Race-MTB: Wer baut das schnellste Bike? Kaufberatung + Systemvergleich

XC-Fully vs. Hardtail vs. Downcountry vs. Softtail
Wer baut das schnellste Race-Mountainbike?

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Zuletzt aktualisiert am 12.08.2022
Wer baut das schnellste Race-Mountainbike?
Foto: kohligrafie / Christian Kohlhausen

Die Frage ist wohl so alt wie unser Sport selbst: Mit welchem Bike bin ich am schnellsten? Dass sich die Profis im Weltcup diese Frage quasi minütlich stellen, liegt auf der Hand. Aber auch Touren und Trailfans wollen natürlich wissen, mit welchem Bergrad sie die Hausrunde oder auch den Alpencross auf möglichst effiziente Weise bewältigen. Ist das gute alte Hardtail dank seines geringen Gewichtes das beste? Oder macht das Fully bergab jeden potenziellen Rückstand wett? Ist wenig Federweg bergauf wirklich schneller? Oder gilt auch hier: Viel hilft viel?

XC Konzeptvergleich
Christian Kohlhausen

Ein Blick zum Weltcup zeigt, dass diese Fragen so aktuell sind wie nie. Denn neben Starrhecklern und "klassisch" vollgefederten Bikes mit 100-mm-Fahrwerk stehen Bikes in den Startlöchern, die mit mutigen Ansätzen und Innovationen für Furore sorgen. So präsentierte Scott im letzten Jahr die Neuauflage des legendären Racefullys Spark, das nun mit stolzem 120-mm-Fahrwerk und lang-flacher Geometrie die Kategorie Cross-Country quasi neu definiert. Stellvertretend für Bikes, die mit Innovationen neue Impulse geben, steht das Trek Supercaliber. Mit einem ins Oberrohr integrierten Dämpfer will es das Beste aus den Welten Fully und Hardtail vereinen. Kurzum: Der Anwärterkreis um die Krone des schnellsten Bikes der Welt war nie größer.

Instagram-Reel: Der Test in bewegten Bildern

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Um herauszufinden, welcher Hersteller zumindest potenziell das schnellste baut, aber vor allem, um zu checken, wo die einzelnen Kategorien beziehungsweise Konzepte wie Hardtail, Cross- oder Down-Country-Fully ihre Stärken und Schwächen haben, luden wir je zwei Vertreter aus vier gut abgrenzbaren Gattungen ein. Dabei orientierten wir uns natürlich an den spannenden Technologien, aber auch an der Beliebtheit der Hersteller in der Race-Szene. Leider konnten einige Marken mit Rennsport-DNA wie Cube, Specialized oder Orbea keine Testräder zu Verfügung stellen.

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Mehr Details und Insights zum Test in unserem Podcast

Acht Bikes in vier Kategorien

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Bei den Hardtails treten daher an: das Cannondale Scalpel HT mit seiner charakteristischen Lefty-Gabel sowie das vergleichsweise preiswerte Canyon Exceed CF. Das "klassische" Cross-Country-Fully mit 100- bis 110-mm-Fahrwerk repräsentieren das sündteure Santa Cruz Blur sowie das nicht minder edle Stoll M2. Für die wachsende Klasse der "abfahrtslastigen XC-Fullys" sind das Giant Anthem mit elektronischem Fahrwerk und das Scott Spark RC mit Vario-Fahrwerk am Start. Der Einfachheit halber haben wir für diese "New-School-Racer" den zwar bei vielen unbeliebten, aber größtenteils etablierten Begriff "Down-Country" genutzt. Zwei gänzlich ungewöhnliche Hinterbau-Konzepte nutzen Arc8 und Trek am Evolve FS und Supercaliber. Beide bilden nicht wirklich eine Einheit, wir haben sie dennoch als "Spezial"-Fullys zusammengefasst. Selektive Strecke, Zeitmessung in vier Sektoren, Wattmessung, zig Testfahrten mit XC-Bundesliga-Fahrern: Um herauszufinden, welches Bike oder, besser gesagt, welches Konzept wirklich das schnellste ist, haben wir enormen Aufwand getrieben. Alle Hintergrundinfos, aber natürlich auch die Ergebnisse und unsere Analyse zeigen wir auf den kommenden Seiten. Einen Sieger? Ja, den gibt es. Aber auch viele weitere Aspekte, die überraschen.

