Vor einer Ewigkeit war ich schon mal hier, als Zuschauerin beim Red Bull District Ride, der die letzte Station der Freeride World Tour bildete. Damals war Nürnberg im Ausnahmezustand, rund 80 000 Menschen bevölkerten die historische Altstadt, deren Stadtkern samt Befestigungsanlagen bis zum Zweiten Weltkrieg fast unverändert erhalten geblieben war. Beim Wiederaufbau wurde die Struktur der Altstadt bewahrt und die historische Bausubstanz in einen neueren Kontext eingebunden. Somit zeugt sie nun nicht nur vom Mittelalter und der frühen Neuzeit, sondern ebenso vom Wiederaufbau und der Moderne. Vor dieser beeindruckenden Kulisse wirkten der Hindernisparcours, der in fünf Etappen (Districts) von der Kaiserburg bis zum Hauptmarkt reichte, und die Tricks der weltbesten Slopestyler fast noch spektakulärer.
Heute sitze ich selbst im Sattel! Aber nicht um waghalsige Tricks zu üben, sondern um das vielfältige Trailparadies in den umliegenden Wäldern zu entdecken. Nürnberg wird im Osten vom Reichswald umschlossen, den die Pegnitz in eine nördliche Sebalder und eine südliche Lorenzer Hälfte teilt. Der Reichswald ist mit 25 000 Hektar Europas größter Kulturforst und dient als weitläufiges Naherholungsgebiet. An den Lorenzer Reichswald grenzt der Schmausenbuck als beliebtes Ausflugsziel, der mit 390 m einen der höchsten Punkte im Stadtgebiet darstellt. Früher als Sandsteinbruch genutzt, beherbergt er seit 1939 den damals neu an gelegten Nürnberger Tiergarten.
"Vor allem das friedliche Miteinander aller Waldnutzer rund um Nürnberg hat mich tief beeindruckt." Adrian Greiter, Fotograf

Trail-Spaß nahe der Großstadt
Und so tauche ich mit Anja, meinem Guide für die nächsten zwei Tage, ab ins angenehm schattige Grün nahe dem Tiergarten. Hier finden sich unzählige Trails, Jumplines und Drops in allen Könner stufen in einem weit verzweigten Wegenetzwerk.
Abseits der Hauptwege, auf denen sich Spaziergänger, Nordic Walker, Jogger und Radfahrer aller Arten tummeln, haben wir das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein. Wir biegen ab auf einen schönen Natur-Trail, der alsbald steil abfallend und mit größeren Wurzelstufen volle Konzentration fordert, um dann wieder im sanften Auf und Ab zwischen Brombeerbüschen zum nächsten Highlight zu führen. Kurz darauf sausen wir über eine sandig-steinige Strecke, mit einigen gebauten Anliegerkurven und kleineren Sprüngen.

Biken und Achtsamkeit
Meine Begleitung, die frühere Leistungssportlerin und dreifache Mutter Anja Miksch bietet geführte MTB-Touren, Fahrtechnikkurse und Mental-Coachings an. Dabei legt Anja Wert darauf, Achtsamkeit und Biken zu verbinden: "Ich achte nicht nur darauf, was ich tue, sondern wie und warum ich etwas tue. In dieser Bewusstheit liegt meine Intention, Motivation und Energie. Mein Denken, Fühlen und Handeln befinden sich im Einklang und ich mich in der Balance." Auch ihren Bike-Schülerinnen und -Schülern gibt sie das mit auf den Trail: "Ich arbeite erfolgreich mit der Wahrnehmung, dem gefühlsmäßigen Empfinden. Achtsamkeit lenkt meinen Fokus, ich nehme wahr und werde fähig, mit erlerntem Wissen sinnhaft zu agieren." Wir nehmen mal diesen, mal jenen Weg. Einmal landen wir bei einem – für unsere Begriffe – riesigen Holzdrop, der uns dann aber doch eine Nummer zu groß ist. Macht nichts, schon bald sind wir auf dem nächsten Trail und setzen unseren Fokus auf die beste Linie. Wenig später sehen wir von weitem einige Dirt Jumper durch die Lüfte fliegen. Aus der Nähe zeigt sich dann ein beeindruckendes Areal aus Pumptracks und verschiedenen Jumplines von kleinen und großen Sprüngen. Wir sind bei den Zabo-Trails gelandet. Hier hat wohl schon so mancher heutige Profi-Biker seine ersten Sprungversuche gemacht.
Trotz der Vielzahl der unterschiedlichen Waldbesucher wirken die Wege nie überlaufen. Hier findet jeder seine Nische und seine ganz eigene Erlebniswelt. Während einer Pause beobachten wir einen Trialer, der konzentriert und präzise den nahen Sandsteinfelsen als Übungsgelände nutzt, während zehn Meter daneben eine Familie mit E-Bikes und Kinderanhänger mit Spaziergängern plaudert und hinter uns ein paar Downhiller auf dem Weg zur nächsten Abfahrt sind. Das friedliche Miteinander in Nürnbergs Wäldern ist beeindruckend und birgt eine Menge Lebensqualität. Für Anja ganz normal: "Hier begegnet sich eine Vielzahl an Waldnutzern und Naturliebhabern. In ihrem jeweiligen, ‚natürlichen‘ Genusserleben begegnen sie einander respektvoll und verständnisvoll."

