Eine Medaille bei den Olympischen Spielen gilt in vielen Disziplinen als Krönung – und auch im Straßenradsport ist olympisches Gold heiß begehrt. Die Männer treffen keine zwei Wochen nach Ende der Tour de France 2024 aufeinander. Tour- und Giro-Sieger Tadej Pogacar verzichtet jedoch aufgrund von Müdigkeit auf seinen Olympia-Start. Die Frauen tragen ihr Straßenrennen nur knapp eine Woche vor dem Grand Départ der Tour de France Femmes avec Zwift aus. Wer hat die besten Karten auf dem Stadtkurs von Paris?
Männerrennen
Am Samstag, den 3. August 2024 startet das Olympische Straßenrennen der Männer um 11 Uhr. Gesucht wird der Nachfolger von Richard Carapaz, der 2021 in Tokio die Goldmedaille für Ecuador gewann.
Die Strecke
Insgesamt 272,1 Kilometer stehen für die Männer auf dem Programm. Zunächst geht es gen Südwesten aus Paris heraus und in größeren Schleifen zurück in die französische Hauptstadt. Das Profil ist den ganzen Tag über wellig, die drei Schlussrunden um den Montmartre haben es in sich – auch, weil der Anstieg mit 1,1 Kilometern bei sechs Prozent und auf Kopfsteinpflaster erfolgt. Glücklicherweise soll es für Samstag trockenes Wetter geben.
Die Favoriten
Mathieu van der Poel geht als amtierender Weltmeister ins Rennen. Der Niederländer blieb bei der Tour de France zwar weitestgehend blass, doch das muss nichts bedeuten: 2023 raste er in Glasgow nach unauffälliger Tour zwei Wochen später überlegen ins Regenbogentrikot des Weltmeisters.

Mathieu van der Poel ist einer der Favoriten beim olympischen Straßenrennen. Nicht umsonst trägt er momentan das Weltmeistertrikot.
Wout van Aert gewann in Tokio 2021 bereits Olympia-Silber im Straßenrennen und träumt nach Bronze im Einzelzeitfahren nun von Gold. Seine Formkurve zeigte zuletzt aufwärts, nachdem der Belgier im Frühjahr nach einem schweren Crash bei Dwars Door Vlaanderen mehrere Wochen pausieren musste.
Remco Evenepoel geht ohne Druck an der Seite von Wout van Aert ins Straßenrennen – schließlich gewann der 24-Jährige am vergangenen Samstag das olympische Einzelzeitfahren. Sollte das Rennen schwer werden, könnte der Belgier mit einem Solovorstoß die anderen Teams früh unter Druck setzen.
Mads Pedersen liebt lange, schwere Rennen bei denen am Ende aus einer Gruppe um den Sieg gesprintet wird – so wurde der Däne 2019 Straßenweltmeister. Seine Vorbereitung wurde jedoch durch sein frühes Sturzaus bei der Tour de France massiv gestört – fraglich, ob er sich davon bereits ausreichend erholt hat.
Marc Hirschi rückte erst kurzfristig ins Schweizer Olympia-Aufgebot, da seine Landsleute Stefan Bissegger und Stefan Küng kurzfristig absagten. Hirschi gewann Ende Juli die Czech Cycling Tour und gilt als starker Allrounder mit einem ordentlichen Sprint.
Biniam Girmay schrieb bei der Tour de France Geschichte, als er sich als erster Eriteer einen Etappensieg und das Grüne Trikot sicherte. Allerdings hat der 24-Jährige keine Teamkollegen an seiner Seite, da sein Land nur einen Startplatz für das Straßenrennen erhält.

