Red Bull Rampage 2025:Wird der Gravity-Sport zu gefährlich?

Meinung: Red Bull Rampage 2025
Wird der Gravity-Sport zu gefährlich?

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 21.10.2025
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Tom Van Steenbergen
Foto: www.redbullmediahouse.com

Ein Rookie gewinnt, der Jubel ist groß – doch die Bilder vom Rampage-Finale der Männer bleiben zwiespältig: viele Crashs, zwei Athleten per Heli raus, daneben Begeisterung über beispiellose Tricks. Genau dieses Spannungsfeld treibt den Gravity-Sport voran – und treibt ihn zugleich an seine Grenzen. Im Mountainbike gilt nicht erst seit gestern das Motto: höher, schneller, weiter. Fahrer*innen wollen immer noch ein Stück weiter hinaus, noch größere Drops stehen, noch technischere Lines meistern. Doch dieser Drang nach immer extremeren Leistungen hat seinen Preis. Zwar gehören Stürze und Verletzungen zum Mountainbiken dazu – aber muss es wirklich immer so extrem sein?

Ein System, das Risiko belohnt

Die Ereignisse der Red Bull Rampage 2025 führen diese Frage drastisch vor Augen. Wenn Sprünge wie der Double Drop des Siegers Hayden Zablotny mit Höchstwertungen belohnt werden, verschieben sich die Grenzen des Machbaren fast automatisch weiter. Ein System, das Spektakel honoriert, produziert zwangsläufig Athlet*innen, die bereit sind, alles zu riskieren. Die Folge: Bilder, die um die Welt gehen – und Verletzungslisten, die erschrecken.

Hardline zeigt: Die Grenzen sind erreicht

Diese Entwicklung ist kein Einzelfall. Auch die Red Bull Hardline zeigt Jahr für Jahr, wie hoch das Risiko mittlerweile ist. Als bei der Hardline in Wales 2024 das neue Feature vorgestellt wurde, reichten die Reaktionen von Begeisterung bis blankem Entsetzen: Eine rund 20 Meter langes Gap über eine Schlucht, über die die Fahrer per Rampe katapultiert werden. Schnell war klar: Dieses Hindernis hat ernsthafte Konsequenzen. Tatsächlich stürzte Jim Monro beim Training schwer. Dass er "nur" mit einer Gehirnerschütterung davonkam, grenzt an ein Wunder. Ein Raunen, Schock und massive Kritik gingen durch die Szene – das River Gap wurde schließlich aus dem Rennen gestrichen.

Auch der Weltcup steht unter Druck

Und selbst der UCI Mountainbike World Cup, der sich stärker reguliert gibt, ringt mit der Gratwanderung zwischen Sicherheit und Spektakel. Auch hier werden die Kurse immer gefährlicher und schneller, um den Zuschauenden eine "gute Show" bieten zu können und den Sport interessanter zu machen.

Die entscheidende Frage lautet: Wie weit darf dieser Drang nach dem "Next Level" noch gehen, bevor die Spirale außer Kontrolle gerät?

Stimmen aus der Redaktion

Nicht nur in der Szene wird hitzig diskutiert – auch bei uns in der Redaktion sorgt die diesjährige Red Bull Rampage 2025 für Gesprächsstoff. Drei Redakteur*innen teilen ihre persönlichen Eindrücke, Gedanken und Sorgen rund um die Entwicklung des Gravity-Sports.

Chris Pauls
MOUNTAINBIKE-Redaktionsleiter

Ich hab mir die Rampage natürlich wieder angeschaut – wie jedes Jahr, mit schwitzigen Händen und Herzklopfen auf der Couch. Was Cam Zink da mit 39 Jahren noch raushaut, ist einfach Wahnsinn – und irgendwie auch berührend, wenn unten seine Familie steht, Kinder mit Tränen in den Augen, pure Erleichterung, dass alles gut ging. Rampage ist und bleibt Nervenkitzel pur – das kann man nicht wegdiskutieren. Aber: Wie weit soll’s noch gehen? Ein Double-Backflip-Drop als "Next Level"? Ich weiß nicht. Wenn man dann sieht, wie sich Fahrer wie Adolf Silva schwer verletzen oder Emil Johansson beim Trick-Feuerwerk im exponierten Gelände fast komplett abfliegt, wird einem schon anders. Ich find ja, dass die Frauen am Freitag gezeigt haben, dass es auch anders geht. Keine Competition um den härtesten Trick, sondern ehrliche Begeisterung füreinander. Das war schön zu sehen – und ehrlich gesagt auch viel angenehmer, wenn man mit den eigenen Kids zu Hause sitzt und zuschaut. Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn es bei der Männer-Rampage auch etwas entspannter zuginge. Schließlich nennt sich das Ganze ja Freeride – und da geht’s um den Spirit, nicht darum, das nächste große Ding zu zeigen. Sonst endet das irgendwann mal richtig böse.

