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Michel beginnt gemäßigt seine Laudatio gegen unser sehr frühmorgendliches Vorhaben: „Ich weiß nicht, ob das wirklich was wird. Wir hätten auch eine Stunde später hochfahren können, um immer noch einen Sonnenaufgang zu sehen.“ „Warum willst du unbedingt so früh hoch und im Dunkeln blöd rumhocken?“, wird er langsam deutlicher. „Außerdem seh’ ich keine Sterne, am Ende ist noch alles voller Wolken und es wird nix mit deinem Sonnenaufgang über dem Dahner Felsenland“.

Ich überlege, ob ich Michels Ansprache überhaupt entgegne, mir fällt dann auch nur ein abwertendes „warte doch mal ab“ ein, bevor ich meine Lampe in Fahrtrichtung drehe und lostrete. Wir sind auf dem Weg zur Wegelnburg, der höchst gelegenen Burg der Pfalz. Nicht nur die spektakulären Felsbauten dieser Burg, sondern auch der weite Blick in den Pfälzerwald und die Nordvogesen ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Unser Plan ist, dass wir zu Beginn unserer heutigen Tour nicht nur die Sonne begrüßen – sondern auch noch die „Blaue Stunde“, dieses ganz besondere Licht bevor die Sonne über dem Horizont kriecht, als morgendliches Warm-up mitnehmen.

Die Auffahrt zur Burg ist beschwerlich und steil, wir haben einiges vor uns und kommen nur langsam in Tritt. Michel hat sich inzwischen seinem Schicksal ergeben und pedaliert stoisch leicht versetzt hinter mir. Oben angekommen ist es immer noch stockdunkel, die Ruine der ehemals stattlichen mittelalterlichen Burg ist in ihren Grundrissen Dank unserem Licht gut zu erkennen. Wie war das wohl früher, das Leben auf der Burg, alles nur im Kerzenschein? Auch Kriege gehörten damals, an der heutigen französischen Grenze, zur Tagesordnung. Den Weg, den wir gerade hochgefahren sind, haben Mensch und Pferd für uns hergerichtet. Mehr als 800 Jahre ist das schon her.

Sandstein prägt die Region
Wir steigen mit unseren Rädern vom Burghof die Treppen hinauf. Ein lauter Knall lässt mich auf- schrecken. Zum Glück haben wir unsere Helme aufbehalten: Michel ist mit dem Kopf an die Decke geknallt. Der Ritter an sich war früher wohl nicht sehr groß ... Noch einige Stufen bergauf und schon stehen wir im großen Burgschiff. Es riecht etwas modrig, nach feuchtem Sand. Der Bundsandstein, für den die Region bekannt ist, ist sehr weich und nicht sehr abriebfest. Man sieht es am am Boden, der komplett mit Sand überzogen ist.

Die Finsternis weicht langsam dem Morgengrauen. Nein, wolkenlos ist der Himmel nicht, aber ein wohlig warmes Licht legt sich bedächtig über die vielen, teils vernebelten Berge des Pfälzerwaldes. Wie in einer Sagenwelt tauchen nach und nach weitere Burgen in der Ferne auf: die Burg Altdahn, an der wir heute noch vorbeikommen werden, aber auch die Burgenkette, die bereits in Frankreich liegt, ist mit der Hohenbourg und der Burg Löwenstein zu sehen. Mehr als 30 Burgen beherbergt das Dahner Felsenland, viele in sehr gutem Zustand und jede für sich außergewöhnlich – nicht nur wegen der vielen Trails, die meist direkt an den Burgen beginnen. Als nach kurzer Zeit die Sonne hinter dem Berg hervor kommt, grinst mich auch Michel an und sagt: „Okay, das hat sich dann doch gelohnt.“ Wir genießen die ersten Sonnenstrahlen ganz vorne auf der Mauer und werfen intensive Blicke in die Ferne. Felsenland – der Name ist Programm. Mehr als 1000 freistehende Felsen sind hier zu finden. Ohne Wald würde es hier wie in Utah aussehen. Unzählige Rot- und Orangetöne zeigt der Sandstein, der seine intensivste Färbung am frühen Morgen und am Abend, jeweils bei tief stehender Sonne, freigibt.

