Naja, erstmal liebe ich natürlich das Radfahren. Aber so richtig bin ich im Jahr 2022 während der Tour Divide durch die USA auf den Geschmack für solche langen Strecken gekommen. Als ich vom European Divide Trail gehört habe, entstand der Plan, das Sportliche mit meiner Arbeit als Filmemacher und Journalist, sowie einem gesellschaftlichen Thema zu verbinden. Denn gerade in Zeiten, in denen Europa unter Druck steht, finde ich es wichtig an die positiven Errungenschaften zu erinnern. Es gibt so viel Schönes an der europäischen Idee. Nach Jahren mit meiner damaligen TransOst-Tour auf den Pfaden Osteuropas, war es für mich an der Zeit einmal Westeuropa intensiver zu bereisen.

Markus Weinberg beim Start der Tour am Polarkreis.
Ich wollte erfahren, was Europa bewegt und das Verbindende suchen. Auch deshalb habe ich meine Tour European Connection Trail genannt. Unterwegs habe ich viele Menschen getroffen, mit ihnen gesprochen, Interviews geführt. Die habe ich dann zum Teil auf meinem Instagram-Kanal veröffentlicht. Ich wollte wissen, welche Idee die Menschen von Europa haben, was sie bewegt, was sie sich von Europa wünschen.
Ich habe auch die Route verändert und um ein paar Länder wie die Beneluxstaaten, Italien und Andorra erweitert, an denen ich sonst vorbeigefahren wäre und welche untrennbar mit Europa verbunden sind. Am Ende waren es 14 statt neun Länder. Ich habe den European Divide Trail eher als Anregung und Inspiration verstanden. Entsprechend habe ich auch die Hike-a-Bike-Abschnitte herausgenommen und den Gravel-Anteil reduziert. Es waren aber immer noch ungefähr 50 Prozent Gravel.

Durch 14 Länder führte die mehr als 7000 Kilometer lange Strecke quer durch Europa.
Erstmal fiel mir die Kommunikation im Norden einfacher. So bis Frankreich sprechen ja fast alle Englisch. Spannend fand ich, dass fast alle meine Gesprächspartner vor allem die Reisefreiheit und die freie Wahl des Arbeitsorts in Europa hervorgehoben haben. Ich glaube Schengen ist das Größte, was den Menschen hier passieren konnte. Da hat Europa viel Vertrauen verloren, als gerade diese beiden Punkte während der Pandemie als erste eingeschränkt wurden. Nur selten hingegen haben die Menschen Themen wie Kriege oder die gemeinsame Währung angesprochen. Das hat mich überrascht.

Von einem Land ins andere: Die offenen Grenzen sind eine wesentliche Errungenschaft Europas.
Ehrlich gesagt ist diese konkrete Form sicherlich nicht für jeden etwas. Mir erscheint es wichtiger, dass jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten den Horizont erweitert. Und wenn es nur eine Wanderung durch die Nachbarorte ist. Aber schon Goethe sagte, dass Reisen bildet. Das stimmt. Vor allem macht Reisen aber auch toleranter. Als Reisemittel bringt einen das Fahrrad natürlich weiter als zum Beispiel das Klettern. Da komme ich ja eigentlich sportlich her. Ich finde aber zum Beispiel auch Austauschprogramme wie Erasmus ganz großartig. Solche Möglichkeiten des Austauschs sollten unbedingt beibehalten werden. Vielleicht sollte man es auch um nichtakademische Bereiche erweitern, wie etwa das Handwerk.
Dass ich nicht dauerhaft der einsame Wolf bin, der um die Welt reist. Ich muss nicht monatelang alleine durch die Gegend fahren. Für eine kurze Zeit ist das schon okay, auch um sich zu erden. Aber grundsätzlich macht es mir in Gesellschaft schon mehr Spaß. Außerdem habe ich wieder mal erkannt, dass ich zwar gerne unterwegs bin, aber dass ich auch sehr gerne zuhause bin.

Das Ziel der langen Reise war der Leuchtturm am Cabo de São Vicente.
Ich würde wahrscheinlich vorher fragen, ob Leute Abschnitte gemeinsam mit mir fahren wollen. Und ich würde mir mehr Zeit nehmen, um neben dem Radfahren noch mehr zu erleben, ohne dass es stressig wird. Jetzt bin ich auf meiner Tour zum Beispiel zufällig am Sámi Museum in Finnland vorbeigekommen. Da habe ich natürlich eine Pause gemacht und es mir angeguckt. Das hat vielleicht anderthalb Stunden gedauert, aber die musste ich laut meinem Plan dann in den Abendstunden wieder rausfahren. Auf diesen Stress durch ambitionierte Pläne würde ich in Zukunft wohl eher verzichten. Außer natürlich bei Rennformaten wie dem Silk Road Mountain Race. Da geht das natürlich nicht.