Binzenhöfer
Katharina Binzenhöfer
MOUNTAINBIKE-Redakteurin

Ich verpasse selten ein Gravity-Event. Klar, dass auch die Red Bull Rampage längst einen festen Platz in meinem Kalender hat. Das Event ist ja längst mehr als nur der Contest-Tag selbst. Schon Tage zuvor verfolge ich alles rund ums Event: Vlogs, Digging-Videos, Instagram-Reels – fast stündlich gibt es neue Eindrücke aus Virgin, Utah. Was gestern im Livestream der Männer zu sehen war, war allerdings selbst für mich als eingefleischter Gravity-Fan schwer zu verdauen. Die Grenzen zwischen Fortschritt, Wahnsinn und Verantwortung verschwimmen zusehends. Wenn eine Jury Sprünge wie den Double Drop aus dem Startgate vom späteren Sieger Hayden Zablotny oder den Caveman Drop des Drittplatzierten Tom van Steenbergen mit Top-Scores belohnt, stellt sich eine Frage: Was bleibt den Athletinnen anderes übrig, als die Grenzen des Machbaren erneut zu verschieben – mit allen dazugehörigen Risiken? Und was bleibt der Jury anderes übrig, als genau diese Tricks herausragend zu bewerten? Genau davon lebt das Event – und genau das zieht jedes Jahr abertausende Fans und Schaulustige an. Doch die Konsequenzen sind real – und oft brutal. Im Übrigen gilt diese hohe Risikobereitschaft auch für die Frauen. Im Livestream wirkte vieles kontrolliert, fast schon "safe". Doch der Schein trügt: Fünf der zwölf Fahrerinnen konnten am Eventtag nicht antreten – verletzt im Training. Die Liste der Verletzungen liest sich wie ein Kapitel aus einem medizinischen Fachbuch: Casey Brown – Tibiakopfbruch, Vaea Verbeeck – Schlüsselbeinbruch, zwei Rippenbrüche und ein Lungenkollaps. Dazu schwere Stürze bei Haz Burbidge-Smith, CJ Selig und Chelsea Kimball. Die Quintessenz? Solange extreme Risikobereitschaft belohnt wird – sei es durch Jury-Scores oder Videoklicks –, werden Athlet*innen alles daransetzen, neue Maßstäbe zu setzen. Die Rampage lebt vom Nervenkitzel. Natürlich stelle auch ich mir als Fan dann auch die Frage: Um welchen Preis?

Christian Zimek
MOUNTAINBIKE-Redakteur

Völlig verrückt! So wird unser Sport in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen und Mitschuld daran tragen Events wie Rampage und Hardline sowie der Reigen an Social-Media-Videos mit krassen Stunts. Doch mit dem Biken, wie es jeder täglich oder wochenendlich erlebt, hat das nicht viel zu tun. Die wenigsten unter uns sind nun mal Hardcore-Biker*innen. Zwar sind die Gravity-Stars genannter Events in der Regel relativ kühle Köpfe und keine Hasardeure, die vor "Cochones" kaum laufen können. Der Zwang, sich stetig überbieten zu müssen, ist dennoch da. Und mächtig. Wer Instagram und Co. aufmerksam verfolgt, kann dann jedes Jahr namhafte Stars bei der Genesung nach lebensgefährlichen Crashs und Operationen "bewundern". Doch diese Fakten werden kaum thematisiert, die Realität dadurch gefährlich verzerrt. Das Resultat sind hunderte Namenlose, die sich jedes Jahr auf den Trails zerlegen, weil sie den Mensch im Spiegel mit einem hochspezialisierten Profi-Athleten verwechseln. Ein bisschen mehr Mut zur Lücke statt des Muts zum größten Gap täten dem Gravity-Sport gut. Denn diese Entwicklung hat erst ihr Ende, wenn das "höher, weiter, steiler" dazu führt, dass eines Tages ein Sportler oder eine Sportlerin vor laufender Kamera stirbt.

Community Meinung: Was meint ihr?

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