MTB-Reise: Die besten Trails in Slowenien
Trailguide: Slowenien

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Im wilden Osten der Alpen, in den slowenischen Karawanken, versteckt sich ein wahres Bike-Kleinod – inklusive Trailpark, Europas längstem Flowtrail und Strecken im Bergwerk.

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Foto: Adrian Greiter
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Auf der Sonnenseite: Anej Štrucl zeigt unserem Autor Robert Werner die Schönheiten seiner slowenischen Heimat.

Skandal! Bei Dixi muss man zum Pinkeln neuerdings anmelden. Aber keine Angst, hier geht es nur am Rande um Toilettengänge, sondern vielmehr um ein einmaliges Abenteuer: Enduro- biken unter Tage in ehemaligen Bergwerksstollen im slowenischen Teil Kärntens. Und wer mit Dixi – so der Spitzname von Dusan Štrucl – ins Stollenlabyrinth einfährt, muss sich zum Pinkeln eben anmelden. Sicherheitshalber. Damit er nicht plötzlich alleine im Dunkeln tappt. „Hier unten gibt es so viele Abzweigungen, dass man sich schnell ins Absturzgelände verirren kann“, mahnt Dixi. Handyempfang? „Erst wieder an der Oberfläche.“ Deswegen vereinbaren Dixi und sein Sohn Anej einen maximalen Bergwerkaufenthalt von vier Stunden.

Sollten wir uns danach nicht melden, greift das Notfall-Management, und der Guide an der Oberfläche alarmiert die Rettung. Mir wird mächtig mulmig, als wir die ersten Meter zwischen den Gleisen in die Stollen hinein pedalieren. Nur der Lichtkegel der Helmlampe und das schwach erkennbare Hinterrad von Guide Anej weisen unter Tage den Weg. Die ersten Kurven flößen mir sofort Respekt ein. Selbst Anejs Bike vor mir gerät ins Rutschen. Ich probiere sachte aus, wie viel Grip der Fels hat. Zweimal streife ich mit dem Helm an der niedrigen Felsdecke. Eines ist klar: Der enge, steile und schmierige Trail verlangt vollste Konzentration – und eine sehr gute Fahrtechnik. Deshalb beinhaltet die geführte Tour immer zwei Runs. Beim ersten Mal werden die schwierigen Stellen gemeinsam begutachtet und Anej gibt wertvolle Tipps. Bei der zweiten Fahrt wollen wir möglichst geschmeidig und ohne viele Stopps durchfahren.

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Bad Tölzer Urgestein im slowenischen Outback: Autor Robert Werner chillt auf der Terrasse des Ecohotels Koroš.

Die Schlüsselstelle des Trails ist auch der Namensgeber: Black Hole. Eine steile Felsstufe führt fast senkrecht in ein schwarzes Loch. Hier muss man die Ideallinie treffen, sonst klebt man an der Felswand. Platzangst ist hier eh fehl am Platz. Dazu kommt die gruselige Akustik in der engen Tiefe. Man hört jedes Klappern der Kette wie im Verstärker, der Freilauf tönt wie ein Motor. Selbst normale Fahrgeräusche hören sich „spooky“ an, einfach anders als an der frischen Luft.

Der von Anej gebaute Unter-Tage-Endurotrail mündet nach 150 Tiefenmetern in eine flachere, ebenfalls durchs Untergeschoss führende Cross- Country-Strecke. Nach weiteren fünf stockdunklen Kilometern hat uns die Sonne wieder. Einmalig, diese Finstertrails! Einmalig aber auch, was Dixi und Anej an der Oberfläche geschaffen haben. Nämlich ihr eigenes Bikeparadies.

Biken auf der Sonnenseite der Alpen

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Waldmeister unter sich: Auf den kilometerlangen Wurzeltrails rund um Jamnica entspannen die Bremsfinger.

Die Karawanken sind die östliche Fortsetzung des Karnischen Hauptkamms an der Grenze zum österreichischen Bundesland Kärnten. Hier auf der sonnenverwöhnten Südseite des Alpenhauptkamms und auf slowenischem Boden liegt die 100-Seelen-Streusiedlung Jamnica – und das Bike-Ecohotel Koroš der Familie Štrucl.

Dusan „Dixi“ Štrucl gehört zu den MTB-Pionieren in Slowenien. Bereits 1995 hat er das erste Mountainbike-Hotel Sloweniens in der Stadt Crna eröffnet. Aber Dixi träumte von mehr. 2008 kaufte er mit seiner Familie den Bio-Bauernhof namens Koroš oberhalb von Jamnica, baute ihn in ein einzigartiges Öko-Hotel um und spezialisierte sich zu hundert Prozent auf Mountainbiker. Mit dem riesigen Hof, der auf 700 Metern Höhe inmitten der Rundrücken der Karawankengipfel liegt, erwarb Dixi auch jede Menge Weideland und Wälder. So konnte er ein fantastisches Mountainbike-Kleinod schaffen: den „Single Trail Park Jamnica“ auf eigenem Grund und Boden. Derzeit zwölf Trails führen auf einer Länge von 24 Kilometern rund um die Farm – mal durch endlose Blaubeerfelder, mal durch reinste Märchenwälder. Alle Trails sind komplett von Dixi und Anej per Hand geshaped.

