Die zehn schlimmsten Biker-Sünden - und wie Sie daraus lernen
Fitness: Die zehn größten Biker-Sünden

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Wenn Biker ihre Trainingssünden beichten, dreht sich‘s meist um schlechte Angewohnheiten. MB bringt Sie auf den rechten Weg zurück.

MB Trainingssünden Teaserbild
Foto: Angel Miguelez

Biker sind auch nur Menschen und begehen sie täglich – die kleinen Sünden. Der Hals kratzt, aber Trainieren geht schon, heißt es dann. Ein Fehler, denn mit einer beginnenden Erkältung zu trainieren ist kontraproduktiv. Auch die negative Wirkung von Übertraining oder die eines zu geringen Trink­status sind den meisten bekannt. Ignoriert wird‘s aber dennoch immer wieder. Schlimmer noch: Auf Dauer werden die kleinen Sünden zur Gewohnheit – je länger man sie als normal empfindet, desto schwieriger sind sie wegzubekommen.

MB-Fitness-Experte Tim Böhme vom Radlabor Freiburg rät: „Wer schlechte Angewohnheiten früh erkennt, verhindert, dass sie sich einschleifen. Man sollte sich deshalb ständig kritisch hinterfragen und selbst daran erinnern, was einem nachweislich gut tut und was schadet.“

Grundsätzlich gibt es zwei Sünder-Typen: Der eine macht zu viel, der andere zu wenig. Racer neigen zu Übertraining und ignorieren Krankheiten, Genießer tendieren zum Schönwetterbiken und unregelmäßigen Training.

Die Folgen sind vielfältig: Racer erzielen bei konstant hartem Training mit zu wenig Regeneration keine Leistungssteigerung. Tourenbiker scheitern an Alpenanstiegen, weil sich unregelmäßiges Training im Nichts verläuft.

Welche Sünden begehen Sie? MB nennt die zehn häufigsten Übeltaten und zeigt, wie Sie sich selbst die Absolution erteilen. Das Beste daran: Mit diesen Tipps wird Ihr Training effektiver und gesünder – und nebenbei Ihr Gewissen reiner.

Sünde 1: Training am Limit bringt nicht nach vorn

Wer stets knapp am Leistungsmaximum trainiert, fährt für ein Ausdauertraining zu schnell, aber für hochintensive Einheiten zu langsam. Beides ist jedoch das A und O für eine Leistungssteigerung. Der Dauerlimitfahrer erzielt somit keine Leistungssprünge – er tritt bestenfalls auf der Stelle. In gewollt harten Einheiten fehlt dann die Power, eine Schippe draufzulegen. Außerdem kommt das Grundlagentraining zu kurz.

Tipp: Trainieren Sie mit System! Die Mischung aus verschiedenen Belastungen erzielt den Trainingseffekt, der bei Immer-am-Anschlag-Training fehlt. Eine sinnvolle Aufteilung des Trainings ist es, drei Viertel des Trainings mit Grundlage und nur ein Viertel der Einheiten mit stärkeren Belastungen zu gestalten. Ein Trainingsplan hilft bei der Einhaltung der Regel.

Sünde 2: Nie warmfahren, nie ausfahren

Aufs Rad, und dann Kette rechts bis zum Schluss – wer wenig Zeit hat, will die Zeit auf dem Rad effektiv nutzen. Dabei wird häufig vergessen, dass die Muskeln vor stärkeren Belastungen erst warm werden müssen, um Verletzungen vorzubeugen und um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Am Trainingsende das Gleiche: Auf ein Cooldown wird oft verzichtet, obwohl das Ausrollen maßgeblich zu Laktatabbau und Regeneration beiträgt.

Tipp: Ein Warmup und Cooldown von je 10 bis 15 Minuten ist Pflicht, auch bei kürzeren Fahrten. Dabei in lockerem Tempo mit hoher Trittfrequenz und wenig Druck auf dem Pedal am besten auf Feldwegen oder Asphalt einrollen und ausfahren. Auch Stretching ist kein Ersatz für das Cooldown, sondern Zusatz, um Verspannungen und Muskelverkürzungen zu verhindern.

Aber wenn stretchen, dann richtig! Das heißt: Nach dem Training erst die Energiespeicher füllen und danach 15 Minuten nach der Belastung, wenn die Muskeln noch warm sind, dehnen.