Michel und ich machen uns bereit zu unserer Abfahrt: erst das geniale Panorama und jetzt ein endlos flowiger, sandiger, zum Teil auch felsiger Trail, mit einigen Spitzkehren garniert – so kann ein Morgen beginnen! Direkt an steil aufragenden Felsen zieht unser Schmalspurweg vorbei. Früher, also ganz früher vor rund 250 Millionen Jahren, war hier eine trockene Flusslandschaft, ganz ohne Wald. Die Pfalz befand sich damals in Äquatornähe. Flüsse und Wind transportierten Sand aus den Hochgebieten hierher. So wurden nach und nach über 500 Meter hohe Schichten abgelagert und zu Sandstein, der heute bei Kletterern exrem beliebt ist. Namhafte Felsen wie der Römerfelsen, die Fladensteine, der Schillerfelsen, der Hochstein und der Jungfernsprung, das Dahner Wahrzeichen, werden wir heute bei unserer Tour sehen. Der Sage nach soll im Wald vor der Jungfernsprung ein Ritter einer Jungfrau an die Wäsche gewollt haben, sie sprang vor Furcht vom Fels und überlebte. Dort, wo ihr Fuß auftraf, entspringt seitdem eine Quelle. So gibt es viele Sagen und Mythen über diesen Teil des Pfälzerwaldes und der Nordvogesen, auch der Wasgau genannt.


