Wie aus der Pistole geschossen: Egal ob auf dem Gravelbike oder im Interview, Annabel Fisher mag es schnell. Das beweist nicht nur ihr Gesamtsieg bei der Gravel Earth Series 2023. Kein Wunder, dass sie sich auf Instagram den Namen "Shotgun Grvl" gegeben hat. Wir haben im Vorfeld des Unbound Gravel mit der in der Schweiz lebenden Britin gesprochen. Da sie sich zwei Wochen vor dem wichtigen Rennen einen Virus eingefangen hat, wissen wir bei Veröffentlichung des Interviews nicht, ob sie zum Unbound Gravel starten kann oder nicht.
Kurzvita
Gravelbike-Profi Annabel Fisher

Annabel Fisher wurde 1989 im britischen Yorkshire geboren, lebt aber seit dem Jahr 2018 in der Schweiz bei Genf. Als Radprofi war sie zunächst einige Jahre auf dem Rennrad unterwegs. Dabei gewann sie etwa die Bergwertung der Dubai Women’s Tour 2020. Seit der Saison 2022 ist sie fast ausschließlich auf dem Gravelbike unterwegs. Ihr größter Erfolg: Der Gesamtsieg der Gravel Earth Series 2023. Seit dieser Saison fährt Annabel für das Team Classified Ridley.
Eigentlich ist es genau andersherum. In erster Linie bin ich seit vielen Jahren Radprofi. Aber jedes Jahr im Oktober hänge ich die Räder in die Garage und hole meine schmalen Skier raus. Im Winter bin ich aus verschiedenen Gründen praktisch nur auf den Skiern unterwegs. Wenn du in der Schweiz lebst, hast du bei den Pisten die Qual der Wahl, auch das Wetter ist eher auf Seite des Wintersports. Auch für meine Fitness und meinen Kopf ist es die perfekte Abwechslung. Bislang habe ich auf eigene Faust trainiert und an Rennen teilgenommen. Dabei habe ich mich wohl ganz ordentlich geschlagen und das scheint man bemerkt zu haben. So werde ich ab dem kommenden Winter in einem richtigen Ski-Team starten. Das finde ich wahnsinnig spannend.
Irgendwie seltsam. Klar, erstmal war es fantastisch, die Champagnerdusche schmeckte sensationell und es war ein gutes Ende einer ziemlich harten Saison. Aber ganz ehrlich: Am nächsten Tag saß ich daheim auf dem Sofa und musste erstmal die Tränen laufen lassen. Ich habe in den vergangenen Jahren viele Opfer gebracht, um erfolgreich zu sein. Wenn du den Erfolg dann endlich hast, dann aber zurück in ein leeres Haus kommst, stellst du dir viele Fragen. Natürlich ist es das wert und ich liebe, was ich mache. Aber wenn der Tag nach dem großen Sieg ein Montag wie jeder andere ist, dann ist das schon hart.

Was kommt da noch? Annabel Fisher hat einige Optionen für ihre sportliche Zukunft.
Jetzt steht erstmal ganz klar das Gravelbike im Vordergrund. Wir sind mitten in der Saison, ich habe ein volles Programm vor mir und richtig viel Lust. Das wird großartig. Ab Ende Oktober werde ich dann wieder über gefrorene Wasserkristalle rutschen. Mittelfristig will ich die beiden Sportarten ausgewogen miteinander kombinieren. Wie es langfristig aussieht, weiß ich noch nicht. Ich kann ja nicht voraussagen, was in zwei Wochen oder erst recht in zwei Jahren passiert. Aber ich kann versprechen, dass ich immer alles gebe. Egal ob auf dem Rad oder auf den Skiern.
Das Octopus Gravel ist fantastisch! Schon weil es für mich ein Heimrennen in den Bergen der Schweiz ist, macht es das für mich besonders. Aber auch das einzigartige Format des Rennens ist genau mein Ding. Sieben gezeitete Anstiege und dann die wilde Party zum Schluss als achter Tentakel des Oktopusses, das hat viel Spaß gemacht. Dass ich das Rennen dann noch gewonnen habe, macht es für mich natürlich ganz besonders.

Die in der Schweiz lebende Britin ist seit 2022 überwiegend auf dem Gravelbike unterwegs.
Einmal ohne Knochenbrüche durchkommen. Das hätte ich Anfang der Saison auf diese Frage geantwortet. Seit meinem Sturz Anfang Mai ist das Thema allerdings schon wieder durch. Ich habe mir zwei Rippen und einen Knöchel gebrochen sowie einen Finger verstaucht. Ansonsten will ich nicht unbedingt meinen Titel verteidigen, sondern meine Ziele einfach von Rennen zu Rennen definieren. Dabei sind mir die Rennen daheim in der Schweiz besonders wichtig.
Ganz klar die Menschen. Gutes Material kannst du dir bis zu einem bestimmten Level einfach kaufen, aber tolle Menschen hinter die Marken zu bekommen, ist eine Herausforderung. Und wir haben ein wirklich großartiges Team, das uns unterstützt. Kürzlich habe ich zum Beispiel zwei Tage lang mit Ridley für den Launch des neuen Grifn RS gefilmt. Aber das hat sich überhaupt nicht nach Arbeit angefühlt. Natürlich sind auch meine drei Teamkollegen Piotr, Daan und Toby großartig. Die drei bringen eine Dynamik rein, die ich in keiner Sprache in Worte fassen kann. Sie sind einfach brillant.

Annabel fährt für das Team Classified Ridley. Ihr aktuelles Dienstfahrzeug ist das neue Ridley Grifn RS.
Gold oder Military Green. Nächste Frage?
Ihr solltet uns besser nicht unterschätzen!
Zuletzt habe ich einen Podcast gehört. Da ging es darum, wie Profisportler schlafen. Aber der Song, der in keiner meiner doch ziemlich abwechslungsreichen Playlists fehlen darf, ist natürlich Shotgun von George Ezra.

Unter dem Spitznamen Shotgun schießt Annabel mit ihrem Gravelbike über die Schotterpisten.
Das wird euch jetzt überraschen: Meine Heimat, die Schweiz! Auf eine bestimmte Region kann ich mich dabei kaum festlegen. Das Jura zum Beispiel ist riesig und bietet reineren Schotter als etwa das Wallis, wo es schon mehr Richtung Mountainbike geht. Auch das Emmental und Graubünden sind großartig. Der wesentliche Grund dafür, warum das Gravelbiken in der Schweiz so toll ist, ist aber in allen Regionen der gleiche: Ich kann für Stunden, Tage oder auch Wochen unterwegs sein, ohne dass mich jemand stört. Die pure Freiheit.
Ja, das stimmt wirklich. Sie heißen Harry und George und sind die besten Brüder in der ganzen Welt.