Warum das Fahrrad DAS Symbol der Emanzipation ist

Frauen aufs Rad!
Warum das Fahrrad DAS Symbol der Emanzipation ist

Veröffentlicht am 08.03.2024
Eine kurze Geschichte der Frauen auf dem Rad
Foto: Getty Images / ilbusca

In seiner inzwischen über 200-jährigen Geschichte hat das Fahrrad nicht nur die Gesellschaft nachhaltig verändert, sondern auch einen großen Anteil zur Gleichstellung von Frau und Mann beigetragen – und im Zuge dessen mit zahlreichen Tabus gebrochen.

Fahrradfahren war für Frauen vor 200 Jahren "obszön"

Denn lange Zeit galt Radfahren für Frauen alles andere als schicklich. Um nicht zu sagen: obszön. Was heute unwirklich klingt, war im 19. Jahrhundert tatsächlich gängiger Konsens. Es passte nicht zum Gesellschaftsbild jener Zeit, dass Damen das Korsett ablegten und in den zum Radfahren viel praktischeren Pluderhosen durch die Gassen pedalierten. Genauso wenig war es erwünscht, dass Frauen beim Absteigen ihre Knöchel zeigten – und damit ihrer Rolle als züchtige Haushüterinnen sprichwörtlich davonfuhren.

Unfruchtbarkeit und "Fahrradgesicht": die skurrilen Diagnosen

Und das mit solchem Elan, dass selbst der medizinische Widerstand der Männerwelt alsbald brach: Skurrile Diagnosen wie das sogenannte "Fahrradgesicht", das Frauen durch die Anstrengung beim Radfahren bekämen, setzten sich so ebenso wenig durch wie die unsinnige Meinung, dass durch Radfahren Unfruchtbarkeit drohe. So kam es, dass bereits 1897 in Deutschland mehr Damen- als Herrenfahrräder verkauft wurden.

Pionierinnen erradelten Freiheiten für Frauen

Auch Pionierinnen wie Annie Londonderry, die erste Weltumradlerin, und Amelie Rother, Gründerin des ersten "Damen-Radfahr-Klubs", sorgten dafür, dass die gesellschaftlichen Vorbehalte als Reifenabrieb im Straßengraben landeten – und sich die Frauenwelt Pedaltritt für Pedaltritt mehr Freiheit erradelte.

Amelie Rother stellte in jener Zeit zufrieden fest:

"Noch vor zehn Jahren hätte keine Frau, die ihren guten Ruf hütet und noch auf einen Ehemann hofft, ein Fahrrad bestiegen: Heute sausen sie zu Tausenden durch die Lande. Die alten Leute schütteln die Köpfe über sie; aber die jungen Männer, stelle ich fest, holen sie ein und fahren an ihrer Seite."

Heute sind Frauen auf dem Rad gleichberechtigt – oder?

Rund 125 Jahre später ist die Gleichberechtigung auf dem Fahrrad gängige Praxis – so möchte man meinen. Doch ein genauer Blick auf die Thematik zeigt schnell, dass die radfahrerische Emanzipation auch im 21. Jahrhundert noch längst nicht abgeschlossen ist – und das auf den verschiedensten Ebenen. Beispiele gibt es zuhauf: Saudi-Arabien etwa hat das Radfahren für Frauen erst im Jahr 2013 erlaubt – allerdings nur in Erholungsgebieten, in Begleitung eines männlichen Verwandten und unter Wahrung der gesetzlichen Bekleidungsvorschriften.

In vielen afrikanischen Ländern statten Hilfsorganisationen junge Frauen mit Fahrrädern aus, um ihnen so Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung zu ermöglichen. In Bangladesch organisieren sich junge Mädchen, um gemeinsam das Radfahren zu erlernen – und so aus gesellschaftlichen Strukturen ausbrechen zu können. Und im Iran ist Radfahren für Frauen schlichtweg ganz verboten.

Gender Pay Gap, Tour de France Femmes: Frauen im Profi-Radsport

Tour de France Femmes
Getty Images / Alex Broadway

Dabei muss man gar nicht weit reisen, um Ungleichheiten in der Fahrradwelt zu finden – etwa im Sport. Während die Männervariante der Tour de France im Sommer gerade ihren 120. Geburtstag feierte, gibt es die offizielle "Tour de France Femmes" nach einer langen Unterbrechung erst wieder seit 2022.

Eklatant sind auch die Unterschiede bei den Gehältern: Eine vor kurzem durchgeführte Untersuchung des Online-Portals Pinkbike ergab, dass mehr als 20 Prozent aller Profimountainbiker mehr als 100.000 US-Dollar im Jahr verdienen. Bei den Frauen sind es nur sechs Prozent.

Und laut der Organisation "The Cycling Alliance" spielen 41 Prozent aller weiblichen Radprofis mit dem Gedanken, ihre Karrieren frühzeitig zu beenden, um in klassischen Berufen mehr Geld zu verdienen. Auch weibliche Profis, die ohne fixes Gehalt fahren, sind nach wie vor keine Seltenheit. Es ist keine Raketenwissenschaft, um zu erkennen, dass die Signalwirkung dieser Ungleichheiten für sportlich interessierte Mädchen fatal ist.

Fazit: Die Fahrrademanzipation ist noch nicht abgeschlossen

Das Thema Fahrrademanzipation ist also auch im Jahr 2023 brandaktuell. Die gute Nachricht: Nach wie vor hat das Fahrrad von seiner emanzipatorischen Wirkung, wie sie die US-Frauenrechtlerin Susan B. Anthony schon Ende des 19. Jahrhunderts erkannt hat, nichts eingebüßt.