Die Frage ist wohl so alt wie unser Sport selbst: Mit welchem Bike bin ich am schnellsten? Dass sich die Profis im Weltcup diese Frage quasi minütlich stellen, liegt auf der Hand. Aber auch Touren und Trailfans wollen natürlich wissen, mit welchem Bergrad sie die Hausrunde oder auch den Alpencross auf möglichst effiziente Weise bewältigen. Ist das gute alte Hardtail dank seines geringen Gewichtes das beste? Oder macht das Fully bergab jeden potenziellen Rückstand wett? Ist wenig Federweg bergauf wirklich schneller? Oder gilt auch hier: Viel hilft viel?

Ein Blick zum Weltcup zeigt, dass diese Fragen so aktuell sind wie nie. Denn neben Starrhecklern und "klassisch" vollgefederten Bikes mit 100-mm-Fahrwerk stehen Bikes in den Startlöchern, die mit mutigen Ansätzen und Innovationen für Furore sorgen. So präsentierte Scott im letzten Jahr die Neuauflage des legendären Racefullys Spark, das nun mit stolzem 120-mm-Fahrwerk und lang-flacher Geometrie die Kategorie Cross-Country quasi neu definiert. Stellvertretend für Bikes, die mit Innovationen neue Impulse geben, steht das Trek Supercaliber. Mit einem ins Oberrohr integrierten Dämpfer will es das Beste aus den Welten Fully und Hardtail vereinen. Kurzum: Der Anwärterkreis um die Krone des schnellsten Bikes der Welt war nie größer.
Instagram-Reel: Der Test in bewegten Bildern
Um herauszufinden, welcher Hersteller zumindest potenziell das schnellste baut, aber vor allem, um zu checken, wo die einzelnen Kategorien beziehungsweise Konzepte wie Hardtail, Cross- oder Down-Country-Fully ihre Stärken und Schwächen haben, luden wir je zwei Vertreter aus vier gut abgrenzbaren Gattungen ein. Dabei orientierten wir uns natürlich an den spannenden Technologien, aber auch an der Beliebtheit der Hersteller in der Race-Szene. Leider konnten einige Marken mit Rennsport-DNA wie Cube, Specialized oder Orbea keine Testräder zu Verfügung stellen.

Mehr Details und Insights zum Test in unserem Podcast
Acht Bikes in vier Kategorien