Man merkt es auf den ersten Fahrmetern: Vater und Sohn legen ihre Trails mit viel Hingabe und Gefühl fürs Gelände an, treiben keinen Raubbau an der Natur. Sie setzen beim Bau auf Nachhaltigkeit, pflegen die Strecken vorbildlich. Und: Alle Trails sind vernetzt, können miteinander kombiniert werden. Die hauseigene Trailmap, die jeder Gast zur Begrüßung bekommt, kategorisiert die Trails in Schwierigkeitsstufen Blau, Rot und Schwarz. Einen Shuttleservice gibt es jedoch nicht, das widerstrebt der Štruclschen Philosophie. Bergauf geht es überwiegend auf Forststraßen sowie auf einem neu angelegten Uphilltrail. Aber egal ob rauf oder runter: Rund ums Bikehotel Koroš findet jeder – vom Einsteiger bis zum Enduro-Pro – sein persönliches Flow-Glück.

Der Tausendsassa aus Slowenisch-Kärnten

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Familienbande: Bei den Štrucls lernen die beiden Kids auf natürliche Weise – die Kleinen müssen aufs Runde!

Dixis Sohn Anej ist Guide und Mitglied im slowe- nischen Mountainbike-Lehrteam. Mit seinem Team bietet er Fahrtechnikkurse sowie Trailbauworkshops an. Aber auch geführte Touren in die unbekannte Berggrenzwelt der Karawanken kann man bei Anejs Bikeschule „Bikenomad“ buchen. Die Stimmung bei Familie Štrucl ist magisch. Ab der ersten Sekunde strahlt der 35-jährige Vater von zwei Kindern unheimlich positive Energie aus – den Kopf randvoll mit neuen Trailprojekten. Schon die Anreise auf der Forststraße beamt einen in eine andere Welt. Der Wegweiser mit dem Jamnica-Logo, von einer Höhlenmalerei inspiriert, erweckt sofort das Gefühl, dass hier etwas anders läuft als in bekannten Bikespots. Und so ist es auch. Keine Hotelbunker. Keine Erlebnisgastronomie. Keine Lifte. Kein Stress. Dafür Natur pur. Nach dem obligatorischen Willkommensschnapserl sinke ich erst mal auf der Terrasse in einen Stuhl und genieße die Aussicht über saftig grüne Wiesen ins Tal. Der ursprüngliche Bauernhof hat nichts von seinem Charme verloren. Nur stehen statt Kühe heute Mountainbikes in den Stallungen.

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Kärntner Walzer: Auf den mit Herzblut geshapeten Trails – wie hier am Petzen – kommt man leicht ins Schunkeln.

Was ich so noch nie erlebt habe: Diese ausgesprochen sympathische Mischung aus einfachem Lebensstil und Mountainbike-Lifestyle. Auf dem Gutshof Koroš wird man als Gast ein Familienmitglied auf Zeit. Gegessen wird immer gemeinsam, dann werden in Wohnzimmeratmosphäre die Speisen serviert. Danach folgt in geselliger Runde die Tourenbesprechung für den Folgetag. Zum Frühstück und Abendessen tischen die Štrucls selbst produzierte Produkte auf: Marmelade, geräucherte Wurst, Fleisch vom Nachbarn, Gemüse aus dem Garten, frisches Brot aus dem XXL-Backofen, Eier von eigenen Hühnern. Dem Selbstversorgergedanken misst Dixi viel Bedeutung bei. Am liebsten würde er komplett autark leben, aber dafür reicht die Zeit nicht. Schließlich verbringt er diese eh meist im Sattel.
Denn das Grenzgebiet zu Österreich bietet noch viel mehr als Trailpark und Stollen-Biken! Jäger, Bauern und Bergleute haben ein riesiges Wegenetz in einzigartiger Kulisse hinterlassen. Aber Obacht, ohne Guide steht man schnell buchstäblich im Wald. Auf den geguideten Touren gibt es zudem keine bewirtschafteten Almhütten wie im Nachbarland Österreich. So kehren wir hungrigen Biker mittags meist in Bauernhöfen ein – und freuen uns über die ungeheuchelte Gastfreundschaft der Slowenen.

Hinüber zum längsten Flowtrail Europas

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In Slowenien gibt es natürlich nicht nur schaurig-schöne Unterwelttrails, sondern auch jede Menge Sonnentouren!

