Phonak Audéo Lumity 90-RL im Test
Radfahren trotz Hörminderung

Jeder fünfte Mensch in Deutschland hat eine Hörminderung – natürlich sind auch Radfahrerinnen und -fahrer betroffen. Es gibt aber gute Lösungen – wenn man früh genug handelt. Eine haben wir ausprobiert: das Hörgerät Audéo Lumity 90-RL von Phonak.

Radfahren trotz Hörminderung
Foto: Agron Beqiri

Knapp jeder fünfte Mensch über 14 Jahren in Deutschland ist hörbeeinträchtigt – manche stärker, andere schwächer. Natürlich sind auch Radfahrerinnen und -fahrer betroffen – eine Einschränkung: "Beim Radfahren möchte man die Umgebung und die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen und sich unterhalten können, wenn man mit anderen zusammen fährt", sagt Thomas Maisch, Hörakustikermeister und Geschäftsführer des Familienunternehmens Optik & Akustik Maisch in Tübingen. "Darüber hinaus ist gutes Hören natürlich auch eine Frage der Verkehrssicherheit."

Doch was tun, wenn eine Hörminderung festgestellt wird? Zunächst einmal fundamental wichtig: überhaupt reagieren! "Statistisch vergehen bei einer schleichenden Hörminderung über zehn Jahre (!) ab dem Moment, an dem man hätte handeln müssen, und dem Zeitpunkt, an dem Betroffene tatsächlich regelmäßig ein Hörsystem nutzen", so Maisch. "Das Problem dabei ist – sehr vereinfacht gesprochen –, dass das Gehirn manche Frequenzen, wenn es sie lange Zeit nicht mehr hört, irgendwann nicht mehr einordnen kann, also quasi vergisst. Aus einer Hörminderung wird so ein Hörverlust." Immerhin: Bei plötzlich auftretenden Hörminderungen – wegen Knalltrauma, Infektion, Hörsturz, Ohrschmalz oder Wasser im Ohr – reagieren Menschen schneller und gehen zum Arzt.

Optik & Akustik Maisch
Thomas Maisch ist Hörakustikermeister und führt in dritter Generation das Familienunternehmen Optik & Akustik Maisch in Tübingen.

Warum sich viele Menschen so schwer damit tun, ein Hörgerät zu tragen? "Ein Hörgerät, moderner gesprochen Hörsystem, wird oft als Schönheitsmakel angesehen, als Stigma", beobachtet Hörakusterikermeister Thomas Maisch, "vermutlich auch deshalb, weil eine Hörminderung oft mit fortschreitendem Alter assoziiert wird (was niemand gerne wahrhaben möchte). Eine Verbindung von Alter und schlechterem Hören ist zwar nicht von der Hand zu weisen, aber es gibt viele weitere mögliche Gründe für eine Hörminderung, auch bei jungen Menschen. Und egal wie alt man ist: Gut hören zu können bedeutet Lebensqualität. Warum sollte man darauf verzichten?"

Wenn ein Mensch schlecht sieht, ist es völlig normal, eine Brille zu tragen. Wenn jemand schlecht hört, sollte es genauso normal sein, ein Hörgerät zu tragen. -Thomas Maisch, Hörakustikermeister-

Tipp: Spätestens ab 40 einfach mal einen Hörtest machen – entweder beim Facharzt oder beim Hörakustiker. Dauer: 15 Minuten, in der Regel kostenlos. Zweiter Tipp: Auch wenn man jünger als 40 ist, bitte einen Hörtest machen, wenn man öfter Sätze sagt wie: "Die Leute nuscheln aber", "der Film ist schwer zu verstehen" oder "in der Bar ist es zu laut für Gespräche". Im Zweifelsfall sind es nicht die Leute, die nuscheln, sondern man selbst ist es, der schlecht hört.

Test: Phonak Audéo Lumity 90-RL

Was moderne Hörgeräte zu leisten imstande sind und wie sie sich im Alltag eines Sportlers schlagen, zeigte das Gerät Audéo Lumity 90-RL von Phonak. Der Tester: Rennradfahrer, 41 Jahre alt, seit ca. 10 Jahren von batteriebetrieben Hörgeräten unterstützt. Gab es bis dato in Alltagssituationen keinen Grund zur Klage, gerieten die bisherigen Geräte insbesondere beim Sport oft an ihre Grenzen. Vor allem, wenn beim Indoorcycling, Fußball- oder Tennisspielen viel Schweiß im Spiel war, schalteten die Geräte ab und waren erst nach mehrstündiger Trocknung wieder einsatzbereit. Anders die akkubetriebenen Audéo Lumity 90-RL. Die nach IP68-Standard wasserresistenten und staubdichten Phonak-Geräte verrichteten auch bei klatschnassen Haaren klaglos ihren Dienst. Ausfälle? Fehlanzeige! Dank spezifisch ans Ohr angepasster Endstücke (Aufpreis 270 Euro abzüglich Krankenkassenanteil ca. 85 Euro) saßen die Hörgeräte jederzeit stabil – sowohl beim Radfahren über Asphalt, Kopfsteinpflaster, Schotter oder Trails als auch bei Kontaktsportarten wie Fußball. Um die Hörgeräte mal ungewollt hinter den Ohren hervorzuholen, bedurfte es schon übermütiger Kinderhände – und selbst dann zeigten sich die Audéo L90-RL robust und funktionierten uneingeschränkt.