Bei den Hardtails treten daher an: das Cannondale Scalpel HT mit seiner charakteristischen Lefty-Gabel sowie das vergleichsweise preiswerte Canyon Exceed CF. Das "klassische" Cross-Country-Fully mit 100- bis 110-mm-Fahrwerk repräsentieren das sündteure Santa Cruz Blur sowie das nicht minder edle Stoll M2. Für die wachsende Klasse der "abfahrtslastigen XC-Fullys" sind das Giant Anthem mit elektronischem Fahrwerk und das Scott Spark RC mit Vario-Fahrwerk am Start. Der Einfachheit halber haben wir für diese "New-School-Racer" den zwar bei vielen unbeliebten, aber größtenteils etablierten Begriff "Down-Country" genutzt. Zwei gänzlich ungewöhnliche Hinterbau-Konzepte nutzen Arc8 und Trek am Evolve FS und Supercaliber. Beide bilden nicht wirklich eine Einheit, wir haben sie dennoch als "Spezial"-Fullys zusammengefasst. Selektive Strecke, Zeitmessung in vier Sektoren, Wattmessung, zig Testfahrten mit XC-Bundesliga-Fahrern: Um herauszufinden, welches Bike oder, besser gesagt, welches Konzept wirklich das schnellste ist, haben wir enormen Aufwand getrieben. Alle Hintergrundinfos, aber natürlich auch die Ergebnisse und unsere Analyse zeigen wir auf den kommenden Seiten. Einen Sieger? Ja, den gibt es. Aber auch viele weitere Aspekte, die überraschen.
Die Testbikes im Detail:
Die Racebike-Kategorien und ihre Merkmale in der Übersicht
Race-Hardtails
- Federgabeln mit 100-110mm Federweg
- meist kurze, steile Geometrien
- Rahmengewichte unter 1000 Gramm
Ohne Heckfederung sind Hardtails quasi die Urform des Mountainbikes. Race-Hardtails verkörpern dabei den absoluten Topsportler unter den Starrhecklern und sind bereit für die Rennstrecke. An der Front arbeiten in der Regel leichte Federgabeln mit dünnen Standrohren und Hüben von 100, maximal 110 mm. 29"-Laufräder sind omnipräsent, nur (sehr) kleine Größen werden von einigen Herstellern mit 27,5" ausgestattet. Vor Jahren noch mit diätischen Leichtbauteilen bestückt, werden auch die XC-Hardtails neuerdings immer bergabtauglicher gestaltet. Für mehr Speed im Downhill sichtet man nicht nur bei den Profis immer öfter Vario-Sattelstützen, ebenso kommen die Bikes nun mit breiten Reifen und voluminösen Felgen, die in Kombination niedrigen Luftdruck erlauben. Zudem flachen viele Hersteller den Lenkwinkel ab, im Durchschnitt sind es circa 68°, auch der Reach wächst immer weiter. Dennoch sind die XC-Hardtails weiterhin sehr drehfreudig und direkt im Kraftfluss ausgelegt. Großen Anteil daran haben die leichten Carbon-Rahmen, die oft deutlich unter 1000 g wiegen und jedes Jota Kraft in Vortrieb verwandeln. Traumgewichte wie einst von acht bis neun Kilo sind aber durch die gestiegenen Downhill-Freuden nicht mehr drin.
Weitere Race-Hardtails:
Conway RLC
Ghost Lector
Radon Jealous
Scott Scale RC
Specialized Epic HT
XC-Fullys
- Federwege von 100-110 mm
- meist klassische Geometrien
- gewichtsoptimierte Rahmen
Seit Jahren dominieren Fullys mit 100-mm-Fahrwerk im Cross-Country-Worldcup wie im Hobby-Marathon. Angestaubte Bikes verstecken sich hinter modernen XC-Fullys dennoch nicht: Die Geometrien der fast ausschließlich auf 29"-Rädern rollenden Bikes werden von den Herstellern stetig behutsam flacher und länger gezeichnet, um mehr Potenzial in Abfahrten zu wecken. Dennoch erhalten sich diese klassisch-eleganten Racefullys ihren Ruf als spritzige Kurvenjäger, die schnell bergan sprinten. Um jedes Gramm Gewicht aus den Rahmen zu schwitzen, setzen immer mehr Hersteller auf spezielle Carbon-Kettenstreben, die durch gezielten Flex das Hinterbaulager in Achsnähe ersetzen. Zudem kommen bei den Highend-Modellen immer bessere, leichtere und steifere Kohlefasern zum Einsatz. Dennoch sind auch die XC-Fullys von den asketischen Gewichten früherer Jahre weit entfernt. Nur knapp unterbieten unsere beiden Testbikes die magische Zehn-Kilo-Marke, das aber auch zu fürstlichen Preisen. "Schuld" haben auch hier die immer abfahrtslastigeren Parts wie breite, stabile Reifen, breite Felgen, ausladende Lenker und natürlich Vario-Sattelstützen. Das alles treibt das Gewicht, aber auch den Fahrspaß auf Trails hoch
Weitere XC-Fullys:
- Canyon Lux Worldcup
- Cannondale Scalpel
- Cube AMS Zero 99
- Orbea Oiz
- Merida Ninety-Six
Downcountry-Fullys
- Federweg 110-120 mm, Federgabeln mit 34-mm Standrohren
- flache, moderne Geometrie
- abfahrtsorientierte Parts
Um den immer spektakuläreren Rennstrecken, aber auch dem Ruf nach mehr Fahrspaß gerecht zu werden, nehmen immer mehr Hersteller ihre 100-mm-Fullys aus dem Programm und gestalten die Neuauflagen deutlich progressiver. Die Bezeichnung für diese Kategorie ist mittelprächtig gelungen: Down-Country, ein Kunstwort, gebildet aus Downhill und CrossCountry. Down-Country-Bikes kommen mit Federwegen um 120 mm an Bug und Heck. Die Geometrien mit flachen Lenkwinkeln um 67°, manchmal gar 66°, sowie die sehr langen Reach-Werte unterstreichen ebenso die Abfahrtsorientierung wie die noch einmal stabileren Parts (Reifen, Felgen, Bremsen, Vario-Stützen). Unsere Prognose: Obwohl selbst die leichtesten Down-Country-Modelle – etwa die beiden in unserem Test – die XC-Fullys im Gewicht klar übertreffen, gehört die Zukunft im Rennsport den 120-mm-Bikes. Die meisten Neuerscheinungen in diesem Segment setzen bereits jetzt auf mehr Federweg, Trail-lastigere Geometrien und Parts. Es deutet sich an, dass dieser Trend sich fortsetzt. Positiv dabei: Das „Unwort“ Down-Country wäre dann schon wieder Geschichte.
Weitere Downcountry-Bikes
- BMC Fourstroke LT
- Canyon Lux Trail
- Lapierre XRM
- Mondraker F-Podium DC
- Simplon Cirex
Spezial / Softtails
- einzigartige Hinterbaukonzepte
- teils extreme Geometrien
- entziehen sich jeder Kategorie
Sie passen in kein Raster, schreiben bewährte Regeln von Racebikes bewusst um: Die Rede ist von zwei „Spezial“-Fullys, die sich nach den Eckdaten in keine der drei vorhergehenden Kategorien einordnen lassen und somit eine Einzelbetrachtung verdienen. Das Trek Supercaliber sorgt seit seinem Debüt in der XC-Welt für Aufsehen: Ein zusammen mit Fox entwickelter Dämpfer ist ins Oberrohr integriert und generiert am Heck 60 mm Federweg. Genereller Ansatz von Treks mutigem Konzept war es, ein schnelles Racebike zu konzipieren, welches nicht zwingend das geringe Gewicht, aber die Steifigkeit und Direktheit eines Hardtails mit der Traktion eines Fullys kombiniert. Jüngst stellte die Schweizer Marke Arc8 mit dem Evolve ein Fully vor, das sich einer einzigartigen Hinterbaukinematik bedient: Mittels Führungszylinder soll das Evolve eine ideale Kennlinie erreichen, dabei obendrein laut Hersteller einen federleichten Rahmen (um 1230 g ohne Dämpfer) bieten. On top ist das Arc8 flach und lang, fast wie ein Enduro, gezeichnet. Spannend, ob auch in Zukunft weitere Hersteller solch eigenwillige Bikes für den Renneinsatz zeigen.
So haben wir die XC-Bikes getestet

