Pogi-Challenge: Das Duell am Hausberg des Weltmeisters Tadej Pogačar

Mitgefahren: Die Pogi-Challenge in Slowenien
Wie ich Tadej Pogačar fast am Berg geschlagen habe

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 30.10.2025
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Foto: ZAN OSIM

Prolog

"Hey Tom, möchtest du Tadej Pogačar am Berg schlagen?" Kurz plöppt ein dickes Fragezeichen über meinem Kopf auf, als unser Chefredakteur Alex mich leicht grinsend fragt. Ich hebe nur leicht den Kopf. "Ja, klar", antworte ich, speichere das unter dummen Witz ab und tippe weiter auf meiner Tastatur. "Nein, im Ernst", beharrt Alex auf seiner Frage und wird konkret.

Dann erklärt er mir die Details und plötzlich steht Slowenien am nächsten Wochenende auf meiner To Do-Liste. Dort findet nah am Heimatort Komenda des frisch gebackenen Welt- und Europameisters im Straßenrennen die Pogi-Challenge statt. Initiiert vom Champion selbst, kann man sich einen Tag, nachdem der verrückte Spaßfahrer noch die Lombardei-Rundfahrt bestreitet, sich gegen ihn am Krvavec, seinem Hausberg, messen. Der Rad-Superstar macht sich nahbar. Tolle Sache. Insgesamt rund 24 Kilometer umfasst der Parcours, 13 Kilometer davon gehen am Ende steil rauf, mit einer Durchschnittssteigung von rund 7,6 Prozent. Dankenswerterweise lässt Tadej dem auf rund 1200 Teilnehmern begrenzten Startfeld rund zehn Minuten Vorsprung. Wie gnädig.

Von schönster Kirmes-Stimmung und Pogis Papa

Auf dem Weg nach Slowenien grübele ich, wie ich, der eher Spezialist für flaches bis leicht hügeliges Gelände bin, nur ansatzweise dem ewig grinsenden Spaßfahrer des Pelotons das Wasser reichen kann. Ich sehe mir noch ein paar Videos seines Recon-Rides vor der Lombardei-Rundfahrt an und schüttle ehrfürchtig den Kopf. Wenn das nur Einrollen sein soll, na, dann gute Nacht. Nach drei Kilometern hat er mich garantiert ein, spätestens. Auch wenn mein Motto für die Pogi-Challenge "Catch me if you can" ist: Ich sehe ihn schon munter alte slowenische Weisheiten pfeifend locker-flockig an mir vorbeiziehen, während meine Lunge um Gnade winselt und die Beine von unten stöhnend fragen, was eigentlich nach dem roten Bereich kommt.

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Nik Bertoncelj

Am Vorabend hole ich die Unterlagen am Startort ab. Dort herrscht mit Festzelt und Bierwagen eher Dorfkirmes-Stimmung als angespanntes Challenge-Feeling. Fehlt nur der örtliche Schützenverein. Plötzlich spricht mich jemand von der Seite an, den ich nicht kenne, der mir aber ungefragt auf seinem Smartphone die Streckenführung zeigt und an welchen Stellen man unbedingt aufpassen sollte. Eine merkwürdige Situation. Und plötzlich sagt er, "Ah, da steht Pogis Vater Mirko. Komm, ich stelle dich ihm mal vor". Was? Was geschieht hier? Ehe ich mich versehe, schüttele ich dem Vater des Superhelden die Hand, wechsle ein, zwei stotternde Worte mit ihm und bedanke mich "fanboyartig" für diesen großartigen Sprössling, der uns allen im Radsport so viel Freude bereitet. Die Szenerie ist schnell wieder aufgelöst. Der Typ grinst und sagt zu mir: "Das hättest du jetzt nicht gedacht, was?", und lacht mit einem kurzen, zackig-abgehackten "‘a-a-a", um daraufhin wieder seines Weges zu gehen. Ich bleibe perplex zurück.

Pogi-Challenge – Let's go

Raceday. Die Nacht war unruhig. Ob vor Freude oder tiefer Ehrfurcht, sei dahingestellt. Mein Rennrad von Wilier steht bereit, ich habe so weit alles eingestellt, alle Werte während des Rennens kann ich über die Huawei Watch GT 6 Pro im Auge am Handgelenk behalten. Die Startnummer ist am ROADBIKE-Trikot befestigt. Am Start ist es noch frisch an diesem Morgen, der Herbst ist bereits fortgeschritten in dieser Region. Lange wird mir nicht kalt bleiben, da bin ich mir sehr sicher.

