Federung fürs Gravelbike im Test
Gravelbike-Federung zum Nachrüsten

Eine Federung am Gravelbike? Sinnvoll für alle, die in groben Gelände unterwegs sind. Wir testen mehrere Systeme zum Nachrüsten.

Gefederte Vorbauten Federung am Gravelbike
Foto: Sebastian Hohlbaum

Das Gravelbike glänzt immer wieder als vielseitiges Fahrrad, denn es ist für den Einsatz auf unterschiedlichsten Untergründen konzipiert. Trotz des vorgesehenen Offroad-Einsatzes kommen Gravelbikes, bis auf wenige Ausnahmen, ohne Federung.

Die Dämpfung übernehmen in der Regel die volumnösen Reifen, doch diese Dämpfung kann aus verschiedenen Gründen manchmal nicht ausreichend sein. Wer lieber auf etwas schmaleren Gravelreifen unterwegs ist, oder aus Gewichtsgründen mit mehr Luftrdruck fahren muss, kann auf groben Schotterpisten ganz schön Durchgerüttelt werden.

Nerd-Talk: Wir haben uns mit Technikfreaks aus der Branche zum Thema Federung am Gravelbike unterhalten. Hier gibt es das Interview.

Es gibt also genug Gründe, die für eine zusätzliche Federung am Gravelbike sprechen. Wir haben unterschiedliche Federungssysteme zum Nachrüsten getestet.

5 unterschiedliche Federungssystem für Gravelbikes im Test

Die Produkte im Test

Vecnum Freequence

Gefederte Vorbauten Federung am Gravelbike
FazitToller Federungskomfort, einfache Einstellung, erstklassige Verarbeitung. Der Vecnum Freequence empfiehlt sich für Gravelbike, Cyclocross und Rennrad. Wer sich mit der Optik anfreunden kann, bekommt hier ein großes Plus an Fahrkomfort.
  • Preis/Gewicht: 299 Euro/298 Gramm (gewogen, 105 mm), Testzeitraum: 4 Monate
  • POSITIV: stufelose Einstellung mit Inbus-Schlüssel // Parallelogramm-Federung // sehr gute Verarbeitung
  • NEGATIV: etwas brachiale Optik // kein Leichtgewicht // hoher Preis

Der Vecnum Freequence bietet insgesamt 30 mm Federweg, 20 mm nach unten und 10 mm nach oben. Der Vorbau ist aus gefrästem Alu und wird im Allgäu in Insy gefertigt. Die Anmutung ist absolut hochwertig, die Verarbeitung auch bei genauem Hinschauen makellos! So schick der Freequence aber auch aussieht, am Rad muss man sich an die etwas breite Optik erstmal gewöhnen.

Der Freequence federt über eine Parallelogramm ein. Das bedeutet, dass der Lenker beim Einfedern parallel zur Lenkachse nach unten wandert und nicht nach vorne "kippt". So bleiben die Hände am Lenker auch beim Einfedern immer in der gleichen Position. Die Federhärte kann mit Hilfe eines 3er-Inbus stufenlos angepasst werden, von sehr hart bis sehr weich ist alles drin. Nur komplett blockieren lässt sich der Frequence nicht.

Gefederte Vorbauten Federung am Gravelbike Vecnum Freequence
Sebastian Hohlbaum
Per 3er Inbus lässt sich die Federungshärte am Freequence schnell einstellen.

Die Montage des gefederten Vecnum-Vorbaus erfolgt ohne Probleme. Die 1 1/8-Zoll Klemmung am Gabelschaft und die 31,8 mm am Lenker sind mit allen modernen Bikes kompatibel.

In der leichtesten Einstellung ist das Wippen bei Druck auf dem Pedal schon spürbare. Doch sobald mal die richtige Einstellung für das eigene Gewicht und die Fahrweise gefunden hat, ist der Freequence im besten Sinne "unauffüllig". Auch die Lenkung wird duch die Federungs-Mechanik nicht beeinträchtigt. Der Freequnce ist super verwindungssteif und selbst beim Cross-Rennen lies sich das Rad 1A durch die engen Kurven lenken.

Auf schnellen Schotterpassagen bügelt der Frequence kleine und mittlere Unebenheiten super weg. Klar, bei groben Stufen und harten Wurzelpassagen kommt der Vorbau von Vecnum an seine Grenzen. Aber selbst auf ruppigen Trails war kein unangenehmes "Durschlagen" zu spüren, auch weil Elastomere den oberen und unteren Anschlag dämpfen.

