Ein Rennrad wie ein Rennen: Das Gand aus der Bikeschmiede des italienischen Weltmeisters Maurizio Fondriest trägt zwar den französischen Namen der flämischen Radsport-Metropole Gent. Kramt man allerdings beim Fahren gedanklich in den Palmarès des Italieners, kommt einem fast unwillkürlich Mailand–Sanremo in den Sinn, wo Fondriest 1993 auf der berühmten Via Roma siegte. Denn die Auslegung des Gand passt eigentlich perfekt zur Charakteristik der "Primavera". Dank der aerodynamischen Rohrprofile inklusive flächiger Sattelstütze ist das Gand wie dafür gemacht, auf langen Strecken ein richtig gutes Tempo vorzulegen. Im Unterlenker geht es tief nach unten, um dem Fahrtwind möglichst wenig Widerstand entgegenzusetzen – perfekt für eine Fluchtgruppe auf dem langen Weg zur ligurischen Küste.
Aber wir wissen: Entschieden wird der Frühjahrsklassiker am Ende, wenn die berühmten Anstiege Cipressa und Poggio im Roadbook stehen. Und dafür hat das Gand die passende Übersetzung an Bord, um nach mehr als 200 Kilometern die Rampen noch flüssig hinauftreten zu können: Eine 50/34er-Kompaktkurbel trifft auf eine 11–34er-Kassette am Hinterrad – eine Abstufung, die man auf den ersten Blick nicht an einem solchen auf Aerodynamik getrimmten Renner erwarten würde. Doch sie hilft ungemein, wenn sich die Straße nach oben neigt. Die Kehrseite der Medaille: Beim Schlusssprint fehlt kräftigen Fahrern ein großer Gang durch den Verzicht auf ein 52er-Kettenblatt.

Das Fondriest mag es, flott vorwärtszukommen.
Das Konzept hinter dem Gand
Diese Vielseitigkeit und die Eignung für nahezu jedes Terrain ziehen sich durch das gesamte Konzept des Gand. So ist der Rahmen beispielsweise für Reifen bis zu 32 mm freigegeben, wobei schon die montierten 30er für ein extrem angenehmes, sehr geschmeidiges Fahrgefühl sorgen. Sie kompensieren außerdem die doch recht harte Sattelstütze – umso wichtiger, je länger das Rennen dauert.
Viel Lob gab es von den Testern überdies für den sehr gut in der Hand liegenden, angenehm abgerundeten Lenker, der auch in schnellen Abfahrten jederzeit gute Kontrolle erlaubt. Dort profitiert das Gand außerdem von der gut abgestimmten Geometrie mit feiner Balance zwischen der nötigen Laufruhe für optimale Straßenlage, aber mit ausreichend direkter Lenkung, um schnell und präzise durch enge Kurven zu zirkeln. Gerade diese Präzision zeichnet das Gand aus: Sowohl der recht kurze Radstand mit 987 mm in Größe 56, die mit 406 mm kurzen Kettenstreben und auch der mit 73,5° eher steile Lenkwinkel sorgen für eine direkte Lenkung, die feinfühlig auf minimale Impulse des Fahrers reagiert – perfekt für die technische Abfahrt vom Poggio runter auf die große Küstenstraße.
Beeindruckender Antritt
Dort, auf der Via Roma, stellt sich das Gand der letzten Herausforderung, dem Sprint. Und auch hier beweist es Talent. Der steife Rahmen sorgt mit den 2963 Gramm schweren Vision-Laufrädern und Contis Topreifen GP 5000 für einen beeindruckenden Antritt und erhöht die Chancen, im Finale die nötige Reifenbreite Vorsprung zu haben.
Siegerpotenzial hat das Gand also auf jeden Fall, insgesamt attestierten die Tester eine starke Performance für nahezu jeden Anspruch – ein echter Allrounder eben. Besonders erfreulich: Mit 5249 Euro für die Ultegra Di2-Version ist das Fondriest recht fair kalkuliert.
Das gefällt 👍
Schnell in der Ebene, mit ausgewogenem Handling und gutem Vortrieb: Das Fondriest Gand mag es zügig.
Das weniger 👎
Für etwas mehr Entfaltung in der Ebene wäre eine 52/36-Semikompakt-Kurbel hier die bessere Wahl.
Das perfekte Rad für...
... alle, die ein vielseitiges Rennrad mit italienischem Weltmeister-Flair möchten, das sich wohltuend von der Masse abhebt, ohne übertrieben teuer zu sein.
*Größe 56, ohne Pedale