Tarran T1 Pro im Test: Ist dieses Lastenrad der ideale Autoersatz?

Tarran T1 Pro
Das Lastenrad mit Stützrädern im Härtetest!

Veröffentlicht am 20.07.2025

Sie gelten als Autoersatz, sind veritable Lademeister und für viele Nichtradfahrer echte Hassobjekte: Lastenräder. Mit dem in China entwickelten, vom Designbüro Kiska designten T1 Pro will Tarran das modernste und zugleich abgefahrenste Lastenrad der Welt sein – und die Eckdaten untermauern das eindrucksvoll:

Kurz & knapp: Tarran T1 Pro

  • E-Lastenrad mit eigenem 100-Nm-Motor
  • 708-Wh-Akku, optional Doppel-Akku
  • großes Zentraldisplay, "Key Card", Wegfahrsperre
  • Stützräder und Parkständer auf Knopfdruck
  • massige Zuladung: 220 Kilo (65 Kilo Wanne, 27 Kilo Heck)
  • vollgefederter Alu-Rahmen
  • Blinker, Abblend- & Fernlicht, Heckradar
  • drei Kameras mit Video- und Foto-Funktion
  • ab 6999 Euro, nur Online erhältlich

Das T1 Pro: Playstation am Lenker

Das Tarran T1 Pro Lastenrad im Detail!
Moritz Schwertner // www.moritzschwertner.de

Das Tarran ist vollgestopft mit allerlei Technik-Leckerbissen. Gestartet wird das Lastenrad per Schlüsselkarte. Diese hält man einfach an die NFC-Schnittstelle auf dem Oberrohr, mit einem freundlichen "Biep!" fährt das Tarran dann hoch. Das geht recht flott, das zentrale "Retina Display" auf dem Lenker ist dabei knackscharf, kontrastreich, ausreichend hell und zum Diebstahlschutz abnehmbar. Auffallend ist die moderne, aber etwas verschachtelte Bedienoberfläche – richtig intuitiv lässt sich die TarranOS getaufte Software nicht bedienen, man fuchst sich mit der Zeit aber rein.

Die Software wird dabei vorrangig per Finger bedient, Motor-Modi, Stützräder und Co. steuert man klassisch per eher vollgestopftem Bedienteil. Eine analoge Klingel gibt es nicht, stattdessen setzt Tarran auf einen Lautsprecher mit digitalem "Ding"-Ton aus der Dose. Unser Modell konnte nicht per Display navigieren, das entsprechende Icon war bei meinem Testrad zwar bereits vorhanden, startete aber mit dem Hinweis "Coming Soon" nicht. Die Musikfunktion per Bluetooth vom Handy funktionierte aber gut, auch sonst wirkte die Software auf unseren Testkilometern ausgereift, lief problemlos und flott.

Als Highlight verbaut Tarran nicht eine, nicht zwei, sondern gleich drei Kameras. Eine für die Front, eine für das Heck und eine in der Wanne für Selfies mit dem Ladegut oder den zu transportierenden Kindern. Genial dabei: Die Auflösung ist vom Bildschirm ausgehend hervorragend und wirkt wie von einer GoPro – und löst mit Full-HD sogar besser auf, als in manchen modernen Autos. Selbst das Sichtfeld fällt mit 180 Grad breit aus und schafft Übersicht. Dank internem Speicher können die Kameras als Dashcam genutzt werden, insgesamt stehen etwas mehr als 100 Gigabyte zur Verfügung. Im Rücklicht steckt zudem ein Radar, per Einblendung auf dem Display warnt es dich vor rückwärtigem Verkehr, selbst als Spurwechsel-Assistent eignet es sich.

Damit wären wir noch immer nicht am Ende: Vorn umschließt die Wanne ein LED-Tagfahrlicht, flankiert wird dieses von je Abbiegelichtern – die sich am Rücken der Wanne in breiterer Form sogar wiederholen und als Lichtband durchlaufen wie bei modernen Autos. Damit wäre das Tarran das erste uns bekannte Lastenrad, das auf Blinker ab Werk setzt.

Logisch: Digitaler Diebstahlschutz samt Alarmanlage, eine schick gestylte App und großzügige Beleuchtung mit Fernlichtfunktion für die Doppelscheinwerfer vorn runden das Gesamtpaket ab. Kurzum: Was Technikfinessen anbelangt, wäre mir kein anderes Lastenrad bekannt, das so viele Features bietet.

