Kurz & knapp: Merida Mission
Es scheint etwas Magisches mit diesem Mann zu machen, wenn er pünktlich zum WM-Rennen ein brandneues Gravelbike unter den Hintern geschoben bekommt. Vor zwei Jahren krönte sich Radprofi Matej Mohorič mit dem Erlkönig des neuen Merida Silex zum Weltmeister des Schotterradsports. Und jüngst lieferte er bei der WM 2025 in den Niederlanden mit der Bronzemedaille erneut ab. Diesmal mit dem nagelneuen Merida Mission.

Meine Medaille und ich: Noch vor dem offiziellen Launch holte sich Radprofi Matej Mohorič auf dem Merida Mission WM-Bronze.
Wesentlicher Unterschied: Während das Silex eigentlich gar nicht primär für den Renneinsatz konzipiert und für das WM-Rennen entsprechend umgerüstet wurde, ist das neue Mission ein reinrassiges Race-Gravelbike. Wir konnten es uns bereits vor einigen Wochen in der Nähe von Girona genauer anschauen. Und vor allem, an der Seite von Matej Mohorič, bereits einige ausgiebige Touren damit unternehmen.
Meridas erstes, echtes Race-Gravelbike
Doch von vorne. Merida präsentiert das neue Mission als Nachfolger des Scultura Endurance GR. Schon dieses Rad wurde bei seiner Premiere als Gravel-Racer vorgestellt. Im Grunde handelte es sich aber eher um eine für den Einsatz auf Schotter umgerüstete Variante des Langstrecken-Rennrads Scultura Endurace. Es kam mit Rennrad-Schaltung und einer maximalen Reifenbreite von 35 Millimetern. Mit dem Start des Mission ist es auch nicht mehr Teil der Merida-Flotte.

Schön schnell: Das Merida Mission würde optisch auch als Rennrad eine ordentliche Figur machen.
Das Merida Mission indes wurde von Grund auf als Race-Gravelbike gedacht – mit dem Know-how von Silex und Scultura Endurace. Auch der Name ist eine Referenz, und zwar an das Merida Mission CX. Der schnelle Cyclocrosser war in der Saison 2018 das erste Modell von Merida, das auch in Richtung rennorientiertes Gravelbike gedacht wurde.
Ein Rad für alle Fälle
Seine Rennrad-DNA kann und will das Mission nicht leugnen. Mit optischen Anleihen beim Scultura Endurance soll es speziell in Sachen Aerodynamik einen deutlichen Sprung nach vorne machen und sich auf Straße wie Schotter gleichermaßen wohlfühlen. Entsprechend wird es auch als Alleskönner oder neudeutsch "Multi-Surface-Bike" angepriesen.

Mit wenig profilierten Reifen soll das Mission auf Straße und Schotter rasant unterwegs sein.
Im direkten Vergleich mit dem eher Richtung Gravel-Alltag und Abenteuer ausgelegten Merida Silex fällt die deutlich racigere Geometrie auf. Konkret kommt das Mission mit einem deutlich steileren Lenkwinkel und einer um 11 Millimeter kürzeren Kettenstrebe für mehr Agilität, ohne dabei die Kontrolle in Offroad-Abschnitten opfern zu wollen. Von dem niedriger positionierten Tretlager wiederum verspricht Merida speziell auf Asphalt mehr Stabilität dank tieferm Schwerpunkt. Einfluss auf die Sitzposition von Fahrerin oder Fahrer haben zudem der in Rahmengröße M um 38 Millimeter niedrigere Stack und um 21 Millimeter kürzere Reach. So soll das Mission für eine eher rennorientierte Haltung sorgen.
Reifenfreiheit
Interessant für ein im Jahr 2025 vorgestelltes Gravelbike ist die vergleichsweise bescheidene Reifenfreiheit von offiziell nur 40 Millimetern. Die Merida-Entwickler sehen darin den "idealen Kompromiss zwischen großzügiger Reifenfreiheit für den High-Speed-Einsatz im Gelände und einer schlanken Silhouette, wie wir sie alle aus der Welt des Straßenradsports kennen." Allerdings hat uns Matej Mohorič verraten, dass er bei seiner Fahrt zur WM-Bronzemedaille auf 45er-Pneus unterwegs war.
Eine weitere Besonderheit am Rad des Profis: Mohorič schaltet mit der 2x-Rennradgruppe Shimano Dura-Ace. Dabei wurde der Rahmen wurde speziell für das Zusammenspiel mit den XPLR-Gruppen von Sram entwickelt, die auch an den drei Modellen mit den Bezeichnungen 10K, 9000 und 6000 zum Einsatz kommen. Selbstredend verfügt das Mission daher auch über ein UDH-fähiges Ausfallende (Universal Derailleur Hanger) zur direkten Montage von kompatiblen Sram-Schaltwerken ohne Schaltauge. Die Modelle 7000 und 4000 beweisen mit Shimano GRX indes, dass das Mission auch mit 2-fach-Gruppen ausgestattet werden. Auch für den Einsatz mit Rennradgruppen eignet sich der Rahmen.
Ein Rahmen, fünf Modelle
Apropos Rahmen: Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern bringt Merida das Mission mit einem Rahmen für alle Modellvarianten an. Beim 8999 Euro teuren Topmodell Mission 10K kommt also der gleiche Rahmen zum Einsatz, wie beim 2299 Euro teuren Einstiegsmodell Mission 4000. Neben der Ausstattung gibt es allerdings einen wesentlichen Unterschied: Nur den drei Topmodellen 10K, 9000 und 7000 spendiert Merida das eigens entwickelte One-Piece-Cockpit Team SL GR1P. Bei den günstigeren Modellen kommen herkömmliche Lenker-Vorbau-Kombinationen zum Einsatz. Dennoch: Dass das Komplettrad Mission 4000 mit Shimano GRX 400 Schaltung nur 50 Euro teurer ist als der Rahmensatz mit Carbon-Cockpit, ist eine echte Ansage.

