Während die anderen gemütlich um das Weihnachtsessen herumsitzen, in wohliger Wärme mit den Liebsten, zieht es mich, den Test-Redakteur hinaus in die Kälte. Nicht unbedingt, um der Familie zu entfliehen, sondern während einer Challenge das brandneue Gravel 230 von Carver zu testen.
Der Frankfurter Fahrradhersteller Carver, bekannt durch seine Bikes, die in den Geschäften einer großen deutschen Kette zu finden sind, geht neue, unabhängigere Wege. Dazu gehört ein eigener Webshop, der Direktvertrieb sowie der Ausbau des Fachhändler- und Servicenetzes.
In diesem Zuge erblickt auch mit der Gravel Series eine neue Generation von Gravelbikes das Licht der Welt. Wir durften exklusiv das neue Gravel 230 noch vor Marktveröffentlichung fahren. Voller Spannung wurde das Bike in der Redaktion erwartet. Denn: Unter welchen Bedingungen funktioniert ein Test besser, als im Rahmen der bekannten Challenge Festive 500 das Bike auf lange, harte Touren durchs Gelände zu jagen?
Kurz und knapp
- Modell: Gravel 230
- Rahmenmaterial: Aluminium
- Farbvarianten: drei
- Größen: XS – XL
- Schaltung: Shimano GRX 820, 2x12
- Reifenfreiheit: bis 45 mm
- Gewicht*: 11,1 kg
- Preis: 1699 Euro/ lieferbar ab KW 7/25
Nicht ohne Stolz präsentiert sich das neue Gravelbike vor uns. Schließlich hat Carver auf dem Terrain einiges vor und hat den Rahmen deshalb komplett neu entwickelt. Ziel war es, ein Bike zu konzipieren, welches sowohl auf langen Strecken seine Vorteile ausspielen kann, als auch keine Kompromisse bei technischer Fahrweise und schnellem, sportlichen Schottern machen muss.

Ohne Rücksicht auf Verluste: Das neue Carver Gravel 230 musste im Test zeigen, was es drauf hat. Geschont wurde es sicherlich nicht.
Das neue Carver Gravel 230
Dazu beitragen sollen konifizierte Rahmenformen. Sie sollen für genügend Leichtigkeit, hohen Komfort und größtmögliche Steifigkeit sorgen. Gegenüber dem Vorgänger soll der Rahmen rund 300 g leichter sein. Das Unterrohr bekommt dezente, modern wirkende Kanten verpasst. Carver spricht von "Liquid Design", einer Optik, wie aus einem Guss. Das aufgeräumte Cockpit mit den versteckten, unterhalb des Lenkers und Vorbaus verlaufenden Zügen soll ebenso bestechen, wie der am Steuer- und Sitzrohr glatt geschliffene Aluminium-Rahmen.
Außerdem wurde die Gabel beidseitig mit jeweils drei Montageösen versehen, die das Gravelbike obendrein für Bikepacking-Abenteuer fit machen sollen.
Geschaltet wird mit Shimanos GRX 820-Schaltgruppe. Sie besitzt eine Übersetzung von 48/31T an der Kurbel, sowie 11-36T an der Kassette.
Als Laufräder kommen Schürmann SDR Gravel zum Einsatz, auf denen Contis Terra Trail-Reifen mit 40 mm Breite aufgezogen werden. Bis zu 45 mm breite Pneus passen in den Rahmen.

