Wilde Tiere, atemberaubende Landschaften und die besten Trails der Welt. Für viele ist Biken in den steppenartigen Weiten Kaliforniens oder in den tiefen Wäldern der Rocky Mountains immer noch einer der großen Bergrad-Träume. Kein Handy-Empfang, aber dafür eine MTB-Infrastruktur, wie man sie in Europa immer noch nur ganz selten findet. Dazu kommt dieser einzigartige Spirit: Biken in den USA ist eben auch Biken in der Geburtsstätte dieses fantastischen Sports.
Kurze Übersicht
Born in the USA
Die Geschichten der Urväter des Mountainbikens, die sich in den 70er-Jahren am Mount Tamalpais, im kalifornischen Bezirk Marin County, trafen, wurden oft erzählt. Tom Ritchey, Joe Breeze, Charlie Kelly oder Gary Fisher waren zumeist semiprofessionelle Rennradfahrer, die sich den Zwängen des Straßenradsports nicht mehr unterwerfen wollten. Sie wollten frei sein – und stürzten sich mit umgebauten Beach-Cruisern die sonnenverbrannten Hügel herunter. Fortan entwickelten sie in den 80er-Jahren die ersten Mountainbikes. Born in the USA.

Seither hat sich einiges jenseits und diesseits des Atlantiks getan. Fast alle der zuvor genannten Legenden haben ihre eigenen Bike-Marken längst aufgeben oder an größere Firmen verkaufen müssen. Bikes haben sich rasant weiterentwickelt. Carbon ist das Material der Wahl, ohne ein Fully geht heute fast keiner mehr ins Gelände. Und auch die (angelegten) Trails haben sich weiterentwickelt. Viele erinnern heute von ihrer Bauart her fast schon an Rodelbahnen. Bei diesem Thema sind uns die Amerikaner immer noch ein gutes Stück voraus. Unzählige Trailcenter sind quer über das Land verteilt. Ob an der Ostküste in North Carolina, im Wüstenstädtchen Moab oder am Pazifik.
Meist geht es im Trailcenter darum, einen "Loop" zu fahren, dabei bergauf wie bergab auf schmalen Pfaden zu biken. Das ist bei uns in den Mittelgebirgen oder Alpen eher selten, wo zumeist Schotter- oder Asphaltstraßen zum Uphill genutzt werden. Genutzt werden müssen. Dass sich aus den Begebenheiten auch unterschiedliche Ansätze beim Entwickeln der Bikes ergeben, ist logisch.
US-Biker nutzen zum Beispiel kaum bis selten einen Lockout. Auf Trails bergauf ist dieser halt unnötig. Auch schwören die "Amis" in der Regel auf sehr abfahrtslastige Geometrien, auch weil die Bergauffahrten meistens viel kürzer als etwa in den Alpen sind – da stört eine nicht ganz optimale Pedalierposition zum Beispiel weniger. Was übrigens auch fürs Gewicht gilt. Grammfeilschereien sind jenseits des großen Teiches unbekannt.

Aber es gibt auch eine echte "Downside", wie der Amerikaner so schön zur Schattenseite sagt. US-Bikes sind teuer. Sehr teuer, wenn nicht sogar sauteuer. Zum einen lassen sich die US-Marken, die es teils seit Jahrzehnten gibt, ihren Markennamen gut bezahlen. Zum anderen legen die US-Brands viel Wert auf komplexe Entwicklungsarbeit mit oft eigenständigen, kostspieligen Lösungen, die sonst kein anderes Bike auf dem Planeten bietet. Dazu gibt es viele "technische" Gründe, wie die Importzölle und dass Rahmen und Bauteile quer über den Globus verschickt werden müssen, bis sie bei uns in Deutschland ankommen – siehe auch das Interview mit Santa-Cruz-Mann Sebastian Tegtmeier. Mittlerweile rufen die Hersteller zum Teil weit mehr als 10 000 Euro für ein Bike auf. Letztendlich ist der hohe Preis aber wohl auch ein Grund für die Begehrtheit: Für viele Mountainbiker ist ein US-Bike eben ein Statussymbol. Bei Trek und Intense gab es in der jüngsten Vergangenheit aber auch Preissenkungen. Bei Intense gelang dies beispielsweise durch die Umstellung auf den Direktvertrieb.