Biniam Girmay aus Eritrea, der Gewinner des Grünen Trikots der diesjährigen Tour de France, wird es bei den Olympischen nicht ganz so einfach haben, denn er hat den einzigen Startplatz seines Landes und keine Helfer an seiner Seite.
Nils Politt und Maximilian Schachmann vertreten den Bund Deutscher Radfahrer in Paris, haben aber kaum Medaillenchancen. Dennoch zeigten sich beide zuletzt in guter Form – Politt als bärenstarker Helfer von Tour-Sieger Tadej Pogacar, Schachmann als Neunter im olympischen Zeitfahren. Ein weiteres Top-Ten-Ergebnis von einem der beiden wäre ein zufriedenstellendes Ergebnis.
Die Übertragung
Eurosport und die ARD zeigen das Olympische Straßenrennen am Samstag, den 3. August 2024 in voller Länge jeweils ab 11 Uhr im Livestream bzw. die Entscheidung live im TV.
Frauenrennen
2021 gelang in Tokio die Riesenüberraschung, als die Österreicherin Anna Kiesenhofer als Solistin die hochfavorisierten Niederländerinnen narrte und als letzte verbliebene Ausreißerin die Goldmedaille errang. Mit einer ähnlichen Sensation ist zwar dieses Jahr nicht zu rechnen, dennoch scheint das Frauen-Rennen um Olympiagold sehr offen.
Die Strecke
Insgesamt 157,6 Kilometer sind für die Frauen zu absolvieren. Wie bei den Männern geht es zunächst gen Südwesten aus Paris heraus, allerdings nach nur einer Schleife schon wieder zurück. Es blweiben die drei anspruchsvollen Schlussrunden rund um den Montmartre, wo sich das Rennen zwischen den Sprinterinnen, Allrounderinnen und Bergfahrerinnen entscheiden wird. Auch bei den Frauen geht die Wettervorhersage für Sonntag von angenehmen, trockenen Bedinungen aus.
Die Favoritinnen
Lotte Kopecky trägt das Regenbogentrikot der Straßen-Weltmeisterin und dominierte in dieser Saison die Eintagesrennen. Als Kapitänin des belgischen Teams gilt die 28-Jährige als Top-Favoritin.

Lotte Kopecky ist als amtierende Weltmeisterin eine Top-Favoritin auf die Goldmedaille im Straßenrennen der Frauen.
Demi Vollering ist die derzeit wohl beste Rundfahrerin und feierte auch bei anspruchsvollen Eintages-Events große Siege. Für ihren Geschmack dürfte der Kurs noch mehr Höhenmeter aufweisen – zu den Anwärterinnen auf Gold zählt sie trotzdem.
Lorena Wiebes ist die wohl beste Sprinterin im Frauen-Peloton und hofft auf einen Endspurt aus einer größeren Gruppe. Mit Vollering und Marianne Vos teilt sie sich jedoch die Kapitänsrolle – spannend, wie die Niederländerinnen die Rollenverteilung festlegen.

Lorena Wiebes weiß, wie man nach einem Sieg feiert. Ob die sprintstarke Niederländerin auch in Paris Grund hat, die Champagnerflasche zu köpfen?
Marianne Vos gewann 2012 in London Gold im Straßenrennen und träumt von einer weiteren Medaille. Als bärenstarke Allrounderin verfügt sie über einen guten Sprint, der ihr am Ende das ersehnte Edelmetall sichern könnte.
Elisa Longo Borghini aus Italien gewann dank ihrer Vielseitigkeit bereits große Klassiker wie die Flandern-Rundfahrt, Strade Bianche oder Paris-Roubaix – und holte in Tokio 2021 sowie Rio 2016 die Bronzemedaille im olympischen Straßenrennen.
Juliette Labous trägt die Hoffnungen der Franzosen auf eine Medaille bei den Heim-Spielen. Der Kurs könnte für die kleine Kletterin zwar etwas zu leicht sein, doch die Motivation vor den heimischen Fans dürfte immens sein.
Liane Lippert, Franziska Koch und Antonia Niedermaier gehen für das Deutsche Team an den Start. Lippert wäre in Topform eine Medaille zuzutrauen, doch ein Ermüdungsbruch ließ die Firedrichshafenerin erst Ende April wieder Rennen fahren. Immerhin: Beim Giro d'Italia im Juli gewann sie eine Etappe. Franziska Koch und Antonia Niedermaier dürften wohl mit Helferaufgaben ins Rennen gehen oder als taktische Karte zum Zug kommen.
Die Übertragung
Eurosport und die ARD zeigen das Olympische Straßenrennen am Samstag, den 4. August 2024 in voller Länge jeweils ab 14 Uhr im Livestream bzw. die Entscheidung live im TV.