Sünde 3: Ruhetage sind was für Schwächlinge

„Viel hilft viel“ ist eine weit verbreitete Trainingsmentalität im Radsport, obwohl die negativen Folgen in der Regel bekannt sind: Übertraining, keine Regeneration und damit die ausbleibende Steigerung der Leistung.

Tipp: Belastung und Regeneration müssen sich die Waage halten. Um Übertraining zu verhindern, müssen Sie die Warnsignale des Körpers wie Müdigkeit, Schmerzen oder Erschöpfung ernst nehmen und darauf reagieren. Und zwar mit einem Ruhetag. Doch wirklich auf seinen Körper zu hören, das erfordert Erfahrung und Körpergefühl. Deswegen hilft die Orientierung an Eckdaten: höchstens zwei intensive Einheiten pro Woche, nicht mehr als drei Trainingstage am Stück und nie zwei intensive Einheiten an aufeinanderfolgenden Tagen. Mit zwei Ruhetagen pro Woche kann man nichts falsch machen, wer älter als 40 ist, macht besser drei.

Sünde 4: Leise atmen, keine Schwäche zeigen

Viele Biker dämpfen beim Biken ihre Atmung, teilweise bewusst, teilweise unbewusst. Die Folge von unterdrücktem Atmen sind mangelnde Sauerstoffversorgung, Kreislaufprobleme und verringerte Leistungsfähigkeit. Und das nur, damit keiner merkt, wie sehr man sich gerade anstrengen muss. Ein hoher Preis!

Tipp: Lösen Sie sich von der Vorstellung, dass lautes und starkes Atmen etwas mit schlechter Fitness zu tun hat. Es ist ähnlich wie beim Schwitzen: Jeder Fahrer atmet bei gleicher Belastung unterschiedlich stark. MB-Fitnessexperte Tim Böhme rät: „Konzentrieren Sie sich zum Abgewöhnen der unterdrückten Atmung auf Ihren Atemrhythmus, und atmen Sie tief in die Brust. Binden Sie diese Konzentrations­übung regelmäßig ins Training ein. Um etwas so essentielles und unterbewusst ablaufendes wie das Atmen zu ändern, braucht es regelrechtes Training.“

Sünde 5: Zu viel Pause, zu wenig Kontinuität

Wer unregelmäßig trainiert, baut keine Grundlagenausdauer auf und neigt dazu, seltene Trainingseinheiten übertrieben lang und intensiv zu fahren. Der Effekt einer einzigen, noch so intensiven Einheit pro Woche verpufft jedoch ergebnislos. Die Pausen sind zu lang. Biker, die nur bei schönem Wetter aufs Rad gehen, trainieren gerade in den Übergangszeiten zu selten. Wer sein Niveau halten oder sich steigern will, braucht jedoch kontinuierliches Training.

Tipp: Zwei Einheiten unter der Woche und zwei am Wochenende sind ein gutes Maß für kontinuierliches Training – auch wenn die einzelnen Einheiten kürzer ausfallen. Motivierend sind Training nach Plan oder eine wöchentliche Feierabendrunde mit Freunden. Fahrten zur Arbeit können bei Zeitmangel eine Alternative sein. Schlechtwetterfahrten als Alpencrossvorbereitung und Fahrtechnikschulung sind mit den richtigen Bike-Klamotten kein Problem.Das Problem ist, sich erst überwinden zu müssen, um aufs Rad zu gehen.

Sünde 6: Wiegetritt – zu ­selten oder aber zu oft

Monotones Sitzverhalten kann zwei Ausprägungen haben: Typ Jan Ullrich fährt alles sitzend, Typ Lance Armstrong fährt ganze Anstiege stehend. Beides kann problematisch sein. Der Dauersitzer lockert die Muskelpartien der Schultern und des Rückens zu selten, die Hoden werden schlechter durchblutet. Typ Armstrong hingegen entlastet zwar lokal, beansprucht aber durch die erhöhte Haltearbeit seinen Puls stärker.

Tipp: Die Mischung macht­‘s! Fahren Sie gut 70 Prozent im Sitzen, und gehen Sie nur zur Entlastung in den Wiegetritt.

