Gravelbike-Pro Annabel Fisher im Interview

Gravelbike-Pro Annabel Fisher im Interview
Erst der Triumph, dann die Tränen

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Veröffentlicht am 31.05.2024
Annabel Fisher auf ihrem Ridley Grifn RS
Foto: Ridley Bikes

Wie aus der Pistole geschossen: Egal ob auf dem Gravelbike oder im Interview, Annabel Fisher mag es schnell. Das beweist nicht nur ihr Gesamtsieg bei der Gravel Earth Series 2023. Kein Wunder, dass sie sich auf Instagram den Namen "Shotgun Grvl" gegeben hat. Wir haben im Vorfeld des Unbound Gravel mit der in der Schweiz lebenden Britin gesprochen. Da sie sich zwei Wochen vor dem wichtigen Rennen einen Virus eingefangen hat, wissen wir bei Veröffentlichung des Interviews nicht, ob sie zum Unbound Gravel starten kann oder nicht.

Kurzvita

Gravelbike-Profi Annabel Fisher

Annabel Fisher
Ridley Bikes
Annabel, du bist als professionelle Skilangläuferin eigentlich im Schnee daheim. Wie bist du zum Gravelbike gekommen?

Eigentlich ist es genau andersherum. In erster Linie bin ich seit vielen Jahren Radprofi. Aber jedes Jahr im Oktober hänge ich die Räder in die Garage und hole meine schmalen Skier raus. Im Winter bin ich aus verschiedenen Gründen praktisch nur auf den Skiern unterwegs. Wenn du in der Schweiz lebst, hast du bei den Pisten die Qual der Wahl, auch das Wetter ist eher auf Seite des Wintersports. Auch für meine Fitness und meinen Kopf ist es die perfekte Abwechslung. Bislang habe ich auf eigene Faust trainiert und an Rennen teilgenommen. Dabei habe ich mich wohl ganz ordentlich geschlagen und das scheint man bemerkt zu haben. So werde ich ab dem kommenden Winter in einem richtigen Ski-Team starten. Das finde ich wahnsinnig spannend.

Aber auch auf dem Gravelbike hast du dich ja ganz ordentlich geschlagen. Zum Beispiel mit dem Sieg der Gravel Earth Series in der vergangenen Saison. Wie hat sich das angefühlt?

Irgendwie seltsam. Klar, erstmal war es fantastisch, die Champagnerdusche schmeckte sensationell und es war ein gutes Ende einer ziemlich harten Saison. Aber ganz ehrlich: Am nächsten Tag saß ich daheim auf dem Sofa und musste erstmal die Tränen laufen lassen. Ich habe in den vergangenen Jahren viele Opfer gebracht, um erfolgreich zu sein. Wenn du den Erfolg dann endlich hast, dann aber zurück in ein leeres Haus kommst, stellst du dir viele Fragen. Natürlich ist es das wert und ich liebe, was ich mache. Aber wenn der Tag nach dem großen Sieg ein Montag wie jeder andere ist, dann ist das schon hart.

Annabel Fisher unterwegs mit dem Gravelbike
Ridley Bikes
Wirst du dich künftig denn mehr aufs Gravelbike oder auf die Skier konzentrieren?

Jetzt steht erstmal ganz klar das Gravelbike im Vordergrund. Wir sind mitten in der Saison, ich habe ein volles Programm vor mir und richtig viel Lust. Das wird großartig. Ab Ende Oktober werde ich dann wieder über gefrorene Wasserkristalle rutschen. Mittelfristig will ich die beiden Sportarten ausgewogen miteinander kombinieren. Wie es langfristig aussieht, weiß ich noch nicht. Ich kann ja nicht voraussagen, was in zwei Wochen oder erst recht in zwei Jahren passiert. Aber ich kann versprechen, dass ich immer alles gebe. Egal ob auf dem Rad oder auf den Skiern.

Hast du in Sachen Gravelbike ein Lieblingsrennen?

Das Octopus Gravel ist fantastisch! Schon weil es für mich ein Heimrennen in den Bergen der Schweiz ist, macht es das für mich besonders. Aber auch das einzigartige Format des Rennens ist genau mein Ding. Sieben gezeitete Anstiege und dann die wilde Party zum Schluss als achter Tentakel des Oktopusses, das hat viel Spaß gemacht. Dass ich das Rennen dann noch gewonnen habe, macht es für mich natürlich ganz besonders.

Annabel Fisher vom Team Classified Ridley
Ridley Bikes
Was ist dein größtes Ziel für diese Saison?

Einmal ohne Knochenbrüche durchkommen. Das hätte ich Anfang der Saison auf diese Frage geantwortet. Seit meinem Sturz Anfang Mai ist das Thema allerdings schon wieder durch. Ich habe mir zwei Rippen und einen Knöchel gebrochen sowie einen Finger verstaucht. Ansonsten will ich nicht unbedingt meinen Titel verteidigen, sondern meine Ziele einfach von Rennen zu Rennen definieren. Dabei sind mir die Rennen daheim in der Schweiz besonders wichtig.

Du fährst dieses Jahr im Team Classified Ridley. Was macht das Team für dich besonders?

Ganz klar die Menschen. Gutes Material kannst du dir bis zu einem bestimmten Level einfach kaufen, aber tolle Menschen hinter die Marken zu bekommen, ist eine Herausforderung. Und wir haben ein wirklich großartiges Team, das uns unterstützt. Kürzlich habe ich zum Beispiel zwei Tage lang mit Ridley für den Launch des neuen Grifn RS gefilmt. Aber das hat sich überhaupt nicht nach Arbeit angefühlt. Natürlich sind auch meine drei Teamkollegen Piotr, Daan und Toby großartig. Die drei bringen eine Dynamik rein, die ich in keiner Sprache in Worte fassen kann. Sie sind einfach brillant.

Annabel Fisher und ihr Ridley Grifn RS
Ridley Bikes
Ganz wichtige Frage: Welche ist die beste Farbe für ein Gravelbike?

Gold oder Military Green. Nächste Frage?

Dein Statement zu Frauen im Gravelbike-Sport?

Ihr solltet uns besser nicht unterschätzen!

Welcher Song läuft gerade in Dauerschleife auf deiner Playlist?

Zuletzt habe ich einen Podcast gehört. Da ging es darum, wie Profisportler schlafen. Aber der Song, der in keiner meiner doch ziemlich abwechslungsreichen Playlists fehlen darf, ist natürlich Shotgun von George Ezra.

Annabel Fisher und das Ridley Grifn RS
Ridley Bikes
Zum Schluss darfst du uns noch deine Lieblingsregion für Touren mit dem Gravelbike verraten.

Das wird euch jetzt überraschen: Meine Heimat, die Schweiz! Auf eine bestimmte Region kann ich mich dabei kaum festlegen. Das Jura zum Beispiel ist riesig und bietet reineren Schotter als etwa das Wallis, wo es schon mehr Richtung Mountainbike geht. Auch das Emmental und Graubünden sind großartig. Der wesentliche Grund dafür, warum das Gravelbiken in der Schweiz so toll ist, ist aber in allen Regionen der gleiche: Ich kann für Stunden, Tage oder auch Wochen unterwegs sein, ohne dass mich jemand stört. Die pure Freiheit.

Ach ja, hast du eigentlich wirklich zwei Brüder?

Ja, das stimmt wirklich. Sie heißen Harry und George und sind die besten Brüder in der ganzen Welt.