Alltagsbesorgungen: Wanne voll und auf zur Deponie!

Das Tarran T1 Pro Lastenrad im Alltagstest!
Moritz Schwertner // www.moritzschwertner.de

Doch genug der Technik-Theorie und rein mit dem Unrat! Je zehn Kilo Elektroschrott und Altkleider plus fünf Kilo Altpapier laden gestapelt in der Tarran-Wanne. Mit meinem Rucksack, einer kleinen Kameratasche und einem Schloss kommen nochmals rund drei Kilo obendrauf. Summa summarum sind das mit meinen gut 100 Kilo "Lebendgewicht" rund 128 Kilo Zuladung. Theoretisch ginge noch mehr, Tarran gibt die Front für satte 65 Kilo frei, das Heck darf übliche 27 Kilo schleppen. Insgesamt dürfen laut Hersteller sagenhafte 220 Kilo geladen werden. Das muss man nicht nur wollen, sondern auch unabhängig von der Tragkraft handeln können – für den Alltagstest belassen wir es bei den Angaben von zuvor.

Aufgesattelt und losgerollt: Zunächst muss ich unter der kleinen Pergola hinter dem Haus herauskriechen. Auf Tastendruck und untermalt mit lustigen, reichlich technisch klingenden Surr-Geräuschen fährt sich erst der Hauptständer ein, dann nach erneutem Tastendruck die kleinen Stützräder. Kann also losgehen! Die ersten Meter fühlen sich – nicht untypisch für Lastenräder – etwas kippelig an. Der Radstand rangiert mit 1,7 Metern auf Niveau eines älteren Smart ForTwo oder einer Holda Goldwing – für Fahrradverhältnisse ist der Wert natürlich noch extremer. "Normal" sind hingegen die bei Lastenrädern beliebte 20-Zoll-Bereifung, sie machen machen das Tarran wuseliger, als man annehmen würde.

Auf der Straße rollt das Tarran manierlich. Die Lenkimpulse werden ohne spürbare Verzögerung an die Front weitergegeben, die Straßenlage ist schon alleine des Gewichts wegen sehr satt. Aus meiner kleinen Nebenstraße heraus manövriert, biege ich auf die Hauptstraße auf. Löblich sind die vorne und hinten an der Wanne integrierten Blinker, die Bedienung per Tastendruck schaltet manchmal aber die Kameras um, der Drehregler liegt auf demselben Knopf. Dennoch: Gepaart mit dem gut funktionierenden Radar vermittelt das Tarran eine gehörige Portion Sicherheit. Nach Rücksprache mit anderen, überaus neugierigen Verkehrsteilnehmern, kommen die selbst bei direkter Sonneneinstrahlung gut sichtbaren Blinker richtig gut an.

Und die Stützräder? Fahren auf Knopfdruck ab einer im Display einstellbaren Geschwindigkeitsschwelle (beim Testrad 8 km/h) halb-automatisch aus. Je nach Zuladung und Fahrerfahrung kann das ein echter Gamechanger sein, bei den oft eher welligen Straßen empfand ich das Feature aber als nicht zwingend nötig. Zum einen, weil das Tarran an der Ampel gerne mal etwas schief auf den Rädern steht (was aufgrund der schlechten Straßen nicht zwingend seine Schuld ist!), zum anderen, weil das Hochklappen manchmal etwas zu lange dauert und den Geradeauslauf im Eifer des Gefechts gehörig einschränkt. Denn sind die Räder beim Losfahren nicht direkt wieder eingeklappt, fährt man gnadenlos geradeaus. Am Ende muss man das "Killer-Feature" des Tarran selbst erfahren – in meinem Nutzungsszenario habe ich es seltener genutzt, als ich anfangs dachte. Anders der Hauptständer: Den habe ich bei jedem Stopp direkt ausgefahren. Das geht ausreichend flott, das Tarran steht Erdbebenfest auf dem Parkplatz und ist so stressfrei beladbar – und in meinen Augen damit mehr als nur ein Gimmick.

