Mehr Power per Update: Bosch reagiert auf die neue Konkurrenz mit einem Software-Update für seinen Top-Motor. Schon einmal hatte der schwäbische E-Bike-Systemanbieter eine ähnliche Strategie gewählt: Beim Launch des CX-Motors der 4. Generation wurde zunächst ein reduziertes Drehmoment von 75 Newtonmetern kommuniziert, um später mit einem kostenlosen Update auf 85 Newtonmeter nachzulegen. Ziel damals: dem neuen Shimano-EP8-Motor die Stirn zu bieten.

• 100 Nm Drehmoment
• 400 Prozent Unterstützung
• 750 Watt Leistung
• 2,8 Kilo
Nun gibt es neue Konkurrenz im Drehmoment-Game. Die Treiber heißen nicht mehr Shimano, sondern Specialized und DJI, der Kamera-Drohnen- und Actioncam-Hersteller aus China. Mit der Vorstellung des Avinox-Motors auf der Eurobike 2024 sorgte DJI für reichlich Aufsehen. Dass es die Chinesen ernst meinen, zeigt nicht nur ihr durchdachtes, leichtes und starkes Motor-System, sondern auch die Einführung der eigenen Bike-Marke Amflow – bis vor Kurzem exklusiver Anbieter des neuen Antriebs.
Welche Marken nun noch alles auf den DJI setzen, lest ihr hier.

• 105/120 Nm Drehmoment
• 800 Prozent Unterstützung
• 850/1000 Watt Leistung
• 2,52 Kilo
Kein Wunder, denn die technischen Daten des Avinox-Motors lesen sich wie ein Paukenschlag. Werte, bei denen man sich fragt, ob man mit dem Bike auf öffentlichen Wegen überhaupt noch fahren darf.
Bosch reagierte auf die starke Konkurrenz im Herbst 2024 zunächst zurückhaltend. Der präsentierte CX-Motor der fünften Generation kam mit bekannten Leistungsdaten: 85 Nm Drehmoment, 340 Prozent maximale Unterstützung und eine Spitzenleistung von 600 Watt. Ganz offensichtlich wollte man der großen Zahl an E-Bikes mit CX-4-Motor, die noch im Handel auf ihren Abverkauf warteten, keine allzu große Konkurrenz machen.

Wer hat bei den beiden Motor-Giganten die Nase vorn?
Bosch unter Druck?
Nun jedoch folgt der große Knall: Im Juli veröffentlicht Bosch ein umfassendes Over-the-Air-Update, das sämtliche CX-Motoren der fünften Generation auf ein neues Niveau heben soll. Künftig stehen bis zu 100 Nm Drehmoment, 400 Prozent Unterstützung und Spitzenleistungen von bis zu 750 Watt zur Verfügung – per App aufspielbar. Parallel dazu stellt Bosch den CX-Race-Motor sowie das neue, ins Oberrohr integrierte Display Kiox 400C vor, das von vielen sehnsüchtig erwartet wurde.
Aber kann das neue Bosch-Update es mit dem DJI-Motor aufnehmen?
Für uns war sofort klar: Wir wollten wissen, wie sich der "neue alte" Bosch-Motor im direkten Vergleich zum aufstrebenden Konkurrenten DJI schlägt. Für unseren Vergleich standen drei Bikes bereit: ein M1-All-Mountain mit dem neuen Bosch-Update, ein Amflow PL Carbon mit DJI-Antrieb sowie ein Mondraker Crafty mit dem CX-Motor der fünften Generation und "alter" Software.
Da uns das Bosch-Testbike mit Software-Update nur kurz vor Redaktionsschluss und ohne App sowie den neuen E-MTB+-Modus zur Verfügung stand, sind die Vergleichsfahrten – trotz gestoppter Zeiten – lediglich als erste Einschätzung zu verstehen. Eindrücklich waren sie dennoch. Denn: Wer Testfahrer Julian Claudi kennt, weiß, dass er wie ein Uhrwerk fährt. Der Rennfahrer hat zudem ein erstaunliches Gespür am Pedal entwickelt und macht Unterschiede aus, die manchem Entwickler gar nicht bewusst sind. Aber genug der Lobhudelei – kommen wir zu seinen und den Eindrücken von Testchef Chris Pauls, der die Bikes auch ausgiebig vor Heftschluss fuhr.
Schon auf den ersten Metern zeigte sich deutlich: Das neue Bosch-Update sorgt für spürbar mehr Schub – besonders an mittelsteilen Anstiegen. Dennoch beachtlich: Tester Julian fuhr mit dem DJI-Motor die Bestzeit mit 1:32 Minuten, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 22,6 km/h entspricht. Mit Bosch-Motor mit Update benötigte er 1:48 Minuten (19,2 km/h), während er mit deralten Software auf 2:05 Minuten kam (16,6 km/h).