Wir sind mittlerweile am Ende unseres Trails angekommen und biken weiter zu den Fladensteinen, auch die „Sieben Brüder“ genannt. Sieben mächtige Felstürme, gigantisch groß und mitten im Wald stehend, flankieren unseren Trail. Hoch und runter geht es nun, fast immer flowig, aber auch mal steil und durchsetzt mit Felsstufen und Wurzeln. Der kleine Trailpark hier ist komplett ausgeschildert und beinhaltet mehr als vier Kilometer zusammenhängende Trails, ein wildes Auf und Ab, das uns stets spaßfördernd durch den dichten Mischwald führt. Weiter geht es Richtung Dahn, wir queren einige idylische Ortschaften, immer wieder erfreuen schmale Pfade unser Biker-Herz. Die Trails hier sind allesamt nicht gebaut. Viele davon wurden übrigens auch nicht speziell für Wanderer angelegt. Sondern sie enstanden, weil früher Schuhfabrikarbeiter in den Nachbarort zum Arbeiten gehen mussten: sogenannte Arbeiterpfade. Schon wieder bewegen wir uns also auf durchaus historischen Wegen.
Saumagen und saugute Trails
Unsere Tour führt uns weiter zur wunderschönen Pfälzerwald Hütte in Dahn. Nein, jetzt kommt nicht der Teil mit dem Saumagen und Helmut Kohl. Wobei, man muss ihn probiert haben, den Saumagen, und gerade auf der Dahner Hütte ist er zweifellos ein Genuss. Die Hüttenkultur im Pfälzerwald ist einzigartig: Überall sind diese, nur ehrenamtlich bewirtschafteten Hütten zu finden.
Auf der Hütte treffen wir Michèle und Anne. Obwohl waschechte Saarländerin ist Michèle öfter im Dahner Felsenland als in ihrer Heimat: „Hier ist es unglaublich, die Felsen-Trails sind einzigartig, und es gibt so viele hier“, fängt das ehemalige Trek- Gravity-Girl gleich an zu schwärmen. Anne grinst uns erst einmal nur an. Mit ihren zarten zehn Jahren hat sie bereits das Mountainbiken für sich entdeckt, dabei ihre Präferenzen schon klar gesetzt: „Wann gibt’s den ersten Trail?“ Die junge Dame setzt uns gleich unter Druck und hockt bereits auf ihrem Fully. Familientauglich ist das Gebiet hier ohne Zweifel, gerade wenn man bedenkt, dass es nie allzu lange bergauf geht. Und bergab belohnen dann die erwähnten, meist flüssig zu fahrende Trails – ein Spaß für die ganze Familie.
Uns zieht es nun hoch zum höchsten Berg von Dahn, dem Großen Eyberg. Mehr als fünf Kilometer Trails ziehen sich um diesen Berg. Der benachbarte Kleine Eyberg hat eine Spezialität zu bieten: lange Trails mit einer Unzahl Serpentinen. Überhaupt gibt es rund um die Hauptstadt des Dahner Felsenlandes eine Menge von diesen Spitzkehrenwege: mal schwer, mal einfach, mal sandig, mal felsig und immer ganz nach unserem Gusto.
Fantastische Blicke auf Dahn
Weiter geht es zur Burgengruppe Altdahn: die grösste Burgengruppe der Pfalz mit faszinierenden Bauten aus dem 11. Jahrhundert. Auf dieser Dreierburg hat sich sicher im Mittelalter einiges abgespielt. Geheimnisvolle Felsengänge führen hinab in unterirdische Felsenkammern. Anne hat mittlerweile die kulturelle Führung übernommen: „Früher waren in den Felshöhlen im unteren Teil Pferdeställe und beim Treppenaufgang die Verliese, voll gruselig, oder?“ Grinsend rennt die Kleine die ausgewaschene Steintreppe nach oben und wartet bereits, als wir keuchend die letzten Stufen bezwingen. „Hier hat man den schönsten Blick auf Dahn“, führt sie weiter aus und zeigt auf das geniale 360°-Panorama, das wir nur kurz genießen.
Die darauffolgende Trail-Abfahrt beginnt ruppig mit hohen Felsabsätzen und Wurzeln. Beste Fahrtechnik ist nun gefordert, bevor der schmale Weg sich besinnt und nun gutmütig mit langgezogenen Kurven direkt unterhalb der Felsenburg dahinzieht. Nach dieser grandiosen Abfahrt strampeln wir noch einmal hoch, diesmal zum skuril aufragenden Römerfelsen. Der Aufgang direkt am Fels auf einer sehr steilen Eisentreppe ist ein Erlebnis, das noch getopt wird von der finalen Aussicht auf die genau gegenüberliegende Burgengruppe Altdahn. Auch Anne hat sich wieder mit uns hochbegeben und zeigt uns bestens bewandert ihre Heimat. „Bis vor einigen Jahren durfte man das Gebiet hier rechts vom Römerfelsen nicht betreten, da waren die Amerikaner“, lässt sie uns mit Fragezeichen über dem Kopf zurück und verschwindet über Treppe wieder nach unten. Tatsächlich verbargen sich im Dahner Felsenland bis zum Ende des Kalten Krieges mehrere US-Lager. Im nahegelegenen Fischbah, in der sogenannten AREA 1, kann man heute das ehemalige Sonderwaffenlager der NATO auf einem Rundweg besichtigen. Zu erkunden sind das ehemalige Wachgebäude, die wohl modernste Burg der Pfalz, und ein Bunker, in dem einst sogar Atomwaffen lagerten.

Wir genießen lieber noch einige Momente die Stille und den gigantischen Ausblick über den Pfälzerwald, übrigens eines der größten zusammen- hängenden Waldgebiete Europas. Wieder bei unseren Rädern angekommen, wählen wir zunächst einen idyllischen, mit Kiefernnadeln belegten Weg, um dann einen spektakulären Spitzkehren-Trail als finale Abfahrt zu nehmen. Der griffige Nadelboden lässt uns auch die engen Kehren locker umfahren, nur die steile, abschüssigen Kanten direkt in den Kurven lassen unseren Puls höher schlagen. Auch Anne nimmt die Kehren beherzt und kommt aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: „Der Trail war so cool, den könnte ich gleich nochmal fahren!“ Lachend klatschen wir uns gegenseitig ab. Felsen, Burgen und unzählige schmale Wege – das Dahner Felsenland dürfte nicht mehr lange ein Geheimtipp für Mountainbiker bleiben!

