Montenegro: Paradies für Biker mit Pioniergeist
Alle Infos zum MTB-Spot Kotor in Montenegro

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Direkt vom Meer in die Berge: um die Bucht von Kotor können sich Biker austoben – und danach im Hafenstädtchen entspannen.

MB 1011 Montenegro - Übersichtskarte

Lage: Die Bucht von Kotor ist eine von knapp 2000 m hohen Bergen umgebene, fast 30 km lange fjordartige Bucht an der südöstlichen dalmatinisch-montenegrinischen Adriaküste. Die Hafenstadt Kotor mit ihren rund 23000 Einwohnern liegt am innersten Punkt der Bucht.

Beste Reisezeit: Mai/Juni sowie September/Oktober.

Anreise: von München über Autobahn Salzburg, Tauerntunnel und Karawankentunnel nach Slowenien, weiter Autobahn A 2, später A 1, nach Kroatien. Über Dubrovnik auf Küs­tenstraße nach Kotor. Ca. 1200 km, 14 Std. Fürs Kfz die "Grüne Versicherungskarte" anfordern! (www.kfz-auskunft.de).
Flugzeug: Direktflüge von diversen deutschen Flughäfen nach Dubrovnik z. B. mit www.croatiaairlines.com

Übernachten: Hotel Marija 2, Dobrota, 85330 Kotor, www.hotelmarija.me
Hotel Vila Panonija, Dobrota 1, 85330 Kotor, www.vilapanonija.com

Einkehr: gute Fischgerichte gibt es im Restaurant Cesarica, Stari Grad 375, Altstadt von Kotor, Tel. 00382/82/336/093.

Geführte Reisen: bieten z. B. der DAV-Summit-Club (TransMontenegro, www.dav-summit-club.de) und Isla Verde Sportreisen (www.islaverde.at) an.

Karten: Montenegro Auto + Freizeitkarte, Crna Gora, 1:150000, Freytag & Berndt, 9,95 Euro.

Buchtipp: Montenegro Mountainbike Guide: 17 Mountainbike Trails from East to West (Englisch), Rade Minic, Map Solutions, 26,80 Euro.

Info: Tourismusorganisation von Montenegro, Tel. 00382/(0)20/77100001, www.montenegro.travel

Touren

Montenegro-Reportage: Neuland

Hast du gesehen, wie klar das Wasser ist?" fragt mein ­Bike-Spezl Stefan jetzt schon zum fünften Mal. Ein deutliches Zeichen seiner Begeisterung nicht nur über die Wasserqualität in der Bucht von Kotor.

Zeit zum Schauen bleibt hier genug, gemütlich rollen wir auf der kleinen, recht flachen Uferstraße von Kotor nach Donja Lastva.

16 km Uferstraße – was andernorts Bikers Alptraum sein mag, ist hier ein Vergnügen erster Güte: eine schma­le, kaum befahrene Straße, die unmittelbar entlang der Küste durch kleine Ortschaften führt. Wir radeln die ganze Zeit nur einen Schlenker von der Adria entfernt.

Stefans Staunen ist berechtigt: Im Wasser sieht man jeden Kieselstein, so ruhig und klar ist das Meer. Im Hintergrund scheinen die Berge unmittelbar aus dem Meer zu ragen, um im 1749 m hohen Stirovnic im Lovcen-Nationalpark zu gipfeln.

Die Halbinsel Vrmac wird von drei Buchten – der von Kotor, von Risan und von Tivat – eingerahmt. Wir streben den höchsten Punkt dieser Halbinsel an: Der Sveti Ilija (765 m) bietet nicht nur fantastische Ausblicke hinab, sondern auch hin­über zu den Bergen des Lovcen-Nationalparks. Und aufs schimmernd blaue Meer.

Biker profitieren heute davon, dass die Bucht bis vor etwa 100 Jahren die Grenze der österreichisch-ungarischen Monarchie zum montenegrinischen Fürstentum bildete. Die Österreicher bauten zur Sicherung ihrer Grenze unzählige Festungen in die Berge, die ihrerseits mit Militärstraßen, Versorgungswegen und Maultierpfaden verbunden sind.

Auf einer dieser Militärstraßen radeln wir jetzt mit meist sehr angenehmer Steigung – schließlich muss­te hier schweres militärisches Gerät bewegt werden – zum höchsten Punkt der Halbinsel Vrmac.

Auch wenn die Meer-und-Fels-Szenerie Vergleiche mit Norwegens Fjordlandschaft provoziert: Schon der kürzeste Blick neben den Weg beweist, dass wir in einer mediterranen Gegend unterwegs sind. Granatapfel- und Olivenbäume wachsen hier. Auch das weiße Karstgestein, das einen im hellen Sonnenschein manchmal sogar blendet, ist typisch für Südosteuropa.

Geschafft! Der Gipfel des Sveti Ilija ist erreicht. Ein zum Schafstall umfunktioniertes Häuschen ziert diesen Berg, der seinen Namen "Heiliger Elias" mit ziemlich vielen anderen Bergen in Südosteuropa teilen muss.