Einsam und allein: Während seiner Reise war Markus die meiste Zeit solo unterwegs.
Ganz klar Dänemark, wegen des Shelter-Systems. Das kannte ich nicht, es war für mich eine Überraschung. Dort gibt es ein dichtes Netz an einfachen Holzhütten, in denen du für eine Nacht schlafen kannst. Fast immer sind kostenfreies Feuerholz und Wasser dabei, manchmal gibt es sogar eine Dusche. In der passenden Shelter-App findet man die Plätze und kann sehen, welche Merkmale sie aufweisen. Ich habe fast immer einen freien Schlafplatz gefunden. Und falls nicht, bin ich halt zum nächsten Shelter weitergefahren.

"Gimme Shelter!" Das System der kostenfreien Schutzhütten in Dänemark hat den Europareisenden schwer beeindruckt.
Ich habe ganz typisches Bikepacking gemacht. Ich hatte also Zelt und Schlafsack dabei. Ich wurde aber auch oft spontan von Menschen eingeladen, bei ihnen zu übernachten. Das ist natürlich toll, wenn du mal Wäsche waschen und Akkus laden kannst. Ab und an habe ich auch mal ein Zimmer gebucht. Wie es gerade gepasst hast.

Die meisten der insgesamt 48 Nächte verbrachte Markus aber in seinem Zelt.
Ich war noch nie nördlich des Polarkreises. Dass es in Europa so viel weite, unberührte Natur gibt, war mir nicht bewusst. Das hat mich wirklich positiv überrascht. Auch das Luxemburg so hügelig ist, hätte ich nicht gedacht. Spannend fand ich auch, wie schnell man über die Pyrenäen ist und wie sich die Welt dahinter komplett verändert. Auf einmal ist das Holz anders, das Klima anders, die Vegetation anders. Es ist ein anderes Gefühl, die Welt atmet anders. Da weißt du sofort: Jetzt bist du in Südeuropa.

Die Strecke führte unter anderem durch die Alpen und die Pyrenäen.
Eine besondere Ehre war die Einladung ins Europaparlament in Straßburg. Dort konnte ich auf einer Pressekonferenz über mein Projekt und die Interviewreihe ‚What’s about Europe?‘ berichten. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen. Deshalb werde ich auch ein Buch über meine Erlebnisse auf dem European Connection Trail schreiben. Und ab November werde ich viele Vorträge halten, um von meinem Abenteuer zu berichten, aber auch für die europäische Idee zu werben. Erste Termine dazu gibt’s auf der Website zu dem Projekt. Auch einen Kurzfilm wird es geben.

Hohes Haus: Markus während der Pressekonferenz im Europaparlament.
Ich war mit dem Gravelbike unterwegs, konkret mit einem Focus Atlas 8.9. Dabei bin ich zum ersten Mal mit einer elektronischen Schaltung gefahren, der Shimano GRX Di2 2x12. Ich bin wirklich positiv überrascht. Aber ich musste mir auch alle paar Tage Gedanken machen, wann ich jetzt die Schaltung lade. Bei den Reifen habe ich auf die neuen Schwalbe Overland Pro in 45 Millimeter Breite gesetzt. Ich bin übrigens seit Jahren Tubeless unterwegs und würde nie wieder etwas anderes machen. In Hamburg habe ich die Reifen einmal gewechselt. Mit dem ersten Satz bin ich also etwa 3000, mit dem zweiten etwa 4000 Kilometer gefahren. Ich hatte nur einen Reifenschaden, aber das war mein eigener, dummer Fehler. Bikepacking-Taschen und Schlafsack waren von Fjällräven. Und als Zelt hatte ich mein MSR Hubba dabei. Das wiegt nur etwas mehr als ein Kilogramm und ich habe es in wenigen Minuten aufgebaut. Aber vor allem kann es ohne Heringe frei stehen. Das ist mir sehr wichtig.

"Ich und mein Fahrrad!" Markus Weinberg mit seinem voll beladenen Gravelbike.
Doch, ich musste noch das Lager meines SON-Nabendynamos tauschen. Den bin ich schon im Jahr 2022 über 4300 Kilometer bei der Tour Divide in den USA gefahren. Aber SON war sehr kulant und hat sofort Ersatz geschickt. Glücklicherweise konnte ich das Laufrad in Hamburg direkt umspeichen lassen.