Über dem Startort herrscht fröhliche und entspannte Stimmung. Ich stelle mich gerade im Startblock auf, da brandet schon Jubel auf. Tadej erscheint an der Startlinie. Gut zu erkennen durch sein mit den Regenbogenfarben versehenes Weltmeistertrikot. Er freue sich, hier zu sein, und dass so viele Menschen gekommen seien, um mit ihm diese Challenge zu bestreiten.

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ZAN OSIM

Kurz darauf fällt der Startschuss und es geht gemächlich los. Die wenigen Super-VIPs, die viel Geld für die exklusive Startposition bezahlt haben, um neben Tadej fahren zu können, fahren nur wenige Meter voraus. Dahinter kommen kurz darauf schon die anderen Startblöcke. Alles ist dabei, wie bei einem richtigen Radrennen. Ein "Jury-Fahrzeug", Motorradeskorte von Polizei und Medien, Krankenwagen und sogar ein Besenwagen am Ende des Feldes. Den will ich jedoch am Berg auf keinen Fall im Nacken spüren.

Eine fantastische Kulisse bieten die unfassbar vielen Zuschauer am Straßenrand und in den kleinen Dörfern, die den Teilnehmern enthusiastisch zujubeln.

Meine Beine lockern sich bei diesem flachen Dahingleiten. Gels und Getränke sind in Rückentasche und Flaschenhalterung angerichtet, bei mir ist alles für den Anstieg bereit. Und dann lässt sich Tadej vorn fallen, fährt am rechten Straßenrand und feuert die Teilnehmer an. "Go, Go, Go!", ruft er uns fröhlich-grinsend zu, während wir an ihm vorbeifahren. Dies ist genau genommen ein historischer Moment. Wer kann schon – mit einem Augenzwinkern – von sich behaupten, Tadej Pogačar in einem Rennen überholt zu haben?

Und dann geht es plötzlich schnell. Oder langsam. Je nach Sichtweise. Der Startbogen für die eigentliche Challenge am Krvavec ist passiert und schon geht es in die Wand. Ein kleiner Vorgeschmack, was die nächsten dreizehn Kilometer auf mich wartet. Jetzt nicht hektisch werden, sich von anderen wilden Fahrern nicht anstecken lassen und den eigenen Rhythmus finden.

Der Schweiß braucht nicht lange, bis er sich seinen Weg durch alle Poren bahnt. Von Kälte ist schnell nichts mehr zu spüren. Und vom Berg nichts zu sehen. Feuchte Nebelschwaden und dichtere Wolken lassen nicht erahnen, was für ein Koloss dieser Berg ist, an dem sich schon Profis u. a. bei der Slowenien-Rundfahrt bekämpften.

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Gänsehautmomente am Krvavec

Immer wieder Zuschauer an den Kurven, die mit Kuhglocken und selbstgebastelten Bannern die Fahrer anfeuern. Kinder mit Leuchten in den Augen möchten abgeklatscht werden. Ich tue ihnen gerne den Gefallen. Schön, wenn selbst die Kleinsten bei so einer Veranstaltung ihren Spaß haben.

Den Spaß, den ich habe, sieht man mir wahrscheinlich nicht an. Die Steigung ist meist kurz vorm zweistelligen Prozentbereich, mein Gesicht mit heraushängender Zunge gleicht eher einer verzerrten Grimasse.

Unfassbar, als die Menschen am Streckenrand ein enges Spalier bilden, Anfeuerungsrufe von links und rechts schallen und Fahnen geschwenkt werden, als ob hier gerade eine Bergprüfung bei einer Landesrundfahrt stattfindet. Gänsehaut pur.

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Anja Kosmač

Und dann höre ich hinter mir ein Begleitmotorrad kommen und weiß, Pogi hat mich gleich eingeholt. Zehn Prozent herrschen an diesem Teilstück, als er mich auf meiner rechten Seite passiert. Er lässt mich sang- und klanglos stehen und ruft noch: "Gas, Gas, Gas!" Waren das jetzt die besagten Volksweisen, von denen man sagt, sie beinhalten immer ein Stück Wahrheit? Ist das der alles entscheidende Tipp? Gas geben? Die Worte des Meisters noch im Ohr, ist er im nächsten Moment schon um die nächste Kurve verschwunden.

