Darf man so einen Text anfangen? Mit einer Beurteilung von Äußerlichkeiten? Geht das noch – im Jahr 2021? Und dann gleich eine negative Schlussfolgerung dem geneigten Leser vor die Augen und damit ins Gehirn reinschreiben? Tiefeinsteiger gleich langweilig! Sollte man nicht. Auch wenn diese zitierte Gleichung wohl viele Jahre aufging. Doch Cannondale, so scheint es, will mit seiner neuen E-Bike-Plattform Adventure Neo den Gegenbeweis antreten.
Zum ersten Praxistest schickt Cannondale direkt das Top-Modell Cannondale Adventure Neo 1 EQ ins Rennen und mir ins Homeoffice. In Zeiten von Lockdown, Kita in den eigenen vier Wänden und einer Wetterlage, die der Umschreibung weder Fisch noch Fleisch schmeichelt, käme ein wenig Abenteuer gerade recht.
Cannondale Adventure Neo 1 EQ: der erste Eindruck
Kiste kommt, Kiste auf, Bike raus. Schon steht das Adventure Neo 1 EQ fahrbereit in der Garage. Es sieht wuchtig aus, ohne es an Eleganz vermissen zu lassen. Die Farbe: ein Hingucker. Emerald Green, verrät das Produktblatt; die Farbe des Jahres 2013, gekürt von den Pantone Farbextern, das Internet. Lebhaft, strahlend und kraftvoll sind drei Attribute, die mit dieser smaragdgrünen Farbe verbunden werden. Sieht so aus, als ob Cannondales Farbdesigner kein Farbton-Roulette gespielt haben, sondern die Lackierung des Spitzenmodells mit Bedacht gewählt haben.
Kraftvoll ist das Adventure Neo 1 auf jeden Fall. In seinem Herzen sorgt Boschs Performance Line-Motor für sportlichen Vortrieb und auch im Tank scheint genügend Platz für lebhafte Ausfahrten. 625 Wattstunden sind formschön ins Unterrohr integriert. Auch die übrigen Ausstattungsmerkmale lesen sich so, wie es sich für ein Top-Modell gebührt. Knackige Shimano Deore-Kettenschaltung, hydraulische Scheibenbremsen MT400 von Shimano (180 mm vorne, 160 mm hinten).

Dick aufgetragen wurde bei den Reifen. Die Schwalbe Hurricane-Reifen rollen trotz ihrer eindrucksvollen Breite gut und schlucken die ein oder andere Unebenheit auf Straße oder Feldweg. Sie sind aber nicht die einzigen Vertreter für ordentlichen Komfort: Die Cane Creek Thudbuster G4 gehört zu den gefederten Vertretern ihrer Art, vorne soll die SR Suntour Mobie A32 für noch mehr ungeschüttelten Fahrspaß sorgen. Sie meinen es wohl ernst mit dem "Comfort-First"-Versprechen aus der Produktbeschreibung.
Ein echtes Schmankerl taucht auf dem Erster-Eindruck-Radar fast gar nicht auf: das Radarsystem, das Cannondale gemeinsam mit Garmin entwickelte. Ein länglich ovales Display am Lenker, eine schwarze Einheit unterm Rücklicht und jede Menge technische Finesse sollen für mehr Sicherheit sorgen. So viel Technik, Know-how und Design kostet 3.999 Euro.

Das Abenteuer kann beginnen
Es gibt ja bekanntlich keine zweite Chance für einen ersten Eindruck, aber genug Gelegenheiten den Ersten ordentlich an die Wand zu fahren. Zeit für eine Probefahrt! Und am Ende wartet noch immer die oben aufgeworfene Frage auf eine Antwort: Wie viel Abenteuer steckt in einem Tiefeinsteiger?
Aufsteigen, anfahren, Abenteuer? Die ersten Meter lassen aber noch kein Abenteuer-Gefühl aufkommen, zu bequem sitzt man im breiten Sattel. Aufrecht, entspannt – was auch am gekröpften Lenker liegt.

Im Gegensatz zur sehr komfortablen Sitzposition verrät der Motor, dass das Adventure Neo nicht nur für eine gemütlichen Stadtrundfahrt die Zahnräder ineinander greifen lässt. Der Eindruck bestätigt sich bei der ersten Steigung. Im Sportmodus wieselt das Adventure Neo flink die Steigung empor, die Schaltvorgänge mit der Shimano Deore gestalten sich knackig.

Auch auf Feldwegen zahlt sich der Invest in den Komfort, also der Dreiklang aus Federgabel, gefederter Sattelstütze und den dicken Reifen aus. Leicht Unebenheiten schluckt das Fahrwerk problemlos. Je länger die Fahrt dauert merke ich, dass ich die Federgabel in dem Komfort-Trio gar nicht gebraucht hätte. Dank Lockout-Funktion lässt sich das Einfedern nahezu komplett blockieren, das sanfte Fahrgefühl sperrt man trotzdem nicht aus. Der Praxistest zeigt ganz deutlich: Die Stadt ist nicht genug!
Der heimliche Star des Cannondale Adventure Neo 1 EQ ist auf jeden Fall das gemeinsam mit Garmin entwickelte Radarsystem. Gerade, wenn ein Abstecher auf die Straße unausweichlich ist, hebt das kleine Display am Lenker die Sicherheit auf ein neues Level. Leuchtet die obere Diode grün ist im wahrsten Sinne der Farbe alles im grünen Bereich. Kein Fahrzeug nähert sich von hinten. Wechselt die Farbe allerdings auf orange kommt von hinten zum Beispiel ein Auto. Wie weit es noch entfernt ist zeigen kletternde weiße Dioden an. Je näher sie der orangenen Diode gant oben kommen, umso näher kommt das Fahrzeug hinter einem. Nach dem Überholvorgang leuchtet die Anzeige wieder grün.
Was auf dem Papier vielleicht nach einem übertriebenen Feature klingt, erschließt sich nach den ersten Kilometern komplett. Das Radar hilft, die Geschwindigkeiten von hinten kommenden Fahrzeugen einzuschätzen und nimmt so auch das Überraschungsmoment beim eigentlichen Überholvorgang.

