schubert

Insidertipp: Machen!

Ganz ehrlich: Der Brandenburg-Tripp selbst ist der Insidertipp. Auf den ersten Eindruck mag das Bundesland nicht viel zu bieten haben. Doch wer auf einsamen Straßen und Wegen pedalieren möchte, findet hier die pure Wellness. Zudem kommt man in jedem Dorf schnell mit Einheimischen ins Gespräch. Und noch ein Tipp, um nicht direkt als Tourist enttarnt zu werden: Beim Bäcker besser Schrippen und Pfannkuchen als Semmeln und Krapfen bestellen.

Brandenburg-Entdeckern empfiehlt sie etwa Touren durch die Seenlandschaften, Tagebaugebiete oder den Spreewald bis hoch nach Potsdam. "Der Spreewald ist ein unbedingtes Muss. Die Fahrt durch diese historische Kulturlandschaft ist ein Traum", schwärmt Steffi und erzählt von Auen und Mooren, von unzähligen Verzweigungen der Spree und von Wegen über kleine Brücken, vorbei an bunten Holzhäusern mit traditionellen Reetdächern: "Diese Welt und diese Landschaft sind wirklich einzigartig."

Überhaupt hat der Wald es ihr schwer angetan. Das trifft sich gut, schließlich bedeckt er mehr als ein Drittel des Bundeslandes. Am dichtesten bewaldet ist dabei Steffis Heimat im Süden Brandenburgs. "Zwischen Plessa und Berlin ist gefühlt nur Wald, durchzogen von einem Netz perfekter Gravel-Wege", sagt sie.

Seen, Flüsse und Kanäle

Und dann wären da ja noch die vielen Badegewässer. Neben Tausenden natürlicher Seen, den Flüssen und Kanälen gibt es die gefluteten Tagebauten mit ihren teils wunderschönen Badeseen. Oder um es mit Steffis Worten zu sagen: "Wenn du hier nach einem tollen Tag auf dem Gravelbike am Ufer sitzt und sich die untergehende Sonne im Tagebausee spiegelt. Oder wenn über einem unendlich großen Weizenfeld Dutzende Windräder in einer leichten Brise tanzen. Dann fühlst du Brandenburg."

Die Touren

1. Tagebau-Seen-Tour

2. Döberitzer Heide

3. Tour de Niederlausitz

4. Einmal durch Südbrandenburg

Erleben

Rasanter Renneinsatz

Die Neuseen Classics sind mittlerweile eine feste Größe im deutschen Rennkalender für Jedermänner. Auf flachen Strecken über 60, 100 oder 212 Kilometer geht es ab Leipzig rasant durch die ehemaligen Tagebaugebiete. Nächster Termin: 26. Mai 2024. Infos und Anmeldung unter:

Besuch in Klein-Holland

Die Landeshauptstadt Potsdam lockt nicht nur mit Prachtbauten wie dem Neuen Palais oder Schloss Sanssouci. Auch ein Besuch des Holländischen Viertels darf beim Brandenburg-Trip auf keinen Fall fehlen. Mit seiner bunten Architektur, den einladenden Cafés und Restaurants ist der Stadtteil ein richtiges Highlight.

Paddeln im Spreewald

Wer Lust auf etwas Aktivität abseits des Sattels hat, kann sich auf den Seen, Flüssen und Kanälen Brandenburgs austoben. Zum Beispiel bei einer Fahrt mit dem Kahn im Spreewald. Oder mit eigener Kraft im Ruderboot, ganz nach dem Motto: Paddel statt Pedal. 267 Kilometer der Fließen, wie die Kanäle hier genannt werden, sind schiffbar.

Entdecken

Fakten

Brandenburg ist eines der größten deutschen Bundesländer, aber auch eines der am dünnsten besiedelten: Große Flächen sind von Wäldern und Seen bedeckt. Die Landeshauptstadt Potsdam bezaubert mit prunkvollen Bauten. Ausgangsort für die meisten hier vorgestellten Touren ist aber Plessa im Süden Brandenburgs.

Beste Fahrradzeit

Die Zeit von April bis Oktober empfiehlt sich für radsportliche Abenteuer in Brandenburg. Doch auch im Rest des Jahres ist Radsport auf dem flachen Terrain möglich. Im Winter lockt zudem die Glühwein-Kahnfahrt im Spreewald.

Anreise

Bahn: Per Regionalbahnhof ist Plessa ans Schienennetz angebunden. Die Fahrt ab Frankfurt/Main oder München mit Umstieg in Dresden dauert etwa fünf Stunden. Die Zugfahrt von Berlin dauert etwa zweieinhalb Stunden.

Auto: Plessa liegt nahe der A 14 zwischen Berlin, Cottbus, Dresden und Leipzig. Von München und Frankfurt/Main beträgt die Fahrzeit jeweils etwa fünf Stunden, von Berlin sind es etwa zwei Stunden.

Unterkunft

Pension Plessa

Einfache Unterkunft mit besonderer Geschichte: In der Pension Plessa schläft man auf dem Gelände einer alten Brikettfabrik inmitten der Tagebaugeschichte. Auch der alte Zechensaal ist Teil der Pension. Dank ihrer zentralen Lage eignet sie sich auch für viele Ausflüge in die Region.

Tropical Island

Wie wäre es mit einer Nacht am Strand im Zelt unter Palmen? Im Tropical Islands südlich von Berlin ist genau das möglich. Im ehemaligen Cargolifter-Hangar befindet sich heute eine gigantische Indoor-Tropenlandschaft mit Regenwald, Wasserfällen und diversen Übernachtungsoptionen.

Bleiche Resort & Spa

Kleine Unterkünfte, Pensionen und Campingplätze gibt es in Brandenburg zuhauf. Wer die Gravel-Tour aber mit einer ordentlichen Portion Luxus verbinden möchte, kann in der Bleiche im Spreewald einchecken. Das Resort bietet ein unvergessliches Erlebnis. Leider auch für den Geldbeutel.

Essen und Trinken

Gasthaus "Zur Erholung"

Gutbürgerliche Küche gepaart mit nettem Ambiente und freundlichem Personal bietet das Gasthaus in Lauchhammer bei Plessa. Im Volksmund wird es in Erinnerung an seinen alten Namen auch "Mampe" genannt. Trotz fleischlastiger Karte kommen auch Vegetarier und Veganer auf ihre Kosten.

Buya Izakaya + Ramen

Zugegeben, dieses Lokal ist nicht typisch brandenburgisch. Aber Steffi Marth liebt die japanische Küche des Buya Izakaya + Ramen in Potsdam. Ein Kulinarik-Tipp also, der von Herzen kommt. Und durch den Magen geht.