Lage: Der Gran-Paradiso-Nationalpark liegt südlich des Aostatals. Der Zugang erfolgt über das Valsavarenche oder das Vallone di Cogne. Hochalpine Touren ermöglichen grandiose Panoramablicke auf das Gran-Paradiso-Massiv, aber auch auf Grand Combin und Mont Blanc im Norden. Nationalpark-Info: www.pngp.it
Info: Alle wichtigen Infos zu Aktivitäten und Unterkünften gibt es beim Tourismusverband Aosta: www.lovevda.it
Beste Reisezeit: Ende Juli bis Ende September. In den Hochlagen sind auch im Sommer Schneefälle möglich. Am beständigsten ist das Wetter meist im Spätsommer.
Anreise: mit dem Auto durch die Schweiz: Bern – A 12 Genfer See – A 9 Martigny – Grand St. Bernard – Aosta. Oder via Brenner A 22 – Gardasee – Mailand – Aosta. Weiter nach Valsavarenche (30 km). Ab München: 690 bzw. 770 km.
Unterkünfte: Hotel Gran Paradiso in Pont am Talende des Valsavarenche, Tel. 00 39/01 65/9 54 54, www.hotelgparadiso.com; Bike Hotel Ondezana in Lillaz, Vallone di Cogne, Tel. 00 39/01 65/7 42 48, www.hotelondezana.it; Rifugio Vittorio Sella (auf der Abfahrt vom Col du Loson hinab nach Cogne), Tel. 00 39/01 65/7 43 10, www.rifugiosella.com
Essen und Trinken: Auf der Tour gibt es nur wenige Hütten mit Einkehrmöglichkeiten. Rifugio Vittorio Sella (auf der Abfahrt vom Col du Loson nach Cogne), Tel. 00 39/01 65/7 43 10, www.rifugiosella.com; Rifugio Sogno di Berdzé (an der Auffahrt zum Col d’Invergneux), Tel. 00 39/3 39/ 7 37 11 46, www.rifugiosognocogne. com; Hotel Gran Paradiso in Pont am Talende des Valsavarenche, Tel. 00 39/01 65/9 54 54, www.hotelgparadiso.com
Guiding: Fabrizio Charruaz, Tel. 00 39/3 28/1 18 10 91 www.mtbexploring.it
Karten: ICG Blatt Nr. 3 „Parco Nationale del Gran Paradiso“ im Maßstab 1:50 000, www.istitutogeograficocentrale.it
Singletrail-Tour am Gran Paradiso - die Route:

Touren
MTB-Reisereportage Gran Paradiso
Was für eine Schnapsidee! Seit fast einer halben Stunde verwandelt das geschulterte Bike den nicht mehr fahrbaren Trail zum Kreuzwehweg.
Bohrende Fragen. Macht es irgendeinen Sinn, sein Gefährt so lange den Berg raufzutragen? Der Mund ist so trocken wie der Schotter in der erbarmungslosen Mittagssonne. Längst haben die Augen keinen Blick mehr für die Bergidylle unterhalb des Col du Loson auf 3000 Metern Höhe. Der blaue Himmel, die weißen Gletscher, die grünen Almwiesen – sie wirken wie Hohn.
Dabei hat alles ganz harmlos angefangen. Gestern früh. Ein paar hundert Höhenmeter entspannte Kurbelei durch lichten Lärchenwald. Weiter oben ein paar Almen und Berghütten mit den für die Gegend typischen groben Steinplatten als Dachkonstruktion – die „Casolari di Orvieille“. Viktor Emanuel II., der König von Sardinien-Piemont, ließ sie vor über 150 Jahren hier errichten. Als Stützpunkte für seine große Leidenschaft: die Jagd.
Großwild ist gerade nicht in Sicht. Dafür Murmeltiere, die am Ende des Bergsommers gut genährt wie kleine Buddhas auf den Felsen thronen und die Sonne genießen. Nette Trophäen für die Fotopirsch. Kein Wunder, das Valsavarenche mit dem gleichnamigen Ort und Startpunkt der Tour zählt zu den wildesten und einsamsten Seitentälern des Aostatals. Gleichzeitig ist es eine der landschaftlich attraktivsten Sackgassen der Alpen. One Way ins Paradies – am Ende des Tals hält der Gran Paradiso Audienz. 4061 Meter über den Dingen.





Hoch hinaus am Lac Djouan
In Gipfelnähe sind ein paar kleine Punkte zu sehen, die sich gaaanz langsam bewegen. Bergsteiger, die in der dünnen Höhenluft an der Viertausendergrenze schnappatmend um Luft ringen. Aber auch eine Etage tiefer sinkt der Sauerstoffgehalt. Knapp 2600 Meter zeigt der Höhenmesser nahe des Lac Djouan an.
Völlig alleine schrauben sich Flo und Fabrizio nach einer kurzen Pause im Gras weiter hinauf in die Weite der Westalpen. „Wir schalten gleich in den Muli-Modus“, grinst Fabrizio. Was das bedeutet, erfährt Flo keine zwei Minuten später. Steil und felsig zieht der Pfad hinauf zum Chandelly. Der Übergang liegt auf etwa 2800 Meter. Bestens akklimatisiert springt Fabrizio voraus. „Langsam“, pustet Flo oben am Joch. „wird die Luft wirklich dünn!“ Gut, dass das Panorama eine Verschnaufpause geradezu provoziert. Die Nordwestflanke des Gran Paradiso steht da wie eine Eins.