Für wen eignet sich das Cannondale Adventure Neo 1 EQ?
Welche Zielgruppe haben die Entwickler des Adventure Neo vor Augen? Ganz klar: eine Komfortorientierte. Der tiefe Einstieg macht es einfach auf das Rad zu kommen, die Ausstattung lässt einen geschmeidig über die Straßen gleiten. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Straßen der Stadt unter die Räder nimmt oder Feld- und Radwege jenseits der Stadtgrenze.
Eignet sich ein Tiefeinsteiger nur für Frauen? Ein gängiges Vorurteil. Ganz ehrlich: Damenrad oder Herrenrad – das sind doch bürgerliche Kategorien. Das Cannondale Adventure Neo 1 EQ macht sowohl Männern und Frauen Spaß – das ideale Familienrad.
Bleibt noch die Frage nach der Vereinbarkeit von Abenteuer und Tiefeinsteiger. Das Cannondale Adventure Neo 1 EQ ist alles andere als langweilig. Als Fahrer fühlt man sich im Sattel schon nach wenigen Metern wohl. Am Ende verhält es sich mit dem Abenteuer wie mit so vielen Dingen im Leben: Es kommt drauf an, was man draus macht. Mit der Adventure-Reihe bieten sich viele Möglichkeiten. Eins ist klar: die Stadt setzt dem City-E-Bike keine Grenzen.
Zahlen und Fakten: Die Cannondale Adventure Neo-Plattform
Modelle | Preise |
Cannondale Adventure Neo 1 EQ | 3.999 Euro |
Cannondale Adventure Neo 2 EQ | 3.299 Euro |
Cannondale Adventure Neo 3 EQ | 2.799 Euro |
Cannondale Adventure Neo 4 | 2.499 Euro |
Modelle | Gewichte |
Cannondale Adventure Neo 1 EQ | 24,9 kg |
Cannondale Adventure Neo 2 EQ | 26 kg |
Cannondale Adventure Neo 3 EQ | 25,6 kg |
Cannondale Adventure Neo 4 | 22,0 kg |

Motor | Bosch Performance Line Cruise, Mittelmotor, 250 Watt |
Akku | Bosch Powertube, 625 Wattstunden |
Schaltung | 10-fach Kettenschaltung, Shimano Deore |
Bremsen | hydraulische Scheibenbremsen, Shimano MT400 (180 mm vorne/160 mm hinten) |
Federgabel | SR Sundtour Mobie A32, 63 mm |
Sattelstütze | Cane Creek Thudbuster G4 |
Sonstige Ausstattung | Front- und Rücklicht, Garmin Radar, Garmin Wheel Sensor |
Gewicht | 24,9 kg |
Preis | 3.999 Euro |
Verfügbar ab | 3. Februar 2021 |
Cannondale Adventure Neo: Worin unterscheiden sich die vier Modellvarianten?
Mit 2.499 Euro hat das Adventure Neo 4 einen moderaten Einstiegspreis. Dafür stehen in der Ausstattungsliste dann aber nur ein Bosch-Akku mit einer Kapazität von 400 Wattstunden und statt des Performance-Line-Antriebs sorgt die Active Line von Bosch für Schwung. Auch bei Bremsen und Schaltungen kommen die Teile nicht aus der den oberen Schubladen. Eine Federgabel und eine gefederte Sattelstütze sucht man auch vergeblich. Klingt jetzt aber sehr reduziert – ist es auch. Aber durchaus überlegt. Denn jetzt folgt aber ein großes aber: Diese Ausstattung ist durchaus sinnvoll für Nutzer, die in der Stadt – und diesmal primär in der Stadt – unterwegs sind. Diese Zielgruppe findet mit dem Adventure Neo 4 ein grundsolides E-Bike.
Die Modelle 3 und 2 differenzieren sich vor allem in den Punkten Schaltung und Komfort und Akku-Kapazität weiter auf der Qualitätsleiter aus.
Fazit
Mit dem Adventure Neo 1 EQ bringt Cannondale 2021 ein City-E-Bike auf den Markt, das zumindest in der Top-Version im alleinigen Stadtbetrieb nie richtig gefordert wird. Touren am Wochenende, auch über unasphaltierte Wege, sind leicht möglich und machen auf dem Adventure Neo 1 EQ richtig Laune. Für alle, die auf Komfort Wert legen, aber auf Fahrdynamik nicht verzichten möchten, bringt das E-Bike genau die richtigen Zutaten mit.