Das 360-Grad-Panorama aber ist einzigartig! Tief unter uns spuckt ein riesiges Kreuzfahrtschiff gerade seine Gäs­te zur Besichtigung der Altstadt von Kotor aus – spielzeugklein sieht es von hier oben aus. In der gleichen Blickrichtung, aber fast 1000 Meter über Kotor, liegt der Krstac-Pass (945 m).

Deutlich sieht man die abenteuerlich in den Hang gemauerten Serpentinen des Maultierpfades, der vor dem Bau der kleinen Passstraße die einzige Verbindung in das montenegrinische Hinterland bildete. Heute ist dieser Weg ein wahres Schmankerl für fahrtechnisch versierte Mountainbiker.

Direkt am Schafhäuschen auf dem Gipfel startet der Downhill. Über eine anspruchsvolle Bike-Piste zieht er über den Rücken des Vrmac – linker Hand die Bucht von Kotor, rechts die Bucht von Tivat und in der Ferne die offene Adria. Wow! Immer wieder überraschen neue Tiefblicke und Weitblicke, bis schließlich die düs­tere, irgendwie beklemmend wirkende Festung Tvrdava Vrmac erreicht ist.

Kurvig geht es weiter, über einen alten Versorgungsweg am steilen Berghang entlang. Was als leichtes Spiel beginnt, entpuppt sich bald als Herausforderung: Man merkt dem Weg die seit 100 Jahren fehlende Wartung an. So mancher Stein liegt nicht mehr da, wo er seinen Platz im Mauerwerk hatte ... "Man wächst an seinen Aufgaben", ermuntere ich Stefan und mich.

Es ist jedenfalls ein Wahnsinnsgefühl, sich in über 40 Serpentinen der Bucht entgegenzuschrauben! Immer näher kommen wir dem Kreuzfahrtriesen, der ständig in unserem Blickfeld liegt.

Aber Achtung, nicht zu sehr ablenken lassen, denn wenn die Mauer auch nur wenige Meter hoch ist: Ein Absturz würde richtig weh tun! In den vielen Kehren hilft eine gute Fahrtechnik enorm weiter. Doch auch wer hier kurz absteigt, braucht sich nicht zu ärgern: Das Bike ist schnell umgesetzt, und schon geht die Fahrt weiter.

Eine ganz schön tricky zu fahrende Treppe bildet das Abschluss-Highlight, bevor wir zurück nach Kotor rollen. In der Altstadt stehen wir dann vor einer höchst angenehmen Qual der Wahl: Latte Macchiato oder Cappuccino? Eis oder Kuchen? Sitzen wir lieber auf der Terrasse neben der alten Kirche oder an einem Tisch eines der Cafés am Marktplatz, um dem Treiben der Kreuzfahrttouristen zuzuschauen?

Spielt letztlich keine Rolle, denn die Altstadt der Handels- und Hafenstadt ist einfach ein wunderbarer Ort, um Touren ausklingen zu lassen. Mit seiner beeindruckenden, 4,5 Kilometer langen Stadtmauer gehört Kotor seit 1979 zum Unesco-Weltkulturerbe.

Aus der Herrschaftszeit Österreich-Ungarns, die von 1794 bis zum Ende des Ers­ten Weltkriegs dauerte, stammen die ­Ruinen unzähliger Festungen in den Karstbergen, die sich heute besichtigen lassen.

Geschichte ist in dem Universitätsstädtchen eh allgegenwärtig, woran auch der gut geschützte Naturhafen seinen Anteil hat.

Mit dem Mountainbike durch Montenegro: Das ist auch in den touristisch stärker entwickelten Orten noch ein Abenteuer, das eine gute Portion Pioniergeist erfordert.

Nur wenige Routen sind als ­Bike-Strecken ausgewiesen, und gute topografische Karten, wie sie der Alpenbiker aus Österreich, der Schweiz und Deutschland gewohnt ist, sind hier Mangelware.

Aber auf Wirtschaftswegen, die als Wanderwege gekennzeichnet sind, können Biker sich super austoben. Für den Weg nach oben eigen sich auch schmale, kaum befahrene Asphaltstraßen.

Während wir unseren Kaffee genießen, lässt plötzlich das Luxusschiff sein Horn ertönen: Zeit für die Passagiere, zurück an Bord zu gehen.

Ein gewisser Neid erfasst uns, denn während das Programm der Kreuzfahrtteilnehmer vorgegeben ist, müssen wir alles selbst entscheiden. Gehen wir heute Abend wieder in das großartige Restaurant Cesarica oder in die genauso gute Pizzeria?

Und noch viel wichtiger: Welche Tour ­fahren wir morgen – den Traumtrail vom Krstac oder die Supertour durch den Lovcen-Nationalpark? Um eine Sache müssen wir uns freilich keine Gedanken machen: Da Biker hier Ausnahmeerscheinungen sind, scheinen Bike-Verbote in Montenegro noch nicht erfunden.

Die aktuelle Ausgabe
MOUNTAINBIKE 04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023