Stolz präsentieren die Frankfurter ihre Identität mit der Stadt auf dem Oberrohr.
Weihnachten ade, jetzt wird geschottert
Es kostet Überwindung, hinaus in die Kälte und dem trüben Wetter zu stapfen, während die Verwandtschaft im Warmen hockt und sich die Bäuche mit Kaffee und Kuchen vollschlägt. Doch das ist schnell vergessen. Sobald man aufsitzt, fühlt man sich auf dem Bike sehr wohl und kann es kaum erwarten, loszufahren. Das Carver Gravel 230 empfängt den Fahrer mit einer Sitzposition, die nicht zu stark sportlich ausgerichtet ist und einen guten Kompromiss zwischen Langstrecken-Komfort und sportlichem Fahren erlaubt.
Grund dafür ist der Radstand von 1051 mm (Größe M), der eine ausgewogene Geometrie bedeutet. Er kombiniert Stabilität auf unebenem Terrain und ausreichende Agilität für kurvige Trails oder Straßenfahrten. In unserem Praxistest führten längere Touren nicht zur Ermüdung, die raschen Schotterrunden um den Block brannten dem Tester selbst zur Winterzeit ein Grinsen ins Gesicht. Wer es dennoch möchte, kann den Gabelschaft dank der Spacer um insgesamt 20 mm kürzen. Dies sollte aber von einem Fachhändler vorgenommen werden.
Eher untypisch für Aluminium fiel uns der hohe Dämpfungskomfort des Rahmens auf. Sowohl am Cockpit als auch am Heck ist der Effekt bei Unebenheiten des Untergrunds deutlich zu spüren. Mit ein Grund: die tiefer angesetzten Sitzstreben.
Außerdem war unser Test-Bike mit TPU-Schläuchen in den Reifen ausgestattet. Die können erstens mit weniger Druck gefahren werden, ähnlich wie bei Tubeless-Bereifung, und bringen zweitens weniger Gewicht gegenüber normalen Butyl-Schläuchen auf die Waage. Dementsprechend wirkt sich dieser kleine Kniff positiv auf den Fahrkomfort aus. Aber: Die Laufräder sind für Aluminium zwar leicht, jedoch nicht tubeless-geeignet. Carver arbeitet jedoch bereits an einer Nachrüstoption, wie uns versichert wurde.
Warm machende Anstiege, Kälte bringende Abfahrten. Bei unserem Test durfte unser Fahrer fast das ganze Spektrum des Winters erleben. Doch unter sämtlichen widrigen Bedingungen schaltet Shimanos GRX-Schaltung zuverlässig durch die einzelnen Gänge. Mit der montierten Übersetzung verlieren Höhenmeter ihren Schrecken, und im Flachen kann man es richtig krachen lassen.
Dabei liegt der 42 cm* breite Lenker gut in der Hand, das Gravelbike lässt sich bereitwillig und sicher um jede Ecke bugsieren, wirkt im Antritt aber eher gutmütig als spritzig. Die Conti Terra Trail-Reifen besitzen für das Bike passende Allrounder-Eigenschaften. Guten Grip im (matschigen) Gelände, auf der Straße dennoch flott genug. Die Bremsen mit ihren 160 mm-Bremsscheiben packen angenehm bissig zu.

"Ich will Spaß, ich will fahr'n", sang einst in den 80ern der deutschen Pop-Sänger Markus. Ob er wusste, dass eines Tages das Carver die Schotterpisten rockt? Das Gravel 230 bietet nämlich genau dies, eine ordentliche Portion Fahrspaß.
Fazit
Die Challenge ist nach 500 frostigen Kilometern zwischen Weihnachten und Neujahr erfolgreich geschafft und einige Eindrücke mit dem Carver Gravel 230 gewonnen. Ein Wort findet sich öfter in den Notizen unseres Test-Redakteurs wieder: Spaßmaschine. Und das macht das Gravelbike definitiv: Spaß.
Eine durchdachte Rahmengeometrie lässt das Bike komfortabel fahren, wirkt auf längeren Touren nicht ermüdend und hinterlässt durch sein präzises Handling und den griffigen Pneus bei schnellen Runden auf Schotter-, Feld- und Waldpisten einen prima Eindruck.
Die Komponenten sind sorgsam ausgewählt und passen zum gutmütigen und verlässlichen Charakter des Carver. Der qualitativ hochwertig verarbeitete und moderne Aluminium-Rahmen sticht dank seiner Dämpfungseigenschaften besonders heraus. Praktisch finden wir außerdem die zahlreichen Möglichkeiten zur Befestigung für Gepäck oder Schutzblech, was der Vielseitigkeit des Bikes zuträglich ist. In dieser Kombination wird das Gravel 230 zu einem waschechten Allrounder. Das i-Tüpfelchen ist der sehr faire Preis von 1699 Euro.
Plus und Minus
Dämpfungsqualitäten des Aluminium-Rahmens
Langstrecken-tauglich
Bequemer Sattel
Vielseitiger Einsatzzweck dank zahlreicher Montageösen
Toll verarbeitete Schweißnähte am Oberrohr
Fairer Preis
Spritzigkeit
Laufräder nicht für Tubeless geeignet
* Rahmengröße M, gewogen ohne Pedale
Mehr Informationen bei Carver.