Experimental Bikepacking Team: Ein Team für Self-Supported Rennen

Interview: Experimental Bikepacking Team
Ein Team für Self-Supported Bikepacking-Rennen

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 26.11.2025
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Experimental Bikepacking Team in der Wüste
Foto: Paola Berber
Katy, wir kennen Radsportteams auf der Straße. Auch im Gravel-Bereich gibt es immer mehr Teams. Aber was ist ein Bikepacking-Team? Sind Bikepacking-Fans nicht eigentlich unabhängige Charaktere, die lieber alleine fahren?

Stimmt, Bikepacking ist oft ein sehr einsames Unterfangen, ganz besonders bei Ultra-Rennen. Die Fahrer:innen sind hier auf sich allein gestellt. Sie navigieren alleine, transportieren ihre gesamte Ausrüstung selbst und dürfen keine externe Hilfe annehmen.

Was ist denn dann ein "Bikepacking-Team", wenn doch alle alleine fahren?

Es geht bei einem Team ja nicht nur um Rennen, sondern auch um das Drumherum. Unsere Fahrer:innen können ihr Wissen austauschen. Da kann es um Routeninformationen, Trainingsstrategien, Ernährung, Setups, mentale Vorbereitung und Materialerfahrungen gehen. Auch ganz konkret kann man sich unterstützen, etwa in dem man gemeinsam trainiert, zusammen zu einem Event reist oder gemeinsam Ausrüstung testet.

Außerdem können die Ultra-Athlet:innen sich gegenseitig motivieren. Wer in dieser Szene unterwegs ist weiß, wie wichtig ein paar gute Wünsche vor dem Start sein können, wenn du dich um 2 Uhr morgens von Krämpfen geplagt während des Anstiegs durch die Dunkelheit daran erinnerst.

Experimental Bikepacking Team: Katy Bryce
Old Man Mountain
Es ist also nicht einfach eine Gruppe von Kumpels im selben Rennen, die sich gegenseitig unterstützen? Wie ist das dann ein Team? Wie würdest du den Begriff definieren? Und was ist das "Experimentelle" am Experimental Bikepacking Team – die Routen, die Leute?

Genau das unterscheidet uns von dem, was die meisten erwarten, wenn sie "Team" hören. Im klassischen Straßenradsport – und mittlerweile auch im Gravel-Bereich – arbeiten Teamkolleg:innen direkt während des Rennens zusammen: Sie fahren Windschatten, geben das Tempo vor, planen Angriffe, um jemandem im Team einen Vorteil zu verschaffen. Das ist nicht unser Ansatz.

Wir bauen etwas Komplexeres auf. Unsere Fahrer:innen sind über das Jahr verteilt bei ganz unterschiedlichen Events unterwegs. Einer fährt vielleicht die Tour Divide, eine andere das Silk Road Mountain Race, wieder jemand anderes den Highland Trail. Bei manchen Rennen sind mehrere Teammitglieder am Start, aber sobald das Rennen beginnt, fahren alle alleine und nach denselben Regeln wie alle anderen.

Das Einsame am Bikepacking ist nicht nur der Renntag. Es sind die Monate des Trainings, das Grübeln über Ausrüstung, die Routenplanung, die mentale Vorbereitung. Genau da kommt das Team ins Spiel. Wir schaffen eine Gemeinschaft. Am Renntag selbst? Ja, da bist du alleine. Aber du gehst besser vorbereitet hinein, weil du von deinen Teamkollegen gelernt hast. Das ist das Experiment.

Experimental Bikepacking Team: Stephanie Hall
Old Man Mountain
Über welche Art von Events sprechen wir?

Wir konzentrieren uns auf Self-Supported-Rennen und Fahrten weltweit. Also große, mehrtägige Events: die Mountain Series, Bright Midnight, das Transcontinental, Tour Divide, AZT, CTR, DOOM, die Tour de Frankie, das Texas Showdown und viele mehr. Die Liste ist schier endlos, da ständig neue Events hinzukommen.

Wie wichtig sind Ergebnisse für euch? Und wie messt ihr Erfolg?

Diese Events sind gewaltige Unternehmungen. Allein ins Ziel zu kommen ist schon eine Leistung, die gefeiert werden sollte. Trotzdem legen wir unseren Fokus auf Rennen – und das sogenannte "Dot Watching" macht mehr Spaß, wenn alle an ihre Leistungsgrenzen gehen. Aber es sind eben individuelle Grenzen. Die Ergebnisse sollten an den selbst gesetzten Zielen gemessen werden. Es können ja nicht alle um den 1. Platz fahren.

"Erfolg" ist etwas anderes als "Resultate". In solchen Rennen kann alles passieren: Wetter, Defekte, Krankheit, Glück oder Pech. Jemand kann perfekt trainiert sein und großartig fahren – aber kann er oder sie auch durchhalten, wenn die Bedingungen schlecht sind? Werden unsere Fahrer:innen besser? Nicht nur schneller, sondern kompetenter, widerstandsfähiger, besser im Problemlösen, wenn bei Kilometer 800 alles schiefläuft?