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Redshift Sports SchockStop

Gefederte Vorbauten Federung am Gravelbike Redshift Shockstop
FazitDer ShockStop von Redshift ist eine solide Federung zum Nachrüsten. Die Anpassung der Federhärte ist etwas aufwendig, aber dafür schlucken die Elastomere auch grobe Schläge gut weg.
  • Preis/Gewicht: 184,99/290 g (110mm), Testzeitraum: 6 Jahre
  • POSITIV: stabile Bauweise // 7 Federungshärten einstellbar
  • NEGATIV: Anpassung der Federungshärte aufwendig // Elastomere verformen sich mit der Zeit

Der SchockStop Vorbau der kanadischen Firma Redshift Sports ist so etwas wie das Urgestein unter den modernen gefederten Vorbauten zum Nachrüsten. Und er war auch mit einem Testzeitraum von 6 Jahren(!) mit Abstand am längsten im Gebrauch.

Der ShockStop bietet 20 mm Federweg. Die Federungshärte wird über 5 unterschiedlich harte Elastomer-Blöcke eingestellt, die in verschiedenen Kombinationen paarweise eingebaut werden. Der ShockStop federt nur über ein Gelenk nah am Gabelschaft. Das bedeutet, dass der Lenker beim Einfedern leicht nach vorne kippt. Außerdem ist der Federweg geringer, je näher sich die Hände am Drehpunkt des Gelenks befinden. Wer einen kurzen Vorbau und einen Lenker mit langen Drops hat, wird in der Unterlenkerposition weniger Komfort empfinden, als oben auf den Bremsgriffen.

Während des überdurchschnittlichen langen Testzeitraums musste sicher der ShockStop in ganz unterschiedlichen Szenarien bewähren. Auf ausgiebigen Graveltouren war der Vorbau sowohl auf Schotter als auch auf rupiggen Trails gefordet. Und bei Cross-Rennen kam es auch auf die Lenkstabilität an.

Der Redshift ShockStop konnte sich in allen Szenarien gut behaupten. Je nach gewählten Elsatomeren sprach er aber auf schnelle, leichte Erschütterungen weniger an, hatte dafür aber noch genug Reserven für ruppige Trails.

Die Anpassung der Federungshärte ist etwas umständlich. Hierfür müssen Vorbau-Kappe und Lenker abgenommen werden. Im Körper des Vorbaus verbirgt sich ein eingeschraubter Keil, der die Elastomere in Position hält. Beim Einbau des Keils muss man außerdem darauf achten, die Schraube des Keils sauber anzusetzen, damit das Gewinde nicht rundgedreht wird. Wer also die für sich passende Elastomer-Kombi, spart sich lieber das aufwendige Anpassungsprozedere.

Ein Ausfall des Vorbaus war in den 6 Jahren doch zu beklagen. Nach den ersten 1,5 Jahren hatte sich die Schraube, die den Elastomerkeil sichert, durch das Plastik des Keils gearbeitet. Bei der erstern Serie, zu der das Modell gehörte, war noch nicht das richtige Kunstoffmaterial für das Teil gewählt worden. Der Vorbau war so nicht mehr einsatzfähig. Eine kurze Mail an der Hersteller reichte aber aus. Das kleine Plastikteil kam gratis direkt aus Kanada nach Deutschland. Danach gab es keinerlei Ausfälle mehr.

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CaneCreek eeSilk

Gefederte Vorbauten Federung am Gravelbike CaneCreek eeSilk
FazitDer CaneCreek eeSilk agiert sehr feinfühlig und schluckt vor allem schnelle Vibrationen butterweich weg. Der Elastomer-Tausch geht schnell. Für schwerere Fahrer fehlt aber etwas Luft nach oben.
  • Preis/Gewicht: 299 Euro/235 Gramm (gewogen, 90 mm), Testzeitraum: 2 Monate
  • POSITIV: feinfühliges Ansprechverhalten // Federungshärte in zwei Stufen anpassbar
  • NEGATIV: bei groben Schlägen schnell am Limit // hoher Preis

Von CaneCreek kommt der eeSilk Vorbau für Gravelbikes und Rennräder. Die 20 mm Federweg werden hier auch über ein Gelenk wie beim ShockStop zur Verfügung gestellt, das heißt auch hier kippt der Lenker beim Einfedern etwas nach vorne. Und auch die unterschiedliche Federungshärte wird mit Hilfe von 6 unterschiedlichen Elastomeren gesteuert. Je nach Vorbaulänge liegen drei Elastomerblöcke bei, weitere können als Ersatzteil nachgekauft werden. Die Federung lässt sich zusätzlich beim Fahren per Hebel von "Soft" auf "Firm" verstellen, ein komplettes Blockieren ist aber nicht möglich.