Fast in Sichtweite von Jamnica, aber schon auf österreichischem Boden, wartet eine elf Kilometer lange Legende: der Flow Country Trail am Petzen. Gäste von Dixi und Anej entdecken Europas längsten Flowtrail im Rahmen einer ausgedehnten Rundtour oder lassen sich ganz easy mit dem hauseigenen Shuttle der Bikenomaden zur Talstation der Petzenbahn chauffieren. Die Kabinenbahn bringt einen in wenigen Minuten zum Einstieg, noch in der ersten Sekunde beginnt dann der Fahrspaß. Diese „Murmelbahn“ mäandert mit 10-Prozent-Gefälle elegant über den Südkärntner Hausberg zu Tal – viele Tables und Steilkurven sorgen für Würze. Wer nicht mit fettem Grinsen unten ankommt, hat den Flowgedanken nicht verstanden!

Seit Sommer 2016 gibt es noch einen weiteren Trail am Petzen. Wie der Name Thriller verrät, eher was für hartgesottene Typen. Auf sieben Kilometer Länge können sich Freerider auf steilen Wurzelpassagen und mit Sprüngen austoben. Gebaut wurde er – Überraschung– von Anej Štrucl.

Alles scheint bei den Štrucls mit einer gewissen Leichtigkeit und Unbeschwertheit zu funktionieren. „95 Prozent unserer Gäste sind Mountainbiker“, erzählt Dixi stolz. Biker aus 48 Nationen haben bisher in dem urigen Bikehotel gastiert. Kein Wunder, bei der Gastfreundschaft. Nur an eines werde ich mich wohl nie gewöhnen: dass man sich bei Dixi zum Pinkeln anmelden muss.

Alle GPX-Tracks hier zum Download

Alle GPX-Tracks zum Nachfahren hier runterladen
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Geheimtipps:

1. Nix für Klaustrophobiker: Der Black-Hole-Trail – Endurobiken unter Tage – ist ein besonderes Abenteuer und nur organisiert machbar. Die Untertagetour dauert vier Stunden und kostet 50 Euro pro Person (mindestens vier Teilnehmer). Im Preis sind Guiding, Helmlampe und Shuttle inbegriffen. www.bikenomad.com

2. Dunkel & nass: In Mežica kann man nicht nur unter Tage biken, sondern auch eine Kajaktour durch geflutete Stollen unternehmen.Infos unter: www.podzemljepece.com/de/main/ogled-rudnika-s-kajakom

3. Steil & griffig: Im Topla-Naturpark am Mt. Peca (deutsch: Petzen) findet man das Klettergebiet Burjakove Peči, eines der größten und besten in ganz Slowenien. Und noch dazu der reinste Südseiten-Sonnenbalkon – für perfekte Kletterbräune!

4. Die besten Badeseen: der Pirkdorfer See (www.pirkdorfersee.at/ de/) und der Klopeiner See (www.klopeinersee.at). In Bleiburg lockt der Outdoor-Swimming-Pool Ravne na Koroškem.

Infocenter:

Lage: Jamnica ist eine winzige Streusiedlung mit weniger als 100 Einwohnern in der Nähe der Stadt Prevalje im Norden Sloweniens in unmittelbarer Nachbarschaft zum österreichischen Bundesland Kärnten. Der slowenische Teil der Kärntner Berge ist touristisch längst nicht so erschlossen wie der österreichische – und somit auch noch viel wilder und ursprünglicher. Reise-Infos: www.slovenia.info und www.slovenia-outdoor.com

Beste Reisezeit: April bis Oktober

Anreise: Aus Richtung München über die Autobahn A 8 zum Grenzübergang bei Bad Reichenhall und über die österreichischen Autobahnen A 10 und A 2 (Maut!) via Villach und Klagenfurt nach Griffen. Via B 80 nach Bleiburg, über die Grenze und nach Prevalje und Jamnica (420 km/4:45 h ab München).

Übernachtung: Dixi und Anej Štrucls Ecohotel Koroš ist das Epizentrum des Bikesports in Slowenien! Das 3-Sterne-Haus hat 24 Betten, sieben Stellplätze für Wohnmobile (Duschen und Toiletten auf dem Hotelgrundstück) und liegt mitten im Jamnica Single Trail Park. Tel. 00 38/6 28 70 30 60; www.bikenomad. com oder www.mtbpark.com. Das Ecohotel Koroš * ist Mitglied bei den Bikehotels von Bike Holidays (www.bike-holidays.com). Und noch ein Bikehotel in Slowenien: Hotel & Glamping Ribno Bled * (www.hotel-ribno.si). Bikehotels alpenweit: www.bike-holidays.com

Guiding: Anej Štrucl und seine Guides führen ihre Gäste direkt vom Hotel aus. Auch Shuttletouren werden angeboten.

Mietbikes: Im Hotel können Sie Bikes von Specialized mieten.

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MOUNTAINBIKE 04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023