Verbriefte Qualität
Dass die besagte Lebensqualität hier besonders hoch ist, belegt sogar eine Studie namens World-wide Quality of Living Survey des Beratungsunternehmens Mercer, bei der die fränkische Metropole zum wiederholten Mal unter die ersten 25 Plätze der Städte mit der besten Lebensqualität welt- weit gelangte und 2010 sogar unter den deutschen Städten den sechsten Platz belegte.
Am nächsten Tag wollen wir die Röthenbachschlucht durchqueren. Wir starten vom Parkplatz Röthenbachtal in Richtung Süden. Was sich nach einem tiefen Canyon mit reißenden Fluten anhört, entpuppt sich als sanfter, sattgrüner Mischwald mit einem verspielt dahinmäandernden Bach. Entlang des Ufers schlängelt sich wellenförmig ein leicht fahrbarer Weg. Der Untergrund besteht meist aus zum Teil lehmigem Waldboden, hin und wieder tauchen ein paar Wurzeln auf, stellenweise wird der Untergrund auch sandig. Immer wieder kreuzt
der Weg den Bach über kleine Holzbrücken. Durch das dezente Auf und Ab und die stetigen Richtungwechsel wird es dennoch nie langweilig. An diesem heißen Sommertag sind wir auch froh über das schattige Grün und das kühle Nass. Wir gönnen uns noch eine kurze Kneippkur, bevor es weitergeht zur Alten Scheune in Ungelstetten, unserem heutigen Einkehrziel und Umkehrpunkt.


"Der Wald ist mein Zuhause"
Im Schatten der Obstbäume lassen wir uns auf den Bierbänken im Garten des Cafés nieder und stoßen durstig mit großen Saftschorlen auf die letzten zwei Tage an. Nach wie vor bin ich sehr überrascht und positiv beeindruckt von dem friedlichen Miteinander und der Vielfalt der unterschiedlichen Interessensgruppen von Outdoor-Liebhabern in den weitläufigen Naherholungsgebieten dieser Großstadt.
Und was zeichnet die Region für Anja aus? "Das wechselhafte, sportive Höhenprofil, die gesunden Mischwälder, vielfältige Untergrundbedingungen sowie das mäßige Wechselklima mit all seinen Jah- reszeiten. Durch die stetigen Naturveränderungen fühlen sich die gleichen Trails immer andersartig an. Unser Wald ist kein Ort, den ich besuche. Er ist mein Zuhause."

Auf traumhaften Pfaden
Die Metropolregion ist ein echter MTB-Geheimtipp!
Allgemeine Infos
Lage & Charakter: Verkehrstechnisch perfekt angeschlossen im nördlichen Teil Bayerns liegt die Metropolregion Nürnberg/ Fürth. Die mittelalterlich geprägte Altstadt Nürnbergs ist weltbekannt, aber auch die umgebenden Waldgebiete und die nahe "Fränkische Schweiz" tragen zu dem hohen Freizeit- und Erholungswert der Region bei. Im Osten grenzen der Nürnberger Reichswald, im Westen der Fürther Stadtwald an. Diese Mischwälder bieten ein sehr weitreichendes, naturbelassenes Trail- und Wegenetz. Verschiedene Untergründe wie Schotter-, Sandstein- und Wurzelwege garantieren Abwechslung auf den Touren, ebenso die vielseitige Vegetation. Fränkisch-zünftig einkehren lässt sich in zahlreichen Biergärten oder Gasthöfen.

Anreise: Ab Hauptbahnhof Nürnberg geht es bequem mit dem öffentlichen Personennahverkehr nach Nürnberg- Mögeldorf oder Zirndorf Alte Veste. Mit dem Kfz: A 3 Abfahrt Nürnberg-Ost oder Abfahrt A 9 Südost zum Nürnberger Reichswald. Oder zum Fürther Stadtwald via Südwesttangente Nürnberg–Fürth, Abfahrt Zirndorf.
Beste Reisezeit: Durch die Lage Nürnbergs im Fränkischen Becken gibt es weniger Niederschläge als sonst in diesem Breitengrad üblich. Dadurch und durch die eher milden Temperaturen kann man hier fast das ganze Jahr über biken.
Übernachtung: Städte wie Umland bieten unzählige Gasthöfe und Hotels. Zirndorf Tourismus Tourismus Nürnberg Tourismus Fürth
Guiding: Trail-Mountainbiken Anja Miksch, MTB & Personal Coach, Tel. +49 173 610 54 70 Trail Mountainbike info@trail-mountainbiken.de
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