Allgemeine Infos
Lage & Charakter: Das Dahner Felsenland erstreckt sich im gut erreichbaren Südwes- ten des Pfälzerwaldes zwischen Kaiserslau- tern und Pirmasens. Spektakuläre Felsfor- mationen und eine Vielzahl von Burgen zeichnen diese Mittelgebirgsregion aus.
Anreise: Per Auto aus Richtung Süden: via A8 von München über Stuttgart – Karlsru- he – Landau – weiter über die B10 Rich- tung Pirmasens, Abfahrt Dahn. Von Nor- den: über A61 nach Kaiserslautern – B10 nach Pirmasens, Abfahrt Dahn. Von Wes- ten: über A6 nach Saarbrücken – A62 nach Zweibrücken – B10 nach Pirmasens, Abfahrt Dahn. Von Osten: A6 Heilbronn – B9 nach Speyer – A65 nach Landau – B 10 Richtung Pirmasens, Abfahrt Dahn
Beste Reisezeit: Durch das milde Klima und die Regenarmut ist die Region das ganze Jahr zu empfehlen. Die „Übrgangsmonate“ Mai und Oktober sind besonders toll. Die Trails trocknen superschnell!
Allgemeine Urlaubs-Info: Tourist-Info Dahner Felsenland, dahner-felsenland.net; Mountainbikepark Pfälzerwald, mountainbikepark-pfaelzerwald.de
Übernachtung: Biker-freundliche Hotels und Pensionen gibt es in vielen Orten. Tipps: Hotel Kleine Blume in Erfweiler (hotel-kleineblume.de); Camping Büttelwoog in Dahn (camping-buettelwoog.de); Ferienhaus Trailrock Lodge in Dahn (trailrock-lodge.de)
Deftige Pfälzer Dreifaltigkeit: Saumagen, Leberknödel und Sauerkraut.
Einkehr: Die sogenannten Pfälzerwaldhütten locken in nahezu jedem Gebiet. Auch gut: Altes Bahnhöfl in Dahn-Reichenbach (altes-bahnhoefl.de)
Bikeshop: Felsenland Bikeshop in Bundenthal (fba-cycling.de)
Guiding: Trailrock von Patrick Wiedemann bietet bestens organisierte Touren, Fahrtechnikkurse und exzellente Trailcamps (trailrock.de).
Events: Der älteste Bike-Marathon Deutschlands, der Wasgau Bike-Marathon, steigt jedes Jahr Anfang Oktober.

Geheimtipps
Essen wir die Ritter: Auf der einst uneinnehmbaren Felsenburg Berwartstein hauste Hans Trapp, der berühmte Heerführer der Kurpfälzischen Streitkräfte. Seine Raubzüge und Untaten sind ebenso legendär wie seine Burg, die bis auf den heutigen Tag erhalten ist. Heute können sich Besucher in diese längst vergangene Zeit entführen lassen. Im Rittersaal erwarten einen eine kurzweilige Veranstaltung, bei der Gaukler mit Wort und mittelalterlichen Instrumenten durchs Mahl begleiten. burgberwartstein.de/restaurant
Über den Bäumen: Der Baumwipfelpfad in Fischbach ist 270 Meter lang und führt in einer Höhe von 12 bis 18 Metern als Holzsteg durch die Baumkronen. Er ist ein Lehr- und Spielpfad in den Baumkronen, auf den niemand geführt oder angeseilt werden muss. biosphaerenhaus.de/baumwipfelpfad/
Abschalten und relaxen: Die Saunawelt in Dahn bietet auf über 8000 Quadratmeter ein, in ein Birkenwäldchen eingebettetes, finnisches Saunadorf und eine großzügige, klassische Saunalandschaft. felsland-badeparadies.de