Um vergleichbare Testbedingungen zu schaffen, betrieben wir für den Systemvergleich beispiellosen Aufwand: Auf dem Testtrack wurde eine professionelle Transponder-Zeitmessung installiert, die in vier verschiedenen Streckensektoren die Zwischenzeiten nahm und so Schwächen und Stärken der Kandidaten entlarvte. Zwei Testfahrer, selbst mit Rennerfahrung aus Weltcup und MTB-Bundesliga, beurteilten jedes Bike zunächst einzeln wie in unseren klassischen Radtests. Dann jagten sie jedes Bike zu je vier Runden über den Kurs. Um die Leistung zu überwachen, statteten wir jedes Testbike mit Wattmesspedalen von Garmin aus, die nach jedem Radwechsel kalibriert wurden. Zur bessern Vergleichbarkeit legten wir zudem ein enges Fenster der Durchschnittsleistung ("Normalized Power", NP) fest, die von den Fahrern je Runde getroffen werden musste. In der Tabelle unten stehen jeweils die Durchschnittszeiten und die mittlere Leistung. Alle Testbikes wurden im Serienzustand gefahren, aber nach den Bedürfnissen der Tester eingestellt, die Reifen auf 1,5 bar gebracht. Jedes Bike (außer Cannondale mit Lefty-Spezialnabe) wurde abschließend mit einem Referenzlaufradsatz* auf zwei Testrunden geschickt, um Nach- oder Vorteile der Serienlaufräder bzw. Reifen aufzudecken.
Der perfekte Testtrack in Bad Salzdetfurth