Preise bis 10 000 Euro
In unserem Test setzten wir den Herstellern preislich eine grobe Orientierung von 8000 Euro. Den Einstieg macht das Kona Process 134 CR/DL 29 für 6499 Euro. Dann kommen das Specialized Stumpjumper ST in der Sonderedition Downieville sowie das Intense Primer Elite Build für je 6999 Euro. 500 Euro mehr kostet das neue Trek Fuel EX 9.9. Yeti checkt das SB130 T2 für stolze 8090 Euro ein, für das Santa Cruz Tallboy CC werden sogar 8399 Euro fällig. Ibis schießt mit dem Ripley 4 für fast 10000 Euro den Vogel ab. Einen Mehrwert bieten viele der US-Hersteller übrigens durch großzügige Garantie-Zeiträume. Santa Cruz, Specialized, Trek sowie Yeti bieten sogar eine lebenslange Garantie für den Erstkäufer. Zum Teil auch auf die eigenen Carbon-Laufräder (wie bei Santa Cruz, Specialized und Trek). Ibis bietet sieben Jahre, Intense fünf und nur Kona lediglich drei Jahre. Da ein Garantiefall aber nur dann eintritt, wenn nachweislich ein konstruktiver Mangel vorliegt, bieten viele Hersteller zusätzlich ein Crash-Replacement an. US-Trailbike – was ist das? Zurück zur Frage, was ein US-Trailbike ausmacht. Das Geländeprofil, auf dem es "performen" muss, haben wir ja bereits beschrieben. Dazu sind Federwege um die 130 mm optimal. Bei den Gabeln geht der Federweg aber sogar hoch bis zu 150 mm (Yeti). Zudem setzen Specialized, Trek und Yeti auf stabile Enduro-Gabeln und erweitern damit den Einsatzbereich des Trailbikes. Löblich ist, dass fast alle US-Bikes mittlerweile mit top Bremsanlagen und großen Scheiben bestückt sind – das war früher anders. Natürlich bekommt man in dieser Preisklasse einen Hauptrahmen samt Hinterbau aus Carbon. In Sachen Schaltung verbauen alle Hersteller solide Oberklassenkost, aber kein Highend – dafür muss man noch tiefer in die Tasche greifen.
Einen wesentlichen Anteil am Fun-Faktor hat die Geometrie. Hier sind die US-Bikes wegweisend. Flacher 66°-Lenkwinkel, langer Reach, tiefes Sitzrohr, sodass die lange Vario-Sattelstütze Platz hat – alles Merkmale, die zur Geltung kommen, wenn es auf dem Trail zur Sache geht. Bergauf wiederum sorgen steile Sitzwinkel für effizientes Pedalieren.

Und was ist mit dem Gewicht? Das scheinen die Amis in der Tat zu vernachlässigen. Zwar wiegt das Ibis keine 12 Kilo, der Rest liegt jedoch zwischen 13 und 14 Kilo (Kona). Nicht gerade wenig gemessen am Preis. Wichtiger als ein geringes Gewicht ist den US-Brands eben die Fahrdynamik, weswegen griffige, aber auch schwere Reifen bei fast allen Bikes ein "Must" sind.
Das beste Allround-Paket lieferte uns in diesem Test das neue Trek Fuel EX ab. Mit vielen smarten Details, moderner Geometrie und mächtiger Potenz dank dicker Enduro-Gabel rockt es den Trail. Doch auch die Kultbikes von Santa Cruz und Yeti schneiden überragend ab. Insgesamt gilt in diesem Test: Die erwähnten Schwächen der meisten Bikes sind eher als Schönheitsmakel zu verstehen.
Die Trailbike-Highlights
An den edlen, teuren US-Trailbikes gibt es unzählige tolle Details. Wir haben hier fünf herausgepickt, die uns besonders gut gefallen haben.