Sünde 7: Zu sparsam beim Essen und Trinken

Diese Unsitte ist unter Bikern weit verbreitet, falscher Stolz ist häufig der Grund dafür. Wichtig zu wissen: Nach circa zwei Stunden sind die Kohlenhy­dratreserven des Körpers erschöpft, danach kommt der Hungerast, also der völlige Leistungseinbruch. Der Wasserhaushalt ist ebenfalls stark belastet. Ein 80-Kilo-Fahrer verliert pro Stunde bei 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz bis zu 1,5 Liter Schweiß in der Stunde. Der Körper kann jedoch nur rund 800 ml pro Stunde wieder aufnehmen.

Tipp: Nehmen Sie alle 10 Minuten einen großen Schluck aus der Trinkflasche und alle 30 Minuten einen Bissen vom Riegel, Brötchen oder Gel. Für jede Stunde Fahrt sollten Sie eine 0,7-l-Flasche Flüssigkeit einplanen und schon vor der Fahrt ausreichend trinken! Auch bei Kälte das Trinken nicht vergessen. „Der Körper verliert im Winter ähnlich viel Wasser wie im Sommer“, sagt MB-Fitnessexperte Tim Böhme. Wer abnehmen will, sollte während der Fahrt kontinuierlich essen, um den Heißhunger nach der Fahrt zu verhindern.

Sünde 8: Trotz Krankheit weiter trainieren

Viele Biker ignorieren die Symptome einer beginnenden Erkältung wie ein schlappes Gefühl oder ein Kratzen im Hals und biken weiter – zum Teil mit Hilfe von Grippemedikamenten – munter drauflos. Eine Pause, fürchten viele, könnte die Form gefährden. Wer dem Körper nicht die ganze Kraft zur Abwehr bereitstellt, macht es Viren und Baktereien leicht und verschlimmert alles.

Tipp: Anstatt ein Risiko einzugehen, lieber gut auskurieren. Die Form verschwindet nicht und lässt sich nach ein bis zwei Wochen in der Regel wieder erreichen. Nach Abklingen der Krankheit erst ganz langsam mit Grundlagentraining beginnen und Ruhetage einlegen! Wer zu früh ins Training einsteigt, riskiert, die Krankheit zu verschleppen. Profi-Biker Tim Böhme vom Team Bulls warnt: „Oft fühlt man sich nach einer Krankheit recht fit und lässt sich dazu verleiten, zu früh intensiv und lange zu trainieren.“ Pro Krankheitstag etwa zwei Grundlagentrainingstage einplanen.

Sünde 9: Schlaf kürzen, um Zeit zu gewinnen

Der Tag hat 24 Stunden, angefüllt mit Arbeit, Training und Familie. Oft passt nicht alles unter einen Hut, dann wird zuerst am Schlaf gespart. Doch Schlaf ist das Regenerationsmittel Nr. 1, weniger Schlaf heißt weniger Regenerationszeit. Die Folge: Es werden nicht genug Wachstums­und Reparaturhormone ausgeschüttet, der Trainingseffekt unterlaufen.

Tipp: Geben Sie Ihrem Körper die Chance, vollständig zur Ruhe zu kommen. Je jünger Sie sind, desto mehr Schlaf benötigen Sie, in der Regel sieben bis zehn Stunden. Ideal und auf jeden Fall einen Versuch wert: ein kurzer Erholungsschlaf nach dem Training. Im Trainingsplan sollte Schlaf als feste Größe eingeplant werden. Die Zutaten für guten Schlaf: regelmäßige Schlafenszeit, Raumtemperatur zwischen 16 und 18° C, Dunkelheit und kein Alkohol oder Koffein am Abend.

Sünde 10: Tempobolzer bestimmen lassen

Gruppenfahrten verleiten häufig zum Tempobolzen. Das kann sinnvoll sein und Spaß machen. Wenn jedoch eigentlich nötige Grundlagenfahrten durch gegenseitiges Anstacheln in Privatrennen ausarten, wird der Trainingsplan hinfällig. Wer ausschließlich mit einer schnellen Gruppe unterwegs ist, fährt zu oft am Limit und verfehlt den Trainingseffekt.

Tipp: Fahren Sie nicht öfter als ein bis zwei Mal pro Woche in einer schnellen Gruppe. Dann kann die anstachelnde Rennstimmung nutzbringend sein und als Fitness-Check dienen. Ergänzen Sie diese intensiven Gruppenfahrten durch Grundlageneinheiten, die Sie allein oder in einer gemütlichen Gruppe absolvieren.

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MOUNTAINBIKE 04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023