Der DJI-Motor beeindruckt mit brachialer Power und ist deutlich schneller im Ziel. Krass ist der starke Reifenabrieb am Hinterrad.
Unterstützung: Harmonisch oder brachial?
Der Puls von Julian blieb in allen Fällen konstant zwischen 140 und 145 – die Zeitunterschiede resultieren also eindeutig aus der Motorunterstützung. Damit wird klar, dass der DJI Avinox seine brachiale Power zu nutzen weiß. Die Unterstützung wirkt allerdings auch, als würde der Motor ständig am Limit laufen – zwar super kraftvoll, aber auch etwas "steril". In flachem Gelände erreicht man so schnell 25 km/h und tritt dann spürbar gegen einen Widerstand. Hier sollte man in einen niedrigeren Unterstützungsmodus schalten.
Der Bosch-Motor wirkt hier viel harmonischer, dynamischer. Die Unterstützung passte sich feiner dem Testerinput an und lässt sich besser dosieren – ein Vorteil, der sich vor allem auch auf technischen Passagen auszahlt.Besonders deutlich wurde der Unterschied auf einer anspruchsvollen Wurzelpassage im zweiten Testabschnitt "on Trail". Der DJI-Antrieb schob so kräftig an, dass Claudi mühelos einen Bunnyhop über die erste Wurzelstufe ziehen konnte – ein Move, den man sich im technischen Gelände erst mal trauen muss.
Der Bosch-Motor mit Update zog ebenfalls kraftvoll durch, war aber deutlich berechenbarer, während das Modell mit alter Software spürbar schwächer wirkte. Besonders praktisch beim Bosch-Motor: Selbst wenn man in einer Art Trial-Fahrt kurz rückwärts und dann wieder in die Pedale tritt, unterstützt der Motor fein dosiert und kontrollierbar weiter – ideal für technische Passagen. Beim DJI-Motor bricht die Unterstützung in solchen Momenten erst mal ab. Wer dann am Berg steht, muss erst eine komplette Umdrehung schaffen, um wieder in Fahrt zu kommen – ein echtes Handicap in technischem Gelände.
Auch in Sachen Akustik unterscheiden sich die Systeme: Während Bosch seinen Schub hörbar ankündigt, bleibt DJI fast geräuschlos – was das präzise Timing in manchen Fahrsituationen erschwert. Ein Punkt, der auch im Alltag, aber vor allem bei Renneinsätzen nicht ganz unwichtig ist: Bei niedriger Akkukapazität lässt die Unterstützung beim Bosch spürbar nach. Ab 20 Prozent Rest-Akku fällt die Leistung ab, ab 15 Prozent nochmals deutlich. Der DJI hingegen liefert gefühlt bis fünf oder zehn Prozent Restkapazität nahezu volle Leistung.
Akku-Management und Leistungsabfall
Und wie steht es um die Reichweite? Klar ist: Mehr Leistung bedeutet auch mehr Energiehunger. Einen direkten Reichweitenvergleich konnten wir noch nicht durchführen. Bei einer früheren Testrunde ohne das neue Bosch-Update erzielte Julian mit dem DJI-Antrieb im Boost-Mode rund 1400 Höhenmeter, während er mit dem Bosch-Motor (85 Nm) im Turbo-Modus etwa 1500 Höhenmeter schaffte – jeweils mit einem 800-Wh-Akku.

Bosch weiß wieder mal mit Maß zu überzeugen – trotz Power-Update bleibt der Motor perfekt und harmonisch dosierbar.
In Sachen Hardware macht der Avinox einen modernen Eindruck: Es gibt zwei schlanke Remotes, das Display ist übersichtlich, per Touch bedienbar und farblich schön codiert mit allerhand grafischen Gimmicks. Allerdings ist es bei schnellen Passagen schlecht ablesbar – da der Blick weit runter auf das Oberrohr wandern muss. Das Bosch-Display (in unserem Fall das Purion 200) war einfacher abzulesen, da besser positioniert. Das neue Bosch-Oberrohr-Display konnten wir indes noch nicht testen.
Was sagt der Gesetzgeber?
Doch mal einen Schritt zurück: Wie kann es eigentlich sein, dass wir mittlerweile mit Motoren unterwegs sind, die Spitzenleistungen von bis zu 1000 Watt erreichen – obwohl in Europa doch eine gesetzliche Begrenzung von 250 Watt gilt? Die Antwort: Die vielzitierte 250-Watt-Grenze bezieht sich auf die sogenannte Dauer-Nennleistung.
Sie legt fest, welche Leistung ein Motor dauerhaft abgeben darf, ohne zu überhitzen oder Schaden zu nehmen. Die Hersteller müssen dabei sicherstellen, dass eine bestimmte Betriebstemperatur nicht überschritten wird – und genau hier entsteht Spielraum. Die Motoren dürfen kurzfristig deutlich mehr Leistung abrufen, solange sie nicht zu heiß werden. Diese Regelung ist nicht neu, wurde lange Zeit aber eher zurückhaltend kommuniziert. Man wollte wohl keine regulatorischen Debatten anstoßen.
Aktuell liegt jedoch ein Vorschlag des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) für eine neue Regelung in Brüssel vor, der genau hier ansetzen will. Beim Think Tank des E-MOUNTAINBIKE-Magazins sprach sich Bosch-CEO Claus Fleischer für diese Regelung aus. So solle künftig eine Spitzenleistung von 750 Watt erlaubt sein, eine maximale Unterstützung von 400 Prozent – und in Sachen Drehmoment? Da ist man sich noch nicht einig. Beim Workshop im Rahmen des Think Tanks wurde lebhaft diskutiert, ob eine Leistungsregulierung nicht auch zum Innovationshemmnis werden könnte