Die Testbikes im Detail:

Die Racebike-Kategorien und ihre Merkmale in der Übersicht​ ​

Race-Hardtails

XC-Fullys

Downcountry-Fullys

Spezial / Softtails

So haben wir die XC-Bikes getestet

XC Konzeptvergleich
Christian Kohlhausen

Um vergleichbare Testbedingungen zu schaffen, betrieben wir für den Systemvergleich beispiellosen Aufwand: Auf dem Testtrack wurde eine professionelle Transponder-Zeitmessung installiert, die in vier verschiedenen Streckensektoren die Zwischenzeiten nahm und so Schwächen und Stärken der Kandidaten entlarvte. Zwei Testfahrer, selbst mit Rennerfahrung aus Weltcup und MTB-Bundesliga, beurteilten jedes Bike zunächst einzeln wie in unseren klassischen Radtests. Dann jagten sie jedes Bike zu je vier Runden über den Kurs. Um die Leistung zu überwachen, statteten wir jedes Testbike mit Wattmesspedalen von Garmin aus, die nach jedem Radwechsel kalibriert wurden. Zur bessern Vergleichbarkeit legten wir zudem ein enges Fenster der Durchschnittsleistung ("Normalized Power", NP) fest, die von den Fahrern je Runde getroffen werden musste. In der Tabelle unten stehen jeweils die Durchschnittszeiten und die mittlere Leistung. Alle Testbikes wurden im Serienzustand gefahren, aber nach den Bedürfnissen der Tester eingestellt, die Reifen auf 1,5 bar gebracht. Jedes Bike (außer Cannondale mit Lefty-Spezialnabe) wurde abschließend mit einem Referenzlaufradsatz* auf zwei Testrunden geschickt, um Nach- oder Vorteile der Serienlaufräder bzw. Reifen aufzudecken.

Der perfekte Testtrack in Bad Salzdetfurth

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Unweit von Hildesheim, neben der Autobahn A 7, wartet in Bad Salzdetfurth ein anspruchsvoller Racetrack, der extra für die Deutsche Cross-Country-Meisterschaft 2022 gebaut wurde. Insgesamt gilt es, je Runde 4,1 km und 115 Hm zu überwinden, unsere leicht verkürzte Runde umfasste 3,5 km und 100 Hm. Übrigens: Der Cross-Country-Loop im "Bike und Outdoor Park" (BOP) ist ganzjährig, auch in einer entschärften Version ohne Sprünge und technische Hindernisse, befahrbar. Ein für Familien empfehlenswerter Flowtrail befindet sich gleich nebenan. Und im Slopestyle-Bereich des Parks kommen Gravity-Fans auf ihre Kosten. Regelmäßig gibt es zudem Veranstaltungen rund ums MTB.

Die Ergebnisse im Detail: Den gesamten Test lesen!

Nach einem fordernden Testtag für Fahrer und Material konnten wir spannende Erkenntnisse zu den Racebikes gewinnen. Zahlen lügen nicht! Um das schnellste Bike der Welt zu küren, haben wir so viel geschwitzt und Daten erhoben wie noch nie.Den gesamten Test mit allen Rundenzeiten, Daten und Details kannst weiter oben im Artikel kaufen.

Alternativen: Günstigere Racebikes für verschiedene Einsatzzwecke

Kurz vor dem Rennen je nach Streckenbeschaffenheit das Bike aussuchen? Dieses Privileg haben nur Profis. Für alle anderen gibt es die Qual der Wahl, wenn es um die Kaufentscheidung geht: Welches Racebike passt zu mir und zu "meinen" Rennen?