Wenn wir eine Saison haben, in der unsere Fahrer:innen wachsen, sich gegenseitig unterstützen und wir etwas dazulernen, dann ist das für uns ein erfolgreiches Jahr. Wir wollen herauszufinden, ob diese Teamstruktur unabhängige Fahrer:innen noch besser darin macht, unabhängig zu sein. Das ist wichtiger als bloße Resultate.

Experimental Bikepacking Team in der Wüste
Paola Berber
Muss ich bestimmte Ergebnisse oder Fähigkeiten nachweisen, um ins Team zu kommen?

Ergebnisse sind für uns im Bewerbungsprozess nicht das Wichtigste. Wir schauen vor allem, ob jemand Bikepacking-Erfahrung und Durchhaltevermögen mitbringt. Das muss nicht unbedingt Rennerfahrung sein, aber es sollten schon viele Tage im Sattel und Nächte im Freien gewesen sein. Außerdem interessiert uns, welche Rennen die Bewerber:innen im kommenden Jahr fahren wollen. Idealerweise planen sie drei bis vier Events pro Jahr.

Am wichtigsten ist uns jedoch echtes Interesse am Team. Es gibt viele Möglichkeiten, Athlet:innen zu sponsoren, aber das Experimental Bikepacking Team ist etwas Besonderes und erfordert Engagement für das Konzept. Es ist eine Partnerschaft.

Experimental Bikepacking Team: Hannah Simon
Old Man Mountain
Wie wichtig ist heutzutage eine starke Performance in Medien und sozialen Netzwerken, um sich für so ein Team zu qualifizieren?

Erfahrung im Storytelling hilft auf jeden Fall – sei es über Social Media, Video oder Texte. Wir wollen, dass unsere Fahrer:innen ihre Geschichten teilen und andere inspirieren. Die meisten von uns können sich an prägende Geschichten erinnern, die sie selbst inspiriert haben. Für mich war es der Patagonia-Katalog in den 90ern mit seinen Geschichten über Klettern, Skifahren und Bergsteigen an exotischen Orten. Heute leben diese Geschichten auf YouTube und Instagram – und wir wollen, dass unser Team dort präsent ist.

Trotzdem: Der Mensch steht an erster Stelle. Wir unterstützen mit Foto- und Videoproduktion, helfen beim Schreiben von Reiseberichten oder geben Tipps, wie man ein Bike-Setup dokumentiert. Wir sind da, um zu helfen.

Experimental Bikepacking Team: Paola Berber
Old Man Mountain
Wenn sich das Team bei den Rennen nicht persönlich trifft, gibt es andere Möglichkeiten, sich kennenzulernen? Zum Beispiel ein Kick-off-Event?

Das wäre ein Traum! Ich habe viele Ideen für eine Team-Bikepacking-Tour kombiniert mit einem Trainingslager hier in Bend, Oregon. Ich hoffe, dass das irgendwann möglich wird, aber im Moment sind wir als Firma noch zu klein, um so etwas selbst zu finanzieren. Aber wenn jemand großzügige Unternehmen kenn, die uns unterstützen wollen, sagt uns gerne Bescheid!

Experimental Bikepacking Team: Le Tour de Frankie
Paola Berber
Das wird jetzt das zweite Jahr des Teams. Was habt ihr aus dem Ersten gelernt?

Das erste Jahr war aufklärend – im besten und demütigendsten Sinne. Zunächst: Dieses Modell funktioniert wirklich. Auch wir waren uns anfangs nicht sicher, ob es sinnvoll ist, eine Gruppe unabhängiger Bikepacker:innen als "Team" zu bezeichnen. Aber die Fahrer:innen haben sich wirklich verbunden, sie haben Wissen geteilt, Material getestet und echte Kameradschaft aufgebaut.

Gleichzeitig haben wir gesehen, wo wir besser werden müssen. Die Kommunikationsstruktur ist wichtiger, als wir dachten. Wenn dein Team über verschiedene Kontinente verteilt ist und unterschiedliche Rennen fährt, brauchst du funktionierende Systeme, um in Verbindung zu bleiben. Wir haben anfangs locker begonnen, aber gemerkt, dass wir mehr Struktur brauchen: regelmäßige Check-ins, bessere Möglichkeiten zum Wissensaustausch und Plattformen für Zusammenarbeit. Das bauen wir im zweiten Jahr gezielter auf.

Experimental Bikepacking Team: Eric House
Old Man Mountain

Wir planen außerdem ein größeres Team. Letztes Jahr waren wir eine kleine, enge Gruppe. Das war großartig, aber wir haben die Vielfalt an Erfahrungen und Perspektiven vermisst, die eine größere Gruppe mit sich bringt. Mehr Fahrer:innen bedeuten mehr kollektive Intelligenz.

Der "experimentelle" Teil ist real. Wir finden immer noch heraus, was dieses Team sein kann. Manche Ideen haben funktioniert, andere nicht. Wir haben gelernt, diese Unsicherheit anzunehmen, statt so zu tun, als hätten wir alles schon perfekt durchdacht.