Gefederte Vorbauten Federung am Gravelbike CaneCreek eeSilk
Sebastian Hohlbaum
Per Hebel lässt sich die Federungshärte zwischen "Soft" und "Firm" verstellen.

Im Gegensatz zum ShockStop funktioniert der Wechsel der Elastomere hier Kinderleicht. Der Vobau wird mit einer Hand leicht belastet, mit der anderen wird der Haltekeil von der Oberseite aus gelöst. Danach kann man den Elastomer-Block einfach nach unten entfernen und eine anderen einbauen.

Gefederte Vorbauten Federung am Gravelbike CaneCreek eeSilk
Sebastian Hohlbaum
Jeder eeSilk-Vorbau kommt mit drei Elastomeren, weitere können nachgekauft werden.

Im Test agiert der eeSilk sehr feinfühlig. Kleine Unebenheiten und schnellen Schotter schluckt der gefederte CaneCreek Vorbau butterweich weg. Bei einem Fahregewicht von 70 kg und dem mittelfesten Elastomer (Härte 4 von 6) kommt es aber bei gröberen Terrain schon zu starkem Wippen und der Vorbau schlägt im Negativ-Federweg durch, selbst in der Einstellung "Firm". Nach dem Wechsel auf ein festeres Elastomer (Härte 5 von 6) gibt es nur noch wenig zu beanstanden. Außer vielleicht, dass für schwerer Fahrer nicht mehr viel Luft nacht oben ist.

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Specialized Future Shock 2.0

Gefederte Vorbauten Federung am Gravelbike Specialized FutureShock 2.0
FazitSehr potente, stufenlos regulierbare Federung, die sich fast komplett blockieren lässt. Leider nur für Specialized Bikes verfügbar.
  • Preis/Gewicht: (nur im Komplettrad verfügbar), Testzeitraum: 2,5 Jahre
  • POSITIV: tadellose Funktion // sehr einfach einzustellende Federungshärte
  • NEGATIV: nur in Specialized-Rädern verfügbar // umständliche Steuersatz-Einstellung

Das FutureShock 2.0 System von Specialized wurde speziell für das Langstrecken-Rennrad Roubaix und das Gravelbike Diverge entwickelt. Das Federungssystem soll eine geschmeidige Fahrt auf rauen Straßen und Schotterpisten ermöglichen.

Das FutureShock 2.0 System haben wir 2,5 Jahre an einem individuell aufgebauten Specialized S-Works Diverge testen können und waren von der Performance beeindruckt. Das System besteht aus einem hydraulischen Dämpfer, der in den Steuerrohr des Gravelbikes eingebaut ist. Vorbau und Lenker können komplett einfedern und so Unebenheiten abfedern.

Was das FutureShock 2.0 System auszeichnet, ist seine Anpassungsfähigkeit. Statt mit einer Steuersatzkappe sind Bikes mit dem FutureShock System auf dem Gabelschaft mit einen Drehsschalter ausgestattet. Damit lässt sich die Federungshärte an das Gewicht und den Untergrund anpassen kann. In der härtesten Stufe ist das System quasi blockiert, was vor allem im Wiegetritt und an sehr steilen Anstiegen von Vorteil ist.

Über die meiste Zeit habe ich die Einstellung aber nicht verändert. In der leichten Einstellung werden schnelle Vibrationen fast vollständig abgefedert. Zwar kann es bei Wurzeln und groben Steinen zum Durschlag kommen, aber dank eines gedämpften Anschlags wird der Schlag nicht ungefiltert an den Fahrer weitergegeben.

Während des Testzeitraums funktionierte das System tadellos. Was auch gut war, denn wer kein Fahrradmechaniker ist, sollte nicht versuchen ein beschädigtes FutureShock System zu reparieren. Schon die Einstellung des Steuersatz-Spiels ist deutlich komplizierter, als bei einem gewöhnlichen Steuersatz. Beim FutureShock System müssen zwei kleine 2-mm-Schrauben gegen 2,5-mm-Schrauben gekontert werden. Wer keine zwei linken Hände hat und die Anleitung befolgt, wird das auch bewältigen können. Allerdings sollte man das lieber zu Hause im Fahrradkeller machen und nicht unterwegs auf dem Trail.

