Von Frau zu Frau: Die weibliche Physiologie im Radsport – Teil 6

Das Einmaleins der weiblichen Physiologie im Radsport
Von Frau zu Frau – Teil 6: Like a Pro

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Veröffentlicht am 14.05.2024
3rd Itzulia Women 2024 - Stage 1
Foto: Velo

Welche Rolle spielen Zyklus und Hormonschwankungen für das Training im professionellen Frauenradsport? Dazu haben wir Rutger Tijssen, Team Manager bei Visma Lease a Bike, gesprochen.

Interview

Welche Rolle spielt der Zyklus für professionelle Rennfahrerinnen?

Ein regelmäßiger Zyklus ist ein gutes Zeichen. Das ist sicherlich nicht überall so, aber in unserem Team sprechen wir sehr offen darüber, denn die Periode gehört für Frauen zum Leben dazu und sollte auch vorhanden sein. Natürlich ist das auch ein Faktor, auf den wir gelegentlich Rücksicht nehmen müssen, deswegen arbeiten wir eng mit den einzelnen Fahrerinnen und Spezialisten zusammen, um bestmöglich damit umzugehen. Auch das gehört zur ganzheitlichen Herangehensweise unseres Teams. Generell ist die Periode ein wichtiges Signal für gute Gesundheit, daher hoffe ich, dass alle Fahrerinnen sie bekommen. Fällt sie mehrere Monate aus, gehen die Alarmglocken an. Das ist ein Warnsignal, dass etwas nicht stimmt, dass die Sportlerin womöglich für ihr Trainingsvolumen zu wenig Energie aufnimmt. Deswegen achten wir sehr genau darauf und sehen es als frühzeitiges Warnzeichen [Anm. d. Red.: für die Erkrankung RED-S, vgl. auch RB 10/23].

Haben hormonelle Verhütungsmittel im Profisport Auswirkungen auf die Leistung?

Ich würde nicht sagen, dass wir bei Fahrerinnen mit hormoneller Verhütung große Effekte spüren. Fahrerinnen, die Hormonpräparate nehmen, haben vielleicht etwas mehr Kontrolle und können ihre Leistungsfähigkeit für wichtige Renntermine besser steuern, aber das ist jeder Athletin selbst überlassen und sollte sich in einem engen Rahmen von ein paar Tagen bewegen. Viel wichtiger ist die Frage: Was ist gesund? Denn ich sehe mich auch in der Verantwortung, sicherzustellen, dass die Athletinnen auch nach der sportlichen Karriere noch ein gutes Leben haben. Daher halte ich nichts davon, im großen Stil mit dem Hormonsystem "herumzuspielen". Wir müssen uns bewusst sein, dass das langfristige Auswirkungen haben kann.

Trainieren Profi-Radsportlerinnen anders als ihre männlichen Kollegen?

Natürlich gibt es physiologische Unterschiede zwischen Frauen und Männern, hauptsächlich mit Blick auf die Hormone. Doch alle unsere Rennfahrer sind in erster Linie Athleten, die individuelle Betreuung brauchen. Unterschiede in der Veranlagung, Leistungsfähigkeit und Entwicklungsstufe bedürfen individueller Trainingssteuerung, damit sich jede Fahrerin und jeder Fahrer optimal entwickelt. Dabei spielt es für die Trainingsumfänge keine Rolle, ob ich eine Frau oder einen Mann vor mir habe, das Niveau im Training ist heute dasselbe.
Ob Frauen aufgrund physiologischer Unterschiede anders trainieren, lässt sich nicht pauschal sagen. Der Testosteronlevel etwa hat großen Einfluss auf die Sprintleistung, daher könnte man bei den Fahrerinnen davon ausgehen, dass die Erholung und die anabole Reaktion des Körpers für den Muskelaufbau womöglich etwas länger dauern. Doch jede Fahrerin hat je nach Veranlagung eigene Stärken und Schwächen und daher eigene Entwicklungsziele.

Wird das Training von Rennfahrerinnen an ihren Zyklus angepasst?

Noch nicht, denn eine Abstimmung des Trainingsplans auf verschiedene Zyklusphasen erfordert ein sehr hohes Maß an Individualität und ist komplex, besonders bei mehr als einem Dutzend Fahrerinnen. Dennoch sehen wir hier großes Potenzial und möchten diesen Schritt in Zukunft gerne gehen. Aber wenn wir etwas machen, dann richtig, und das erfordert Zeit und einige Monate an individuellen Messungen und Tests als Vorbereitung. Langfristig wird sich der Aufwand aber mit Sicherheit bezahlt machen.

3rd Itzulia Women 2024 - Stage 3
Velo

Dein Weg zur persönlichen Bestleistung

1

Ernährung

2

Kraft

3

Anpassung an den Zyklus

4

Konkret gefragt: Was tun, wenn ich am Wettkampftag meine Periode habe?

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