Ich mache große Augen. Wie alle anderen Teilnehmer um mich herum auch. Dabei ist er nicht einmal am Anschlag gefahren. Unglaublich, wie leicht sein Tritt aussieht. Ich bezweifle, ob seine Poren bereits so offen sind, wie meine. Nach nicht ganz vier Kilometern hat er mich bei der Challenge bereits geschlagen.

Keine Zeit zu verschnaufen. Einmal kurz die Beine lockern und durchschnaufen, bevor es in die nächsten Rampen geht. Bis zum Ziel ist es noch weit. Um mich herum immer ein paar Fahrer, es herrscht jedoch Stille. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Alles, was man hört, ist ein kollektives Schnaufen.

Die Lungenflügel stehen unter Höchstbelastung und die Beine arbeiten wie Motorkolben, nur in Slow Motion. Im Blick: immer die Wattwerte, damit ich nicht überpace und irgendwann rückwärts wieder den Berg herunterrolle.

Ich klettere Kilometer für Kilometer und bin überrascht, dass auch hier oben noch zahlreiche Menschen am Streckenrand stehen.

Es ist erst Schluss, wenn es zu Ende ist

Ein Blick auf das Höhendiagramm zeigt, dass es gleich etwas flacher wird. Mit dem freudigen Gedanken im Kopf "Geil, gleich hab‘ ich‘s geschafft" unterschätze ich jedoch diesen letzten, fiesen und bissigen Schlussanstieg. Der kleine schmale Strich auf dem Höhendiagramm kann ja nur die Innenbahn der Kurve sein. Denke ich.

Pustekuchen. Das Teufelchen auf der einen Schulter lacht sich ins Fäustchen, das Engelchen auf der anderen Seite fällt in Ohnmacht. Gefühlt geht das Asphaltband vor mir senkrecht in kleinen Kurven die letzten 1000 Meter hinauf.

Meine Beine würden am liebsten einfach ihren Dienst einstellen, während ich mich mit Tunnelblick Meter für Meter vorwärtskämpfe. Kreischende, fröhliche Menschen links und rechts am Straßenrand, die teils in Nebelwolken stehen und geisterhafte Schemen werfen, bilden die spektakuläre Kulisse fürs Finale. 1000 Meter können verdammt lang sein. Und dann geht es plötzlich doch ganz schnell. Ich sehe den Zielbogen 70–80 Meter vor mir, gehe in den Wiegetritt und lege noch einmal alles rein, als ob es noch um den Pokal geht. Dabei geht es für mich nur noch um die Wurst.

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ZAN OSIM

Die gönne ich mir verdienterweise nach Zieleinfahrt mit Medaille um den Hals auf dem nebelverhangenen Eventgelände, wo Pogi auf der Bühne die drei besten Frauen und Männer der Pogi Challenge ehrt. Und zum Abschluss seiner Saison in einem Live-Podcast noch ein paar Ein- und Ausblicke gibt. Ich bin mit meiner Leistung nach Blick auf die Uhr zufrieden und habe eine Platzierung im guten Mittelfeld erreicht. Und das als Flachlandtiroler, nicht als Bergziege.

Den Teilnehmern winken ringsherum auf dem Expo-Gelände oben auf dem Krvavec Verpflegung aller Art. Sponsoren zeigen ihre Produkte und bei einer Tombola für die Charity-Organisation des Rad-Stars kommt gutes Geld für den wohltätigen Zweck zusammen. 94.000 Euro sind es an diesem Tag für die Tadej Pogačar-Foundation, das Menschen und Kindern zugutekommt, die von Katastrophen und Krankheit betroffen sind. In einer fröhlichen Kulisse geht ein hervorragend organisiertes Event mit einem Rockkonzert der slowenischen Band Siddharta zu Ende. Da reißt der Himmel auf und die Sonne spendet noch einmal wärmende Strahlen. Ein besseres Ende kann man sich fast nicht wünschen.

Zum Ergebnis

Pogi musste sich beim Resultat nur dem Briten Andrew Feather "geschlagen" geben, der den Berg in einer Zeit von 44:38 bezwang. Der Name ist nicht unbekannt in der Szene. Der 40-Jährige gilt derzeit als bester Hill Climber in Großbritannien. Schaut man auf die Netto-Zeit, war Pogi dann aber doch mit etwas über vier Minuten schneller. Bei den Frauen siegte Pia Bedene Kralj aus Slowenien mit einer Zeit von 1:02:44.