Die drei Topmodelle des Race-Gravelbikes kommen mit One-Piece-Cockpit aus Carbon.
Was der Mission-Rahmensatz nicht bietet, sind Montagepunkte in Hülle und Fülle. Das ist soweit typisch für ein Race-Gravelbike, welches ja nicht für die richtig langen Bikepacking-Einsätze gedacht ist. Ein paar Montageoptionen auf und unter dem Oberrohr gibt es dennoch. Auch Schutzbleche lassen sich bei Bedarf montieren. Zudem verfügt das Mission im Gegensatz zum Silex über ein ins Unterrohr integriertes Staufach. G.U.T. nennt Merida das System und beschreibt den Begriff als Abkürzung für "Gear, Useful Thing".

Eingebautes Staufach: Im Unterrohr lassen sich so manche Utensilien unterbringen.
Fast schon typisch für schnelle Merida-Modelle ist ein weiteres Feature des neuen Mission: die üppig dimensionierten Kühlelemente für die Scheibenbremsen. Sie sollen für die bessere Ableitung der beim Bremsvorgang entstehenden Hitze sorgen und dadurch eine optimale Bremsperformance bieten.

Die mächtigen Kühler sollen für eine optimale Bremsperformance sorgen.
Der erste Fahreindruck
Gleich drei Testfahrten über insgesamt gut 100 Kilometer konnten wir mit dem Topmodell Merida Mission 10K absolvieren. Eigentlich wären es sogar noch mehr Kilometer geworden, wäre da nicht ein kapitaler Reifenschaden in einer langen und sehr ruppigen Abfahrt gewesen. Nach einem Cut in der Reifenwand ließ sich das Tubeless-Setup mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht reparieren. Überhaupt zeigte sich der speziell für das Zipp 303 XPLR SW Carbon-Laufrad entwickelte Goodyear XPLR Slick Reifen im Laufe des Testcamps als sehr defektanfällig. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Strecken für die Testfahrten teilweise doch etwas ruppiger waren, als es die meisten Gravel-Rennen sind, für welche der Reifen gedacht ist. Bei ausgiebigen Testfahrten mit dem gleichen Setup in der Heimat konnten wir das Defektmuster nicht reproduzieren. Übrigens: Dem Set aus Laufrad und Reifen gönnen wir demnächst einen eigenen Testbericht.
Bereits im langen Anstieg vor besagter langen Abfahrt offenbarte sich ein besonderes Phänomen des Race-Gravelbikes: Das Merida Mission verleitet permanent dazu, schneller zu fahren, als es eigentlich mit Blick auf die individuelle Fitness sinnvoll wäre. Und das nicht nur aufgrund seines geringen Gewichts von 7,7 kg. Egal ob bergauf, in der Ebene oder bergab: dieses Gravelbike ist richtig schnell. Und das gleichsam auf Schotter wie auf Asphalt. Gleichzeitig gibt es sich sehr agil und folgt messerscharf jedem Lenkbefehl, vermittelt aber dennoch viel Vertrauen. So groß, dass Matej Mohorič in einer flotten Asphalt-Abfahrt Kunststückchen auf seinem Rad durchführte, die definitiv nicht UCI-konform sind. Unbedingt nicht zum Nachmachen empfohlen!
Die Geometrie überzeugt mit einem angenehmen Im-Rad-sitzen-Gefühl und spürbar sportlicher, aber nicht zu extremer Ausrichtung. Dabei entpuppt sich das Mission nicht unbedingt als Komfortwunder, wirkt aber auch nicht betont unkomfortabel.
Das One-Piece-Cockpit mit komplett integrierter Führung der Bremsleitungen liegt sehr gut in der Hand, speziell im Zusammenspiel mit den ergonomischen Sram-Hebeln. Einziger, typischer One-Piece-Haken: Außer durch den Einsatz von Spacern lässt sich die Lenker-Vorbau-Einheit nicht verstellen. Das G.U.T.-System macht seinem Namen alle Ehre. Das Staufach mit magnetischem Fidlock-Verschluss und praktischer Innentasche wirkt hochwertig und funktioniert in der Tat gut. Mini-Pumpe, Ersatzschlauch, kleines Werkzeug oder auch der Energie-Riegel finden hier bequem und sinnvoll ihren Platz.
Unser erstes Fazit
Mit dem Mission bietet Merida ein rundum gelungenes Race-Gravelbike, das in den Schotter-Rennen noch für Aufsehen sorgen dürfte. Doch auch auf flotten Allroad-Touren macht das leichte und vergleichsweise fair bepreiste Rad eine sehr gute Figur. Und zwar auch dann, wenn der Mensch im Sattel ohne Wettkampf-Spirit unterwegs ist.
Fünf Modelle ab 2299 Euro
Merida bringt das Mission in fünf Ausstattungsvarianten zu Preisen von 2299 bis 8999 Euro. Zudem gibt es für 2249 Euro den Rahmensatz mit Carbon-Cockpit. Zur Auswahl stehen sechs Rahmengrößen von XXS bis XL, wobei die Rahmen insgesamt eher etwas größer ausfallen.