Alle unsere Biketests bauen auf einem durchdachten Punkteschema auf, das alle wichtigen Fahreigenschaften und Kategorien umfasst. Knapp ein Drittel der Gesamtnote steuern Laborerhebungen wie Gewicht, Verarbeitung und Ausstattung bei. Hauptsächlich ergibt sich die Note aber aus Kategorien wie dem Handling, der Vortriebseffizienz, der Bergab-Performance und dem Fahrwerk. Um einen Eindruck von den Fahreigenschaften zu gewinnen, fahren vier Tester die Bikes auf einer selektiven Teststrecke und notieren nach jeder Runde ihre Bewertungen. Die Gewichtung der Kategorie passen wir an die Bike-Gattung an. Die Trailbikes im Test müssen zum Beispiel besonders ausgewogene Uphill- und Downhill-Eigenschaften aufweisen. Bei maximal 1000 Punkten ist das Bike mit den meisten Zählern logischerweise Testsieger.
Das Spinnennetz ...
zeigt, wo die Stärken und Schwächen des Bikes in Relation zum Testumfeld liegen. Je größer der Ausschlag in einer der acht Kategorien, desto prägender der jeweilige Charakterzug. Ein Allrounder weist rundum eine große Fläche, ein Spezialist eine verschobene Grafik auf. Die jeweiligen Eigenschaften wie Up- oder Downhill sind meist gegensätzlich angeordnet. So sehen Sie auf einen Blick, welche Stärken das Bike besitzt. Die Grafik unten rechts zeigt ein eher abfahrtslastiges Bike mit potentem Fahrwerk, weniger wuseligem Handling und zähem Antritt.
Uphill/Vortrieb: Passt die Traktion? Steigt die Front? Ist die Sitzposition im steilen Anstieg optimal? Ein niedriges Gewicht steigert den Ausschlag im Profil ebenso wie leichte Laufräder und rollfreudige Reifenprofile.
Downhill: Ein sicheres Handling ist elementar, damit ein Bike bergab gut performt. Die Abfahrtspotenz ist aber auch vom Fahrwerk abhängig. Arbeitet es feinfühlig und schluckfreudig, kommt das Bike souveräner durch ruppiges Gelände. Parts wie das Charakter Das Spinnennetzdiagramm visualisiert den Charakter des jeweiligen Bikes. Auf einen Blick lässt sich erfassen, ob das Bike zu Ihren Anforderungen passt. Uphill/Vortrieb Ausstattung Laufruhe Robustheit Downhill Rahmen/ Fahrwerk Geringes Gewicht Wendigkeit Cockpit, die Reifen oder die Bremsen beeinflussen die Abfahrtsleistung ebenfalls.
Ausstattung: Sie umfasst nicht die Federelemente, aber die Bremsen, Schaltung, den Antrieb, die Laufräder, die Reifen sowie Anbauteile wie Sattel, Griffe, Cockpit. Aber wir bewerten auch gelungene und innovative Detaillösungen.
Rahmen/Fahrwerk: Ein top gemachter Rahmen ist die Basis für das perfekte Bike. Wir bewerten ihn in Kombination mit dem Fahrwerk und den Federelementen als Ganzes.
Laufruhe: Hohe Spurtreue bringt Fahrsicherheit und Präzision speziell im Downhill. Sie kann aber ins Träge kippen, wenn der Profiler bei der Wendigkeit einen geringen Ausschlag zeigt.
Wendigkeit: Je wendiger ein Bike, desto agiler, spielerischer lässt es sich bewegen. Es lässt aber auf Nervosität in ruppigem Gelände schließen, wenn der Profiler nur in diese Richtung ausschlägt und bei der Laufruhe kaum.
Robustheit: Liegt der Fokus bei Rahmen und Parts weniger auf Leichtbau, sondern auf Solidität, steigt der Ausschlag der Grafik. Der Gegenpart ist Leichtbau.
Geringes Gewicht: Ein niedriges Gesamtgewicht steht in der Regel für ein spritziges, leichtfüßiges, in der Ebene wie im Uphill ausgezeichnetes Bike.