Klar, egal ob Hardtail oder Fully: Jedes Bike funktioniert grundsätzlich auf allen Rennstrecken oder Trails dieser Welt. Jedoch gibt es eben Paradedisziplinen: So fährt sich ein Hardtail ohne Vario-Stütze auf sehr selektiven Kursen naturgemäß weniger souverän als ein Fully, dafür dürfte es einem 120-mmFully auf den typischen, langen Schotteranstiegen hiesiger Marathons aber schnell enteilen. Anhand der Ergebnisse des Konzeptvergleichs haben wir drei Gattungen für charakteristische Rennveranstaltungen in Europa definiert. Und dazu jeweils beispielhaft ein Bike herausgesucht, das zudem im Vergleich zu den acht zumeist sündteuren Highend-Bikes aus dem Systemtest auch das Budget spürbar weniger belastet.

Hardtail: Radon Jealous (ab 2699 Euro)

Hersteller

Hardtails haben gegenüber Fullys in der Regel einen klaren Gewichtsvorteil (circa 1–1,5 Kilo), kosten weniger, sind direkter in Handling und Kraftübertragung sowie wartungsärmer und weniger pannenanfällig. Was nicht dran ist, geht eben nicht kaputt – auch das kann im Rennen entscheidend sein. Generell gilt, dass Hardtails auf allen Strecken ihre Stärken ausspielen, die lange Anstiege, aber geringen technischen Anspruch im Upund Downhill aufweisen. Das ist bei vielen deutschen Mittelgebirgs-Marathons, aber auch auf steilen Alpenrennen oft der Fall. Wer bergab sicherer unterwegs sein will, rüstet eine Vario-Stütze nach. Auch Tourenbiker*innen, die ihr Glück eher auf Schotterpisten denn auf Trails suchen, werden bei Bikes wie unserem mehrfachen Testsieger Radon Jealous fündig.

Cross-Country: Cube AMS Zero 99 C:68 X Race 29 (ab 4199 Euro)

Hersteller

Im Talschuss schlagen 100mmFullys die Hardtails klar, zumindest wenn es nicht über glatt gebügelte Schotterstrecken geht. Dabei sind sie obendrein komfortabler. Komfort? Ja, auch der kann auf der Rennstrecke entscheidend sein, vor allem bei Langstrecken oder Mehrtagesevents gilt es, die Muskulatur, so gut es geht, zu schonen. Auch anspruchsvolle Uphills rocken XC-Fullys meistens schneller als Hardtails, weil ihre Hinterbauten mehr Bodenkontakt und damit Traktion und Vortrieb generieren. Wer also einen schnellen Allrounder sucht, der auf sehr vielen Rennstrecken voll überzeugen kann, kommt an einem klassischsportlichen Cross-CountryFully wie etwa dem beliebten Cube AMS kaum vorbei.

Downcountry: Canyon Lux Trail (ab 4399 Euro)

Hersteller

Mehr Federweg im Vergleich zu klassischen Cross-Country-Fullys beschert den sogenannten DownCountryFullys auch mehr Souveränität auf technischen Tracks. Vor allem die typischerweise verbauten, stabileren Parts sorgen aber für rund ein Kilo mehr Gewicht. Dennoch scheinen sich die 120mmBikes zumindest bei den immer anspruchsvoller werdenden Strecken im Cross-Country-Weltcup durchzusetzen und die Zukunft des ganzen Segments zu werden. Im Hobbybereich bieten sich Bikes wie das Canyon Lux Trail für alle die an, die gerne bei sehr technisch anspruchsvollen Rennen starten – und da auch ein wenig Spaß haben wollen. Perfekt sind die Bikes aber selbst für Tourenfans, denen die aktuellen Trailbikes mit 130 mm Federweg schlicht zu schwer geworden sind. Und ab und an eine Startnummer an den Lenker zu zippen ist mit so einem Bike ja eh drin.