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RockShox Rudy Xplr

YT  Szepter Gravel Bike mit Federgabel
FazitBei der Federgabel am Gravelbike scheiden sich die Geister. Doch wer sich mit dem Gedanken anfreunden kann, bekommt mit der Rudy eine schluckfreudige Gravel-Gabel. Allerdings für einen hohen Preis und deutlich Mehrgewicht.
  • Preis/Gewicht: 869 Euro/ 1293 Gramm, Testzeitraum: 6 Wochen
  • POSITIV: bis 40mm Federweg // blockierbar
  • NEGATIV: hohes Gewicht // sehr hoher Preis // ändert unter Umständen die Geometrie des Bikes

Die Rudy Xplr Gravel-Federgabel von RockShox ist wohl die auffälligste Federung zum Nachrüsten am Gravelbike. Die Gabel kommt mit wahlweise 30 oder 40 mm Federweg und lässt sich oben am Gabelholm manuell komplett blockieren.

Wie eine Federgabel am Mountainbike lässt sich die Rudy Xplr via Luftruck sehr individuell an Fahrergewicht und Fahrweise anpassen. Darüber hinaus kann auch der Rebound, also wie schnell die Gabel wieder ausfedert, manuell eingestellt werden.

Das alles kommt aber auch mit einem deutlichen Mehrgewicht und zu einem hohen Preis. Fast zwei Drittel mehr als eine starre Carbon-Gabel wiegt die Rudy Xplr. Und wer nachrüsten will, muss bei einem Listenpreis von fast 900 Euro tief in die Tasche greifen.

Doch wie schlägt sich die Gravel-Federgabel im Praxistest? Mit ihren 30 bzw. 40 mm Federweg schluckt die Rudy Xplr Wurzeln und groben Schotter lcoker weg. Erst auf richtigen Mountainbike-Trails kommt auch sie an ihre Grenzen. Immerhin: Auch bei härteren Schlägen, gab es dank des Endanschlags-Elastomers keinen Durchschlag.

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Federung am Gravelbike: Pro und Contra

Eine Federung am Gravelbike bietet einige Vorteile, insbesondere bei langen und anspruchsvollen Touren:

  1. Komfort: Eine zusätzliche Federung dämpft Erschütterungen und Stöße auf unebenen Straßen und im Gelände nochmal mehr ab. Das erhöht den Komfort während der Fahrt und sorgt dafür, dass der Fahrer nicht so schnell erschöpft.
  2. Kontrolle: Eine Federung kann die Kontrolle über das Gravelbike verbessern. Der Vorderreifen bleibt besser am Boden, was das Handling und die Traktion in den Kurven verbessert.

Allerdings gibt es auch einige Nachteile bei der Verwendung einer Federung am Gravelbike:

  1. Gewicht: Eine Federung erhöht das Gewicht des Fahrrads und kann somit den Transport erschweren oder die Leistung beeinträchtigen.
  2. Wartung: Eine Federung erfordert regelmäßige Wartung und Pflege, um einwandfrei zu funktionieren. Dies kann zusätzliche Zeit und Geld erfordern.
  3. Effizienz: Eine Federung kann auch die Effizienz des Fahrrads beeinträchtigen, insbesondere bei steilen Anstiegen oder in schnellen Kurven. Im Wiegetritt absorbiert sie auch Teile der Kraft, die der Fahrer ausübt, und somit geht ein Teil der Energie verloren. Und ein Vorbau mit Gelenken oder eine Federgabel ist in der Regel nicht so verwingungssteif, wie ein ungefedertes Pendant.

Fazit

Ob man eine Federung am Gravelbike verwenden sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Einsatzbereich, der individuellen Fahrweise und dem persönlichen Empfinden für Komfort und Kontrolle. Eine Federung kann Komfort und Kontrolle verbessern, aber gleichzeitig das Gewicht erhöhen und die Effizienz beeinträchtigen.

Die von uns getesteten Vorbauten geben für einen überschaubaren Preis und ein geringes Mehrgewicht einen deutlichen Komfort-Gewinn. Negative Einflüsse auf das Lenkverhalten konnten wir auch nicht verzeichnen. Auch des System von Specialized hat top funktioniert, lässt sich aber nicht an Nicht-Specialized-Gravelbikes nachrüsten.

Die Federgabel ist das System mit dem meisten Federweg, aber dafür auch deutlich schwerer, teurer und passt auch nicht zu jedem Rad. Nur für Fahrer, die ihr Gravelbike in wirklich schwierigem Gelände bewegen wollen.