Phonak
Die Phonak Audéo Lumity 90-RL überzeugten im mehrmonatigen Dauertest - schweiß-intensiver Sportbetrieb inklusive.

Die Akku-Laufzeit deckt einen "normalen" Tagesablauf gut ab – wer nicht gerade zum 20-Stunden-Tag neigt, sollte keine Probleme bekommen. Ein einziges Mal in drei Monaten Testzeitraum meldeten die Geräte per Tonsignal schwindende Akku-Kräfte – nach ca. 18 Stunden Betriebszeit, an einem langen Messetag mit frühmorgendlicher Anreise, nach ca. 19 Stunden schalteten die Geräte sich dann ab. Praktisch: Phonak bietet zum Aufladen eine kleine Box an (208 Euro), die zugleich das Trocknen übernimmt. Einfach die Geräte in die vorgesehenen Öffnungen ablegen, fertig. Der Clou: Die Ladebox ist selbst mit einem Akku versehen, der ca. sieben Tage bzw. hält – auf kürzeren Reisen braucht man also kein Kabel mitzuschleppen (falls doch: USB-C).

Agron Beqiri
Die selbst akku-betriebene Ladebox von Phonak (208 Euro) wird per USB-C-Kabel aufgeladen und lädt und trocknet dann mehrere Tage/Nächte autark die in ihr abgelegten Hörgeräte.

Auf dem Rennrad beeindruckte die Windgeräuschunterdrückung der Phonak-Geräte, die man jedoch in einem separaten Programm extra anlegen sollte – bei Standardeinstellungen kann es recht laut werden. Zur Erklärung: Die Phonak Audéo Lumity 90-RL verfügen über verschiedene Programme (zum Beispiel ruhige Umgebung, Restaurant, Präsentation oder Musik) und wechseln selbständig – je nach akustischer Umgebung – in das am besten passende. In der Praxis gelang dies in den allermeisten Fällen sehr gut, in unterschiedlichsten, teils herausfordernden Gesprächssituationen erfüllten die Phonak-Geräte ihre Kernaufgabe – eine Hörminderung auszugleichen – bravourös.

Neben den vorinstallierten Hörprogrammen/-situationen kann man weitere für bestimmte Anlässe einrichten – eben zum Beispiel maximale Geräuschunterdrückung. Wie das geht? In einer recht intuitiv funktionierenden Begleit-App – noch besser aber im Laden zusammen mit einem professionellen Hörakustiker. Dabei sollte man durchaus etwas Zeit einplanen: Bis die richtigen Einstellungen gefunden sind, kann es einige Sitzungen dauern, zumal das Gehör sich an neue Impulse gewöhnt und zunächst als ungewohnt bzw. unangenehm empfundene Lautstärke nach und nach immer besser "wegsteckt". Praktisch: Für Anpassungen der Geräte muss man nicht zwingend aus dem Haus – statt dessen gibt es innerhalb der App die Option, sich zu einem Videocall mit dem Hörakustiker zusammenzufinden und Einstellungsänderungen auch auf Distanz vorzunehmen.

Agron Beqiri
Größenorientierung: Die Audéo Lumity 90-RL von Phonak sind in sieben Farben erhältlich.

Dank stabiler Bluetooth-Verbindungen zum Smartphone oder Fernseher (letzteres mit zusätzlichem Transmitter, 220 Euro) lassen sich die Hörgeräte zudem wie Wireless-Kopfhörer nutzen, die Klangqualität beim Streamen von Musik, Telefonieren oder Fernsehen war in allen Fällen sehr gut. Vorteil, gerade beim Fernsehen: Der Partner/die Partnerin beschwert sich nicht mehr, das in Kinolautstärke geschaut werden muss...

Je nach Zielgruppe interessant ist die Option, über die Phonak Audéo Lumity 90-RL Gesundheitsdaten zu tracken, zum Beispiel Herzfrequenz, Schrittzahl und Kalorienverbauch. Dies geschieht nicht EKG-genau, für ambitionierte Sportlerinnen und Sportler, die mit Pulsgurt trainieren, ist diese Funktion vermutlich weniger relevant. Wer jedoch eine grundlegende Orientierung über sein Fitnesslevel sucht, ist jedoch unter Umständen angetan.

Moritz Pfeiffer
Kinolautstärke adé: Der TV-Connector (220 Euro) wird per Kabel mit dem Fernseher verbunden und überträgt den Ton dann via Bluetooth an die verbundenen Hörgeräte - die nicht Höreingeschränkten im Raum danken es...

Dass so viel Performance ihren Preis hat, überrascht kaum: Zirka 3100 Euro pro Seite kosten die Audéo Lumity 90-RL – viel Geld, selbst wenn man einen Krankenkassenanteil von bis zu 690 Euro pro Seite geltend machen kann. Allerdings gibt’s die Audéo Lumity-Geräte in verschiedenen Ausführungen mit unterschiedlichem Funktionsumfang – und damit optional auch deutlich günstiger.