Die gröbsten Anstiege der ersten Etappen sind nun fast geschafft. Und nach einer zweistündigen Trail-Orgie mit teils flowigen, teils fahrtechnisch knackigen Passagen zum Lac del Nivolé und hinunter zur Albergo Gran Paradiso am Talende des Valsavarenche ist Flo wieder versöhnt. „Fantastico!“ prostet er Fabrizio beim Abendessen im Berghotel zu. Er schaut in die verbrannten, müden Bergsteigergesichter am Tisch gegenüber. Das waren wohl die kleinen Punkte am Gletscher. „Naja, gegen die sehe ich ja noch richtig fit aus“, meint Flo augenzwinkernd. Noch ...
Die Königsetappe zum Col du Loson
Der nächste Morgen lässt keine Zweifel – heute geht’s richtig zur Sache. Nach der kurzen Abfahrt nach Eaux Rousses braucht es weder einen doppelten Espresso noch einen Cappuccino, um wach zu werden. In steilen Serpentinen windet sich der Weg durch den Hochwald. Der Puls hämmert am Limit. Immer wieder zwingen einen steile Rampen aus dem Sattel. Bald zwei Stunden lang geht dieses Spiel.
Dann ist endlich die Alp d’En Ras erreicht. Durchatmen. Die Ruhe aufsaugen. Vom Kreuz hinter der Alm öffnet sich ein Traumblick übers Tal. Doch der Gipfel ist das hier noch lange nicht. Also zurück aufs Bike! Beinahe flach windet sich der Pfad tiefer hinein in die Berge.
Dann wartet die nächste Rampe. 1000 Höhenmeter stehen noch bevor. Schließlich öffnet sich das Hochtal südlich des knapp 4000 Meter hohen Grivolagipfels zu einer famosen Panoramaterrasse. Frisch verschneit leuchten die Nordflanken des Gran Paradiso. Ein letzter Blick ins Paradies.
Dann beginnt die Hölle. Und die ist grau. Grau wie der Gneis des Gran Paradiso. Noch 300 Höhenmeter enge Serpentinen durch steile Schotterfelder, über zersplitterte Schieferplatten. Wenn zwischendurch mal 100 Meter fahrbar sind, ist das schon viel. Also bleibt das Bike irgendwann auf den Schultern. „Nicht mein Ding“, murmelt Flo und würgt den letzten Energieriegel runter. Noch 100 Höhenmeter. Die bewältigt er fast in Trance. 3299 Meter. Wie benommen schüttelt er Fabrizio am Col du Loson die Hand. Dann stammelt er: „Bin ich im Himmel?“
Sein Blick wandert auf der anderen Seite des Jochs in die Tiefe. Dort windet sich ein scheinbar perfekter Endlos-Trail 1800 Meter hinab ins Tal.
Steinböcke und Absturzgefahr
Der Einstieg in die Abfahrt hat es jedoch in sich. Nicht umsonst sind Stahlseile wie an einem Klettersteig entlang des nur handtuchbreiten Pfades installiert. Flo touchiert eine Felskante mit dem Lenker. Gerade noch kann er sich fangen und sich und das rutschende Bike vor dem Sturz in den felsigen Abgrund zu seiner Rechten retten. „Kon-zentra-tion!“ ruft er sich laut ins Bewusstsein, was in den nächsten Kurven nötig ist.
Doch mit jeder Kehre wird der Trail besser fahrbar, das Gelände sanfter. Und fast verpasst Flo vor lauter Konzentration aufs Fahren einen der schönsten Momente des Tages. Fabrizio hat die Bremsen gezogen und deutet nach links: Auf einer Bergschulter im Schatten grast ein Rudel Steinböcke.
Von deren Vorfahren stammt das gesamte heute im Alpenraum lebende Steinwild ab. Denn Anfang des 19. Jahrhunderts war der Steinbock in den Alpen so gut wie ausgerottet. Nur rund um den Gran Paradiso lebten noch an die 100 Tiere. Auch König Viktor Emanuel II. hatte es auf ein paar stattliche Exemplare abgesehen. Für den hoheitlichen Jagderfolg ließ er nicht weniger als 300 Kilometer Wege im Halbkreis auf der Nordseite des Gran Paradiso anlegen. Ein Großteil davon bildet 150 Jahre später die Grundlage für das Wander- und Bike-Wegenetz.
Die finale Erkenntnis
Die größte Trophäe aber erkämpfen sich Flo und Fabrizio am Finaltag der Gran-Paradiso-Durchquerung. Beim langen Anstieg das Vallone di Urtier hinauf heißt es: noch einmal beißen, noch ein paar kurze Tragepassagen mehr, und dann haben sie den gut 2900 Meter hohen Col d’Invergneux erreicht.
Vor ihnen liegt einmal mehr ein Paradies für Biker: ein nicht endenwollender Flow-Trail durch die atemberaubende Hochgebirgslandschaft des Vallon de Grauson. „Himmlisch!“ schwärmt Flo. Dann schwingt er sich in den Sattel. Und die Frage, ob es wirklich Sinn macht, sein Bike die Berge hinauf zu tragen? Die hat sich hiermit definitiv erledigt.