Das Tarran T1 Pro Lastenrad im Detail!
Moritz Schwertner // www.moritzschwertner.de

Meinen Trip von der Wohnung zur Deponie, ins Einkaufszentrum und wieder zurück meistere ich indes stressfrei – und ohne nennenswerte Vorkommnisse. Der Motor schiebt im städtischen Szenario prima vorwärts, der Turbo-Modus hat selbst voll beladen spürbar mehr Dampf, als der "STD" genannte Standard-Modus. Die Enviolo-Nabenschaltung funktioniert einmal mehr hervorragend, für sauberes Schalten sollte man aber kurz aufhören zu treten. Klar: Durch den massiven Radstand braucht das Lastenrad natürlich Führung und eine sichere Hand, als schweißtreibend empfand ich die Fahrt trotz sommerlicher Außentemperaturen jedoch nicht. Dafür aber umso bequemer: Der Rahmen ist per Stahlfeder vollgefedert, die kleine Gabel in der Front macht auch einen guten Job. Die Sattelstütze ist zudem per Griff in der Höhe verstellbar und erleichtert somit das Aufsteigen.

Der Ritt in die Abendsonne: Picknick in den Weinbergen

Das Tarran T1 Pro Lastenrad im Alltagstest!
Moritz Schwertner // www.moritzschwertner.de

Kurz in die Küche, Salat zusammen geschnibbelt, Picknickdecke, Kissen und Getränke eingeladen und hoch in Richtung Weinberge. Zugegeben: Das ist nicht das anvisierte Terrain des T1 Pro, mit einer Steigung von durchschnittlich acht Prozent sollte man das Gewicht stressfrei handeln können – das gilt auf- wie abwärts. Statt zuvor 28 Kilo lagern nun keine zehn Kilo in der Wanne. Ein Nachteil ist das für die Strecke aber nicht, das Tarran fährt erstaunlich gut den Berg hinauf. Klar: Mit 65 Kilo ohne Zuladung ist das Rad alles, nur kein Rennrad. Aber hier kann der eigens entwickelte Motor mal zeigen, woraus er gemacht ist. Gemächlich schiebt man sich so die Weinstraße hinauf, der Mittelmotor bleibt trotz Schwerstanstrengung beinahe lautlos. Und oben angekommen, parkt das Rad einfach sicher am Wegesrand, während ich mit meiner Frau die Decke ausbreite. Normalerweise hätte ich für so einen Spontantrip zwei Touren-Räder gesattelt oder gar das Auto genommen, stattdessen steht (sehr zur Verwunderung einiger Spaziergänger) ein für sie riesiges Lastenrad am Wegesrand. Das Tarran T1 Pro ist ein echter Gesprächs-Magnet, man wird entweder verwundert angesehen oder gleich direkt drauf angesprochen.

Aber ist das Rad auch im Talschuss sicher? Nachdem die Sonne untergegangen ist, versuche ich den Weg zur Wohnung hinab die Bremsscheiben zum Glühen zu bringen. Mit rund 55 km/h fällt das T1 Pro den Berg hinab – in der Gewichtsklasse gleicht das der Geschwindigkeit eines Kometen. Das hat die TRP-Bremsanlage aber gut im Griff – zwei direkt aufeinander folgende Vollbremsungen schüttelt sie so ab. Und das trotz eher kleinen 180er-Bremsscheiben vorn wie hinten. Wessen Einsatzzweck so aussieht, sollte über 200er-Scheiben nachdenken. Zu kritteln habe ich an der Leistung indes nichts, den Extremtest hat es sang- und klanglos und ich zur Freude der Berufsgenossenschaft schadenfrei überstanden.

Moritz Schwertner, Redakteur BikeX
Moritz Schwertner
BikeX-Redakteur & Lastenrad-Neuling

👍 Das gefällt

  • starker Motor, Doppel-Akku-Option
  • tolles, sehr futuristisches Infotainment
  • Blinker, Fernlicht, Radar – alles Serie
  • gute Verarbeitung, praxisnahe Zuladung
  • tadellose Fahrleistungen
  • tadellos funktionierende "Park-Position"
  • in Summe seiner Teile preiswert ...

👎 Das weniger

  • ... mit ab 7000 Euro aber beileibe nicht erschwinglich
  • mit 65 Kilo Eigengewicht sehr schwer
  • Fahren braucht Übung
  • Stützräder eher Gimmick denn echter Nutzen

💗 Das perfekte Rad für ...

  • Lastenbeförderer mit Freude an Technik