Unweit von Hildesheim, neben der Autobahn A 7, wartet in Bad Salzdetfurth ein anspruchsvoller Racetrack, der extra für die Deutsche Cross-Country-Meisterschaft 2022 gebaut wurde. Insgesamt gilt es, je Runde 4,1 km und 115 Hm zu überwinden, unsere leicht verkürzte Runde umfasste 3,5 km und 100 Hm. Übrigens: Der Cross-Country-Loop im "Bike und Outdoor Park" (BOP) ist ganzjährig, auch in einer entschärften Version ohne Sprünge und technische Hindernisse, befahrbar. Ein für Familien empfehlenswerter Flowtrail befindet sich gleich nebenan. Und im Slopestyle-Bereich des Parks kommen Gravity-Fans auf ihre Kosten. Regelmäßig gibt es zudem Veranstaltungen rund ums MTB.
Die Ergebnisse im Detail: Den gesamten Test lesen!
Nach einem fordernden Testtag für Fahrer und Material konnten wir spannende Erkenntnisse zu den Racebikes gewinnen. Zahlen lügen nicht! Um das schnellste Bike der Welt zu küren, haben wir so viel geschwitzt und Daten erhoben wie noch nie.Den gesamten Test mit allen Rundenzeiten, Daten und Details kannst weiter oben im Artikel kaufen.
Alternativen: Günstigere Racebikes für verschiedene Einsatzzwecke
Kurz vor dem Rennen je nach Streckenbeschaffenheit das Bike aussuchen? Dieses Privileg haben nur Profis. Für alle anderen gibt es die Qual der Wahl, wenn es um die Kaufentscheidung geht: Welches Racebike passt zu mir und zu "meinen" Rennen?
Klar, egal ob Hardtail oder Fully: Jedes Bike funktioniert grundsätzlich auf allen Rennstrecken oder Trails dieser Welt. Jedoch gibt es eben Paradedisziplinen: So fährt sich ein Hardtail ohne Vario-Stütze auf sehr selektiven Kursen naturgemäß weniger souverän als ein Fully, dafür dürfte es einem 120-mmFully auf den typischen, langen Schotteranstiegen hiesiger Marathons aber schnell enteilen. Anhand der Ergebnisse des Konzeptvergleichs haben wir drei Gattungen für charakteristische Rennveranstaltungen in Europa definiert. Und dazu jeweils beispielhaft ein Bike herausgesucht, das zudem im Vergleich zu den acht zumeist sündteuren Highend-Bikes aus dem Systemtest auch das Budget spürbar weniger belastet.
Hardtail: Radon Jealous (ab 2699 Euro)

Hardtails haben gegenüber Fullys in der Regel einen klaren Gewichtsvorteil (circa 1–1,5 Kilo), kosten weniger, sind direkter in Handling und Kraftübertragung sowie wartungsärmer und weniger pannenanfällig. Was nicht dran ist, geht eben nicht kaputt – auch das kann im Rennen entscheidend sein. Generell gilt, dass Hardtails auf allen Strecken ihre Stärken ausspielen, die lange Anstiege, aber geringen technischen Anspruch im Upund Downhill aufweisen. Das ist bei vielen deutschen Mittelgebirgs-Marathons, aber auch auf steilen Alpenrennen oft der Fall. Wer bergab sicherer unterwegs sein will, rüstet eine Vario-Stütze nach. Auch Tourenbiker*innen, die ihr Glück eher auf Schotterpisten denn auf Trails suchen, werden bei Bikes wie unserem mehrfachen Testsieger Radon Jealous fündig.
Cross-Country: Cube AMS Zero 99 C:68 X Race 29 (ab 4199 Euro)

Im Talschuss schlagen 100mmFullys die Hardtails klar, zumindest wenn es nicht über glatt gebügelte Schotterstrecken geht. Dabei sind sie obendrein komfortabler. Komfort? Ja, auch der kann auf der Rennstrecke entscheidend sein, vor allem bei Langstrecken oder Mehrtagesevents gilt es, die Muskulatur, so gut es geht, zu schonen. Auch anspruchsvolle Uphills rocken XC-Fullys meistens schneller als Hardtails, weil ihre Hinterbauten mehr Bodenkontakt und damit Traktion und Vortrieb generieren. Wer also einen schnellen Allrounder sucht, der auf sehr vielen Rennstrecken voll überzeugen kann, kommt an einem klassischsportlichen Cross-CountryFully wie etwa dem beliebten Cube AMS kaum vorbei.
Downcountry: Canyon Lux Trail (ab 4399 Euro)

Mehr Federweg im Vergleich zu klassischen Cross-Country-Fullys beschert den sogenannten DownCountryFullys auch mehr Souveränität auf technischen Tracks. Vor allem die typischerweise verbauten, stabileren Parts sorgen aber für rund ein Kilo mehr Gewicht. Dennoch scheinen sich die 120mmBikes zumindest bei den immer anspruchsvoller werdenden Strecken im Cross-Country-Weltcup durchzusetzen und die Zukunft des ganzen Segments zu werden. Im Hobbybereich bieten sich Bikes wie das Canyon Lux Trail für alle die an, die gerne bei sehr technisch anspruchsvollen Rennen starten – und da auch ein wenig Spaß haben wollen. Perfekt sind die Bikes aber selbst für Tourenfans, denen die aktuellen Trailbikes mit 130 mm Federweg schlicht zu schwer geworden sind. Und ab und an eine Startnummer an den Lenker zu zippen ist mit so einem Bike ja eh drin.